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Statement 2007-62
Scientology,
Florian Henckel v. Donnersmark und die “FAZ”
Walter Grobe, 7.7.2007
Die Absicht einer Filmfirma aus den USA, das Flaggschiff
der Scientology-Sekte, den Schauspieler Tom Cruise, mit der Verkörperung
des Obersten Claus Schenk Graf v. Stauffenberg in einer Geschichte
über das Attentat des 20. Juli 1944 zu betrauen und einige Szenen
in den authentischen Gebäuden des geschichtlichen Dramas in Berlin
zu drehen, hat Kontroversen ausgelöst. Behörden des Bundes und des
Landes Berlin weigerten sich, ihnen unterstehende historische Gebäude
wie den „Bendlerblock“, wo seinerzeit Stauffenberg sein Büro hatte
und ermordet wurde, für die Dreharbeiten zur Verfügung zu stellen.
Politiker, Historiker und Künstler wandten sich gegen das Projekt
überhaupt.
Diese
Stellungnahmen gehen in die richtige Richtung. Es handelt sich hier
in keiner Weise um Fragen der künstlerischen Freiheit, sondern um
ein Politikum. Die Scientology-Sekte wird mit gutem Grund in der Bundesrepublik
kritisiert, auch immerhin von Teilen des politischen Apparats, und
auch vom Verfassungschutz als subversive Organisation beobachtet,
mittlerweile auch wieder in Berlin. [Siehe
IS 2007-38 vom 10.05.07: "Die Scientology-Sekte und ihre Förderer"]
Wenn die Hauptrolle eines Films über ein solches Thema der deutschen
Geschichte mit Cruise besetzt werden soll, so hat das mit der Auswahl
des besten Schauspielers für diese Rolle gar nichts zu tun, zumal
man bezweifeln kann, daß Cruise überhaupt ein guter Schauspieler ist.
Es ist vielmehr ein Versuch, gegenüber der Kritik an Scientology in
Deutschland zu demonstrieren, daß diese Organisation sich über die
Medienschiene doch durchsetzt, daß sie Top-Positionen in der medialen
Beeinflussung der Öffentlichkeit, im kulturellen Überbau zu besetzen
vermag. Wenn Behörden da nicht mitspielen wollen, dann tun sie nur
ihre Pflicht. Allerdings werden ihre Absagen abgeschwächt durch die
grundsätzliche Bejahung des Cruise-Scientology-Projekts, die sie meist
ängstlich bekunden, und die Tatsache, daß weiterhin mehrere Millionen
offizieller Filmfördermittel dafür zur Verfügung stehen.
Einige
der zahlreichen Gegenstimmen:
„Hans
Joachim Otto,Vorsitzender des Kulturausschusses im Bundestag (FDP),
findet es ‚nicht besonders
instinktvoll, diese Rolle an Cruise zu geben.’ Und die Sektenbeauftragte
der CDU, Antje Blumenthal, kritisiert: ‚Gut im Sinne von Scientology
ist nur der, der zu Scientology gehört. Alle anderen sind Feinde.
Und das ist nicht Graf Stauffenberg gewesen.’ Er habe ein System wie
Scientology es gerne hätte bekämpft. Der Rechtsexperte der SPD, Klaus
Uwe Benneter sieht im Auftreten von Tom Cruise als Stauffenberg gar
einen ‚Schlag ins Gesicht eines jeden Demokraten’. (3Sat, Kulturzeit,
6.7.07)
„Weniger
freundlich reagierte der Leiter der im Bendlerblock residierenden
Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Peter Steinbach, auf das Plädoyer
Florian Henckel von Donnersmarcks für Tom Cruise und das ‚Valkyrie’-Projekt
(F.A.Z. von gestern). Es sei ‚würdelos’, wenn ‚eine historisch wichtige,
wertvolle, als Orientierung dienende Persönlichkeit’ wie Stauffenberg
an den Glanz eines Kinostars gekoppelt werde, sagte Steinbach in einem
Rundfunkinterview. Donnersmarcks Argumentation sei ‚verkommen’, der
Gebrauch des Begriffs ‚Übermensch’ für Stauffenberg ‚leichtfertig
und verantwortungslos’. Steinbach hält einen ‚Superman’ und Scientology-Adepten
wie Tom Cruise nicht für geeignet, die dramatische innere Entwicklung
Stauffenbergs vom Befürworter zum Gegner von Hitlers Regime überzeugend
darzustellen.“ (FAZ 4.7.07 S. 38)
Vor
allem aber auch ist interessant, wer dafür in den Ring steigt.
Da steht die „FAZ“ ganz vorne an der Front. Unter dem fehlgegriffenen
label ‚Verteidigung der künstlerischen Freiheit’ hat sie bereits eine
mehrtägige Kampagne für Tom Cruise geführt, für den Plan dieses Filmes
und für das Weggucken von der Frage Scientology.
Am
3.7. stellte sie fast eine volle Seite ihres breitflächigen Blattes
einem Beitrag des Herrn v. Donnersmark zur Verfügung unter dem provokant-dadaistischen
Titel
„Deutschlands Hoffnung heißt Tom Cruise. Warum der amerikanische Superstar
den Hitler-Attentäter Graf Stauffenberg spielen muss.“
Dieser
Beitrag zeigt überraschend deutlich die mentale Verkommenheit von
jemandem, der derzeit als „Größe“ der Filmkunst in Deutschland hochgelobt
wird und in Hollywood sich als Emporkömmling betätigt. Von Donnersmark
war vor kurzem für einen Film über die Stasi, „Das Leben der anderen“,
mit einem Oscar ausgezeichnet worden. Die Stasi ist seit 1989/90 Geschichte
und ist seitdem von großen Behörden und den Medien für die Propaganda
der eigenen angeblich so freien Gesellschaft reichlichst ausgewertet
worden. Im Jahre 2006 machen uns schon seit langem nicht mehr die
Stasi, sondern Überwachung und Beschnüffelung der Bevölkerung durch
die BRD zu schaffen, die um ein Vielfaches gründlicher und raffinierter
sind und zur Vorbereitung ungeahnter Repressionen dienen. Allein schon
daß ein Regisseur im Jahre 2006 einen Film über das düstere Leben
in und um die Stasi, wie er es sieht, herauszubringen müssen meint,
weist ihn als politisch hochangepaßte Type aus. Daß so etwas offizielle
Filmpreise bekommen muß, ist schon im Ansatz ausgemacht.
v. Donnersmark zu Tom Cruise und Bryan
Singer
Was
v. Donnersmark in der FAZ über Cruise zum Besten gibt, verdient
als ganzer Absatz in die Enzyklopädie
der primitiven Lobhudeleien aufgenommen zu werden. „Tom
Cruise ist der erfolgreichste aller Superstars. ......das allem Anschein
nach sehr gute Drehbuch von ‚Valkyrie’ (so der Arbeitstitel des Stauffenberg-Projektes
nach dem ‚Unternehmen Walküre’), die unerschrockene, männliche Haltung
des Attentäters und die Leidenschaft Bryan Singers sagten ihm zu.
Er nahm das Angebot an und wird jetzt sein Superstar-Licht auf diesen
seltenen glanzvollen Moment im düstersten Kapitel unserer Geschichte
werfen. Er
wird dadurch allein das Ansehen Deutschlands mehr befördern, als es
zehn Fußball-Weltmeisterschaften hätten tun können.“ Cruise
spielt im allgemeinen in mittelmäßigen bis unangenehmen Filmchen,
in denen die CIA-Agenten oder die US-Marines letztlich reingewaschen
werden, in denen Typen aus bestimmten weniger erfreulichen Bereichen
der US-Geschäfts- oder Gangsterwelt in ihren privaten Verwicklungen
im Mittelpunkt stehen. Auch wird die Welt vor den Angriffen irgendwelcher
Aliens gerettet – anders ausgedrückt: die siebentausendste nette Allegorie
der Selbstverteidigung des armen unschuldigen US-Imperialismus gegen
angreifende Untermenschen wird verbraten. Prostitution, sexuelle Promiskuität
und entsprechende Orgien als Standardumgang der Geschlechter miteinander
gehören auch dazu. Wie man an solchen Produktionen zum überragenden
Schauspieler werden kann, dieses Rezept sollte v. Donnersmark einmal
verraten. Mag sein, daß mancher Filmgucker sie als „gut gemacht“ oder
„spannende Unterhaltung“ empfindet; aber daß hier Themen von Relevanz
behandelt würden in einer Weise, die ihn oder andere oder die Gesellschaft
voranbringen, das dürfte selten so gesehen werden. Dieser Ramsch und
mit ihm solche Protagonisten wie Cruise werden bald vergessen sein.
Nicht vergessen sollte man allerdings die Komplizenschaft von Scientology
mit der Propaganda des US-Imperialismus. Jetzt
zur Qualifikation von Bryan Singer, dem Produzenten und Regisseur
des „Valkyrie“- Projekts, mit dem Cruise und Scientology promotet
werden sollen. Auch hierzu gibt uns v. Donnersmark im Fluß seiner Schleimerei wertvolle Informationen: „Durch
eine für Deutschland sagenhaft glückliche Fügung wählte sich nämlich
in diesem Jahr einer der erfolgreichsten Filmemacher der Welt, Bryan
Singer, berühmt geworden durch ‚Die üblichen Verdächtigen’, ein Gigant
des Hollywood-Kinos, der Junge wie Alte, Gebildete wie Ungebildete
ins Kino zu ziehen versteht, wählte sich dieser Mann also zum Thema
für seine neue Riesenproduktion ... unseren Stauffenberg! Schon
einmal hat sich Bryan Singer auf ernsthafte Weise, wenn auch im Modus
des fiktionalen Erzählens, dem Thema Nationalsozialismus genähert:
Seine Verfilmung von Stephen Kings Novelle ‚Der Musterschüler’ spielt
in den siebziger Jahren und erzählt (mit den hauptsächlich unter Cineasten
bekannten Schauspielern Ian McKellen und Brad Renfro) die unheimliche
Geschichte eines Schülers in einer amerikanischen Kleinstadt, der
sich so intensiv mit der NS-Geschichte beschäftigt, dass es ihm gelingt,
einen alten, alleinstehenden Nachbarn als ehemaligen Lagerkommandanten
und international gesuchten Kriegsverbrecher zu identifizieren. Aber
statt den alten Mann zu verraten, schlägt er ihm einen erpresserischen
Handel vor: Der Alte soll ihm erzählen, alles erzählen, von den Konzentrationslagern,
von den Greueltaten, die er begangen hat, vom Leiden. Der Junge will
kein Geschichtsbuchwissen. Er will Details; er will hören, wie es
wirklich war. Aber durch die allzu intensive Beschäftigung mit dem
Bösen verändert sich der Junge...“ Was
ist daran „ernsthafte Annäherung“ an das Thema Nazitum? Solche Filme,
in denen alte Naziverbrecher, die sich in den USA lange Zeit versteckt
gehalten haben, aufgespürt werden und persönliche Zipfelchen der Vergangenheit
darstellen, gibt es schon lange. Aber da fangen die politischen Fragen
der Vergangenheit erst an. Wie konnte es überhaupt zu solch einer
Barbarei in Deutschland kommen, was für innere Kämpfe hatte es da
gegeben, wie hatte das Ausland, gerade auch die USA, vor dem Krieg
zum Naziregime gestanden? Es gibt bspw. auch die offene Frage, warum
die USA, die im Krieg über die Konzentrationslager wie Auschwitz informiert
waren, in ihrer Kriegführung nichts unternommen haben, um den systematischen
über lange Zeit betriebenen Massenmord wenigstens zu behindern, bspw.
die Zufahrten zu bombardieren. Es gibt offene Fragen hinsichtlich
des ganzen Hochkommens der Nazibewegung in Deutschland vor 1933, das
erheblich von US-Konzernen und –Politikern mit unterstützt wurde,
es gibt offene Fragen hinsichtlich der Rolle der USA bei der Etablierung
des Hitlerregimes 1933 und seiner Konsolidierung in den folgenden
Jahren. Von einem entschlossenen Kampf dagegen ist jedenfalls wenig
bekannt, und das kann auch nicht mit Unkenntnis des verbrecherischen
Charakters der Nazis entschuldigt werden. Den kannten die USA und
andere sehr wohl. Ohne daß diese Dinge thematisiert werden, sollte
man nicht von „ernsthafter Näherung“ seitens der US-Filmindustrie
an diese Fragen reden. v. Donnersmarks Geschichtsbild bewegt sich
selbst innerhalb der engen mentalen Grenzen solcher Obskuranten. Wie
v. Donnersmark Deutschlands Ansehen in der Welt befördern will. Das
Vorbild: „Schindlers Liste“ v.
Donnersmark meint, das Ansehen Deutschlands in der Welt werde durch solche Filme
befördert, und nennt als leuchtendes Vorbild Spielbergs Film „Schindlers
Liste“. Dieser Film ist in Wirklichkeit ein perfides Machwerk, in
dem ein deutscher Kapitalist die zentrale Rolle spielt, der von der
Nazibesatzung Polens profitiert, für die Nazirüstung produzieren läßt,
in diesem Zusammenhang jüdische Arbeiter aus dem Ghetto rekrutiert
und zum Zweck der Arbeit in seinem Betrieb vor der unmittelbaren Ermordung
bewahrt. Diese mehr oder weniger historische Person, Schindler, soll
in der Absicht von Spielberg vor dem heutigen internationalen Kinopublikum
den „guten Deutschen“ repräsentieren, den es gegenüber einer hundertprozentigen
Verteufelung des Deutschen an sich, derer sich seit langem eine gewisse
Propaganda befleißigt, doch auch gegeben habe. Verdeckt werden soll
auf diese Weise, daß seit der Weimarer Republik bis in die letzten
Tage des Naziregimes erhebliche Teile der deutschen Bevölkerung und
der politischen Kräfte, vor allem die der Arbeiterbewegung, Widerstand
geleistet haben. Gleiches könnte man z.B. von der zionistischen Vereinigung
in Deutschland leider nicht sagen, die das Naziregime mit seinem Rassismus
begrüßt hat. Viele Tausende haben ihren selbstlosen Einsatz
mit dem Leben bezahlt. Wenn man sie verschweigt und der deutschen
Nation lediglich einen Opportunisten und Profiteur des Naziregimes,
der ganz am Ende zum Mitleid gegenüber einigen Opfern kommt, als ihren
optimalen Repräsentanten zubilligt, ist das nur eine etwas raffiniertere
Variante der Hetze gegen die deutsche Nation, die angeblich die Nazination
schlechthin ist. Wenn
v. Donnersmark solch einen Film zum Präzedenzfall der gerechten
Behandlung Deutschlands in den Medien erklärt, erwartet er von Singer/Cruise
offenbar Ähnliches. Man wird sehen. v. Donnersmarks Kriterien jedenfalls
werden es nicht sein, die an den geplanten Stauffenberg-Film angelegt
werden sollten.
Von
Donnersmark über Stauffenberg Und
was meint v. Donnersmark zu Stauffenberg selbst? Hier geht es mit
den Peinlichkeiten weiter. Er bezeichnet Stauffenberg ganz locker
mal als „unseren Übermenschen“, was er zweifellos nicht war und was
es überhaupt nicht gibt außer in reaktionären Fantasien wie denen
der Nazis, Scientology und anderen. Offenbar denkt v. Donnersmark
selbst in Kategorien ähnlich denen der Scientology-Sekte. Eine andere
Stelle ist auch nicht viel besser: „...das
wirklich Entscheidende – in diesem Falle die Tatsache, dass ein erfolgreicher,
patriotischer Offizier und Familienvater seinem Gewissen gefolgt ist
und bereit war, mit einer Gruppe von Gleichgesinnten seinen Treueeid
zu brechen und zu versuchen, den Tyrannen Adolf Hitler in die Luft
zu sprengen – das wird nie verändert. Das ist doch die Essenz der
Geschichte! Und die ist schon so dicht, dass selbst der inkompetenteste
Dichter sie nicht verändern könnte oder wollte. Das würde auch Bryan
Singer nicht einfallen, denn gerade wegen dieser Essenz macht er den
Film. Und wegen dieser Essenz – und nur ihretwegen – ist der Film
so wichtig und ist Stauffenberg eine so wichtige Figur.“ Hier
wird der Umsturzversuch aus seinem politischen Zusammenhang völlig
herausgenommen und als eine persönliche Charakterleistung hingestellt,
die die „unveränderliche Essenz“ der Betrachtung der geschichtlichen
Ereignisse bilde. Und solchem dämlichen Historio-Dadaismus bietet
die „FAZ“ die Vorzugsplattform. Ganz
am Ende scheinen v. Donnersmark doch Bedenken gegen eine solche 110-prozentige
Glorifizierung zu kommen. Er gesteht, von Stauffenberg doch die „übermenschliche
Vollkommenheit“ absprechen zu müssen, denn er habe eine chauvinistische
Äußerung von Stauffenbergs über den polnischen „Pöbel“ gelesen. Nanu?
Hatte er das vergessen, als er die ersten 80% seines Artikels schrieb? Es
gibt seit langem einen öffentlichen Streit über den Umsturzversuch.
Der Versuch, die obersten Spitzen des verbrecherischen Regimes wie
Hitler, Göring etc. aus dem Weg zu räumen und mit einer anderen Führung
das Rad der allseitigen Zerstörung zu hemmen, das auf das Land zurollte,
hatte in der verzweifelten Lage 1944 eine Berechtigung, als andere
Umsturzquellen kaum noch in Betracht kamen. Die Verschwörer riskierten
und gaben ihr Leben und knickten den Berichten zufolge nach dem Fehlschlag
zum größten Teil gegenüber dem Regime nicht ein. Das muß man anerkennen.
Fest steht aber auch, daß von Stauffenberg und seine Mitverschwörer
zum größten Teil aus der Militärführung stammten, einer Militärführung,
die das verbrecherische Regime unterstützt hatte, seinen verbrecherischen
rassistischen Krieg geführt hatte, seine Befehle befolgt hatte, daß
in der Sowjetunion jeder von vornherein zu erschießen war, der im
Verdacht stand, Kommunist zu sein, und was der Verbrechen sonst noch
sind. Erst mit der zunehmenden Erkenntnis, daß dieser Krieg das Land
ins völlige Verderben führte, wandten sich Leute wie von Stauffenberg
dem Umsturz zu. Es ist wohl auch noch nicht völlig geklärt, welche
innere Ordnung sie für das Land im Auge hatten und welche internationalen
Allianzen. Sicher gab es da konzeptionelle Unterschiede zwischen den
unterschiedlichen Partnern des Putschversuches, und auch noch extrem
rechte Ideen bei bestimmten Persönlichkeiten. Von
Donnersmark allerdings nutzt dieses kleine Moment, das zur geschichtlichen
Analyse anreizen müßte, lediglich als anekdotische Absicherung. Er
hat mal was läuten hören und tut sicherheitshalber auch für einen
Moment einmal so, als sei er kein völlig unkritischer Heldenverehrer.
Filmprojekte,
die so konzipiert werden, wie v. Donnersmark das möchte und, nach
seiner Darstellung, auch Singer und Cruise, sind offensichtlich darauf
aus, alle diese Fragen mit billigem Kintopp zu verdrängen und müssen
im Interesse der großen Mehrheit der deutschen und der internationalen
Öffentlichkeit abgelehnt und kritisiert werden.
Nun
noch ein Beispiel für die gesellschaftlichen Ideale des Herrn v. Donnersmark: „Aber
ist es nicht herrlich, dass wir in einer Welt leben, in der ein halb
erfolgreicher Science-Fiction-Autor [v. Donnersmark
meint Hubbard, den Erfinder der Scientology-Sekte] zum hundertfachen
Millionär werden kann, indem er seinen Jüngern erzählt, dass vor 75
Millionen Jahren ein böser Herrscher namens Xenu viele Milliarden
seiner Subjekte in Vulkane abgesetzt und mit Wasserstoffbomben in
die Luft gesprengt hat? Und dass die rastlosen Seelen dieser Ermordeten
noch heute die Quelle all unserer Leidens auf Erden sind? Die furchtbar
langweilige Gleichmacherei, die in Deutschland zur Zeit grassiert,
toleriert das nicht. Sie will komplette Korrektheit in allen Aspekten
des Lebens.“ Hier
leistet sich der Herr v. Donnersmark ein Maß an Korruption und intellektueller
Zersetzung, das nicht übergangen werden kann. Es ist nicht
herrlich, in einer Welt zu leben, in der ein Windbeutel mit dem reaktionärsten
Spinnertum zum Millionär werden kann, an dem Tausende von Menschen
psychisch zugrunde gehen müssen, wenn sie nicht von der inneren Polizei
der Sekte auch physisch ruiniert werden, wie es in Gerichtsakten bezeugt
wird. Überhaupt ist es nicht das Kennzeichen einer unterstützenswerten
Ordnung, daß jemand zum hundertfachen Millionär werden kann, selbst
mit besseren Projekten als einer Scientology-Sekte. Eine Gesellschaft,
in der sich genügend Leute finden, die bereit sind, für den letzten
Schwachsinn viel Geld zu bezahlen, eine Organisation zu bilden, die
diesen verbreitet und Menschen in die mentale Wirrnis hineinzieht,
ist krank. Wenn Scientology in Deutschland auf
eine gewisse verbreitete Ablehnung stößt, dann hat das mit
langweiliger Gleichmacherei garnichts zu tun – auch wenn die deutsche
Gesellschaft selbst ihre massiven eigenen typischen Krankheitserscheinungen
hat. Langweilige Gleichmacherei repräsentiert jedenfalls ein Herr
v. Donnersmark selbst, mit seiner Geschichtsklitterung in Sinne des
US-imperialistischen mainstream. Die Intoleranz gegenüber subversiven
Sekten ist berechtigt, und man sollte sie auf die korrupte Dummschwätzerei
des v. Donnersmark ausdehnen ebenso wie auf die bestimmenden Leute
in der FAZ-Redaktion, die hier bereitwillig jeden Maßstab fallen lassen.
Am
Schluß noch ein zweiter bescheidener Versuch des Herrn v. Donnersmark,
trotz seines gesamten Ergusses doch nicht als völlig gaga dazustehen: „Vielleicht
müssen wir einfach erkennen, daß wir alle keine Götter sind, weder
Stauffenberg noch Tom Cruise, noch L. Ron Hubbard, noch wir anderen.
Am deutschen Wesen wird niemand genesen, und auch nicht am amerikanischen.
In Wahrheit kann doch jeder nur für sich und an sich selber genesen,
und das Leben bleibt eine Suche nach der inneren Wahrheit. Und genau
für diese Suche steht Stauffenberg. Einen sicheren Rahmen für diese
Suche zu bieten, das wünsche ich mir vom Staat. In Sachen Tom Cruise
und Stauffenberg hat sich der deutsche Staat aber wieder einmal so
präsentiert, als hätte er die Antworten.“ Wer
muß solche Platitüden erkennen? „Wir“? Wohl kaum. Vielleicht finden
Außenseiter wie v. Donnersmark, ein Tom Cruise und die Scientology-Sippschaft
an so etwas einen Strohhalm, um nicht gänzlich ins intellektuelle
Nirwana zu driften, oder um eine Restanbindung an Vernunft wenigstens
zu simulieren. Eher das letztere. Wenn jeder nur „für sich und an
sich selber genesen kann“ und das Leben eine „Suche nach der inneren
Wahrheit“ bleibt, dann sind wir schon wieder voll auf der Drift ins
Irreale. Die innere Wahrheit kann keine andere als die Erkenntnis
der äußeren Wahrheit von Natur und Gesellschaft sein, nur in diesem
Zusammenhang kommt das Individuum auch zur realistischen Selbsteinschätzung
und damit auch zu so etwas wie individueller psychischer Gesundheit.
Man
muß nochmals auch Stauffenberg vor den Unterstellungen des v. Donnersmark
in Schutz nehmen. Sicher war es nicht das Anliegen Stauffenbergs,
nach einer „inneren Wahrheit zu suchen“. Er versuchte, dem Lauf der
Geschichte im Interesse des eigenen Volkes eine günstigere Wendung
zu geben, er versuchte sich der Realität zu stellen, auch wenn er
sie vielleicht nicht ausreichend verstand und sich vielleicht nicht
von bestimmten reaktionären Klasseninteressen lösen konnte. Damit
steht er weit entfernt von solchen Opportunisten wie v. Donnersmark,
die überhaupt nichts zustande bringen außer vielleicht filmischen
Machwerken, die mit Staatsknete Untertanengeist gegenüber dem heutigen
Regime ins Publikum träufeln lassen. Wenn
solche Vertreter Oscars bekommen, dann erlaubt das Rückschlüsse auf
die kulturelle Dekadenz in der Filmindustrie. Und was v. Donnersmark
als seine Innenansichten der US-Filmindustrie präsentiert, läßt diese
gleichfalls nicht im besten Licht erscheinen – wohl unfreiwillig.
Wenn schließlich das Bildungsblatt unter den deutschen Tageszeitungen,
die FAZ, das Treiben von Scientology verteidigt, die Geschichtsverweigerung
und den korrupten Unsinn eines v. Donnersmark in dieser Weise herausstellt,
dann darf man sich schon mal mit guten Gefühlen daran erinnern, daß
ein Übermaß an kultureller Dekadenz schon oft in der Geschichte großen
gesellschaftlichen Umbrüchen vorausgegangen ist. |