Internet Statement 2008-26

 

Fall Lea-Sophie:

Das Urteil – ein Beispiel schamloser Einseitigkeit

Maria Weiß  19.7.2008   

Sicherlich ist es notwendig, daß Eltern, die ihr Kind wissentlich qualvoll verhungern lassen, hart bestraft werden. Insoweit kann dem jetzt im Prozeß gefällten Urteil bis zu einem gewissen Grad gefolgt werden. Etwas anderes ist es aber, wenn, wie in diesem Prozeß geschehen, von Seiten der Staatsanwaltschaft und dann auch von Seiten des Richters jede Verantwortlichkeit der zuständigen Behörde bestritten wird und eine Untersuchung und zur Verantwortung Ziehung der betreffenden Verantwortlichen unterbleibt. Nicht eine einzige der kritischen Fragen, die Ende letzten Jahres gegenüber der zuständigen Behörde aufgeworfen worden sind, wurde untersucht, nicht ein einziger Vertreter als Zeuge geladen. Jedenfalls ist davon in den Berichten nichts zu lesen.

Der zuständige Staatsanwalt erklärte laut einem Bericht des Tagespiegel vom 14.7.2008 gleich zu Anfang die Behörde für absolut unschuldig, völlig zu Unrecht sei sie kritisiert worden, und versuchte statt dessen den Großvater Lea-Sophies, der sich als einer der sehr wenigen Menschen aus der Umgebung des Elternpaares seit mehreren Jahren um seine Enkelin gekümmert hatte und den Dingen nachgegangen war, anrüchig zu machen. Dieser habe, so lautete es in dem Bericht, „mit unbewiesenen Behauptungen über den angeblich (!) schlechten Zustand Lea-Sophies Gehör bei Stadtparlamentariern gefunden“, die „ mit einer Kinderleiche Kommunalpolitik“ machen wollten, so Staatsanwalt Kollorz laut Tagesspiegel wörtlich. Dazu mußte selbst der Tagesspiegel kommentieren: „Wie geht das zusammen? Ein offensichtlich vernachlässigtes Kind ist verhungert. Wie kann da der frühzeitige Alarm beim Jugendamt falsch gewesen sein?“ Man glaubt hier seinen Augen nicht zu trauen über das was sich hier wieder einmal offenbart. Wie kommt dieser Staatsanwalt zu solch einer in sich widersprüchlichen Äußerung? Offensichtlich ist das Bestreben des Reinwaschens so überwältigend, daß es egal ist, was für ein Unsinn heraus kommt..

Es stellte sich dann im weiteren während des Prozesses heraus, daß die Eltern ganz offensichtlich mit der Erziehung überfordert waren. Seit der Geburt des kleinen Bruders im September 2007 soll Lea-Sophie eine Art Opposition dagegen an den Tag gelegt haben, z.B. Schränke ausgeräumt haben, wieder in die Hose gemacht haben und vor allen Dingen dauerhaft das Essen verweigert haben. Daß ein solches Problem bei der Geburt eines Geschwisterkindes auftritt, ist für sich genommen keineswegs ungewöhnlich. Das kommt in vielen Fällen in der ein oder anderen Form vor, ist aber normalerweise durch Berücksichtigung von Seiten der Eltern oder zumindest eines Elternteils durch besondere Zuwendung überbrückbar und legt sich meistens nach einiger Zeit. Daß es in diesem Fall ein derart extremes und nachhaltiges Verhalten von einer Fünfjährigen an den Tag gelegt wurde, mußte also noch andere, besondere Gründe haben, die hätten untersucht werden müssen und zu Konsequenzen führen müssen. Zum Beispiel hätte man eine erzieherische Hilfestellung anbieten und diese notfalls erzwingen müssen.

Was ist jedoch statt dessen passiert? Es wurde nicht nachgehakt von seiten der Behörde, obwohl eine mehrfache Alarmierung vorlag! Das ist schon mal mindestens eine erhebliche Mitverantwortung, die hier vorliegt. Statt dessen wurde mit lächerlichen Ausreden gearbeitet, die nunmehr offiziell von Justizseite abgesegnet wurden, daß die Familie sich abgekapselt hätte, daß äußerlich alles in Ordnung geschienen habe.

Es ist inzwischen bekannt, daß der Vater von Lea-Sophie seit längerem arbeitslos war. Waren sie vielleicht Hartz IV- Bezieher? Darüber wird nichts Konkretes gesagt. Aber wenn es denn so war, was wahrscheinlich ist, dann muß gefragt werden: Was hat denn die Behörde in diesem Fall davon abgehalten, am laufenden Band auf der Matte zu stehen, wie das sonst in anderen Fällen oft geschieht? Oder liegt hier vielleicht ein extrem bürokratisches Verhalten vor, welches nicht sieht was offenkundig ist, weil es das einfach nicht sehen will. Oder gibt es vielleicht noch andere Gründe, die gar nicht erst an die Öffentlichkeit gelangen sollen?

Nun hat der Staatsanwalt Kollorz laut Tagesspiegel vom 16.7.2008 aber 13 Jahre für die Eltern gefordert und der Richter hat 11 Jahre und neun Monate verhängt – wegen Mordes durch Unterlassung aus niederen Beweggründen, wie es lautete. Ein hartes aber notwendiges Urteil? Darüber kann sich jeder seine eigene Meinung bilden.
Was aber ist mit der in diese Angelegenheit verwickelten Behörde? Die geht vollkommen leer aus, im Gegenteil, sie wird reingewaschen und darf weiter machen – bis zum nächsten Fall. Wahrlich ein Beispiel von schamlos einseitiger und selbstgerechter sogenannter Rechtssprechung.


 

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