Internet Statement 2008-46
6. November 2008 In diesen Monaten erleben viele Menschen weltweit und auch in unserem Land den Kapitalismus von einer deutlich anderen Seite als der, die uns die Propaganda in den letzten Jahren und Jahrzehnten vorgeredet hat. Vorbei ist es mit der Selbstsicherheit, mit der Protzerei des Immer-Weiter-So. Der Kapitalismus zeigt sich in einem bisher nicht gekannten, den gesamten Globus umspannenden Maßstab als ein sich selbst erschütterndes, sich selbst sprengendes System, für das die Massen immer mehr Leiden auf sich nehmen sollen. Ein solches Maß an brutaler Abschneidung der Lebenshoffnungen, der direkten Zerstörung der Existenz von so vielen Menschen auf der Welt – muß das immer wieder hingenommen werden? Können die Massen der Arbeiter und der übrigen Malocher auf der Welt nicht doch Systeme schaffen, die ihnen elementare Existenzsicherheit und den Zugang zu Kultur, Bildung und Emanzipation nachhaltig ermöglichen? Unweigerlich muß die Frage wieder hochkommen: was kann an die Stelle des Kapitalismus gesetzt werden, ist das Gemeineigentum an den Produktionsmitteln nicht doch möglich und wie muß der Sozialismus nach den positiven und negativen Erfahrungen der Vergangenheit für die Menschen von heute aussehen. In dieser Krise wird auf manche Ereignisse der Geschichte zurückgegriffen, um die heutige Lage zu verstehen. So wird von der ökonomischen Seite her oft der Vergleich mit dem Börsencrash und der Depression der Weltwirtschaft der Jahre 1929 und danach gezogen. Man versucht, die schwindelhafte und destruktive Natur des Kapitalismus besser zu begreifen, und „Das Kapital“ von Karl Marx findet in den Buchhandlungen verstärkten Absatz. Der 9. November bildet einen Anlaß, auch auf ein anderes wichtiges geschichtliches Datum zurückzukommen, das durchaus auch Beziehungen zur jetzigen Entwicklung hat, den 90. Jahrestag der deutschen Novemberrevolution von 1918.
An diesem Tage wurde in Berlin die deutsche Republik ausgerufen, charakteristischerweise gleich mit zwei verschiedenen Proklamationen: die SPD proklamierte durch Philipp Scheidemann eine parlamentarische bürgerliche Demokratie, eine „freie Republik“ die zu diesen Zeitpunkt noch mit einer Menge sozialistischer Versprechen aufgehübscht wurde; Karl Liebknecht proklamierte die sozialistische deutsche Republik gestützt auf die revolutionäre Bewegung der Arbeiter- und Soldatenmassen, die fast im ganzen Lande, zumindest in den größeren Städten, bereits in der Form von Arbeiter- und Soldatenräten Teile der Macht ergriffen hatte und in der weiteren Entwicklung die Entmachtung der Kräfte anstrebte, die auf deutscher Seite für die Massenmetzelei des 1. Weltkriegs verantwortlich waren. Die Bewegung war in hohem Maße auch von der erfolgreichen Oktoberrevolution des Jahres 1917 in Rußland inspiriert und setzte auf die wechselseitige Unterstützung. Dem Willen der Arbeiter und der übrigen breiten Volksschichten, die die Hauptlasten des Krieges getragen hatten, sollte in Zukunft die bestimmende politische Position zukommen. Damit war auch das Ende des deutschen imperialistischen Kaiserreichs aufgrund seiner Niederlage im 1. Weltkrieg gegenüber England, Frankreich und vor allem den USA besiegelt. Diese Erhebung hatte weitreichende Folgen. Ihre Substanz ließ sich trotz massiver Unterdrückung in den folgenden fünfzehn Jahren der sog. Weimarer Republik nie völlig kleinkriegen und prägte das politische Leben des Landes, Europas, in gewissem Maße auch die Entwicklung des Weltkapitalismus mit, forderte ihn heraus. Sie durchlief verschiedene Phasen bürgerkriegsähnlicher Kämpfe, zeitweiliger Niederlagen, relativer Einpassung in das Parteiensystem, des Wiedererstarkens im Zuge der neuen Krise des Weltkapitalismus von 1929 an, bis sie in einem beispiellosen brutalen Unterdrückungsakt durch die Nazibarbarei 1933 weitgehend ausgehebelt und in den Untergrund verdrängt wurde, mit den bekannten Folgen für Deutschland und viele andere Länder. Auch heute wird noch über die Novemberrevolution diskutiert. Lag eine revolutionäre Machtergreifung der Arbeiter und der breiten Volkmassen im Bereich des Möglichen, wäre der Sozialismus damals schon möglich gewesen, oder war nicht mehr drin als das Kaisertum zu beseitigen, die aristokratisch-militaristischen Kräfte in die Schranken zu weisen und eine enge bürgerliche Parteiendemokratie auf kapitalistischer Grundlage mit einigen gewerkschaftlichen Rechten zu errichten? Auf keinen Fall kann die Tatsache aus der Geschichte getilgt werden, daß damals wesentliche Teile der deutschen Arbeiterklasse, nicht bloß eine radikale Minderheit, sondern ein großer aktiver Teil der großen Masse, sich spontan erhoben hat, um selbst den Kräften der alten Gesellschaft die Staatsmacht aus der Hand zu nehmen und den Kapitalismus und preußischen Militarismus durch den Sozialismus abzulösen. Wir legen Wert
auf diese Feststellung und widersprechen ausdrücklich den heute gängigen
Deutungen, als sei die sog. Weimarer Republik, die schließlich zustande
kam, das bestmögliche Erreichbare gewesen, als sei das Ziel des Sozialismus
damals utopisch, bloß die Sache radikaler Außenseiter gewesen, die mit
ihrem Aktionismus der eigentlichen demokratischen und reformerischen
Entwicklung sogar geschadet und den Rechten in die Hände gespielt hätten.
Man sollte die damaligen Vorgänge und Bekundungen der beteiligten Kräfte
ernsthaft studieren, bevor man derartigen Urteilen sich anschließt.
Das gilt umso mehr, als auch die seinerzeit wichtigste Nachfolgerin
der revolutionär-sozialistischen Bestrebungen der damaligen Zeit, die
KPD, im Jahre 1938 auf Betreiben der KPdSU die Novemberrevolution zur
„bürgerlich-demokratischen“ Revolution erklärt hat, die teilweise mit
proletarischen Kampfmethoden durchgeführt wurde (so die Dokumente der
SED und Walter Ulbrichts aus dem Jahre 1958 zur Novemberrevolution).
Der Grundcharakter der Revolution und ihre radikale Unterdrückung. Die USA und die SPD Bei dem damaligen hohen Industrialisierungsgrad des Landes war diese Arbeiterklasse, zumindest tendenziell, die Mehrheit der Bevölkerung. Der Sozialismus hätte bereits damals, in einem entwickelten industriellen Land wie Deutschland, ausreichende ökonomische Grundlagen gefunden; und wenn man fragt, warum sich diese großartige Initiative zunächst einmal politisch nicht durchsetzen konnte, muß man sich das Ausmaß der Terrors gegen diese Bewegung, den Umfang der feindlichen Bündnisse reaktionärer Kräfte vergegenwärtigen sowie die Perfidität der Pseudosozialisten vom Schlage der damaligen SPD-Führung und auch solcher pseudosozialistischer Zwischenkräfte wie der damaligen Führung der sog. Unabhängigen Sozialdemokraten, u.a. mit solchen „marxistischen“ Autoritäten wie Karl Kautsky in führenden Positionen. Namentlich SPD und USPD waren eng mit den USA verbündet. Das Rückgrat der Konterrevolution in Deutschland in letzter Instanz bildeten die siegreichen kapitalistischen Mächte, vor allem die USA, die sich zur Bekämpfung der sozialistischen Revolution mit der inneren Reaktion Deutschlands, insbesondere auch der Sozialdemokratie, die dabei eine besondere Rolle spielte, verbanden. Sie strebten danach, das Land in die Speerspitze des Vorgehens gegen die Revolution in Rußland zu verwandeln und überhaupt sein politisches System wie auch seine Ökonomie in ihre Vorherrschaft einzufügen. Am 23. Oktober 1918, in einer Phase, als der Aufstand der Massen und die Abrechnung bereits in der Luft lagen und die deutsche Regierung sich um den US-Präsidenten Woodrow Wilson bemühte, damit er Waffenstillstandsverhandlungen mit England und Frankreich anbahne, verlangte dieser in einem seiner Antwortschreiben als Vorbedingung für die gewünschte Vermittlerrolle faktisch die Regierungsübergabe an die SPD bzw. an eine Parteienkoalition, die nach Lage der Dinge nur eine von der SPD geführte sein konnte. Die wichtigste Siegermacht geht hier zum direkten Diktat der zukünftigen Parteienkonstellation und Machtverteilung in Deutschland über. So heißt es bei Wilson:
Die Parteinahme für die Demokratie in Deutschland, mit der die USA hier ihre wirkliche Rolle zu kaschieren streben, ist alles andere als echt. Der Favorit der USA, die SPD, die schon seit längerem geheime Kontakte mit den USA unterhält, ist mit dem militärischen und monarchistischen Apparat, den Wilson hier angeblich aus der Macht verdrängt wissen will, seit langem im Geheimen liiert. Ein Teil dieser Allianz, die Kumpanei des Parteivorsitzenden Friedrich Ebert mit General Gröner, dem Nachfolger Ludendorffs in der Armeeführung, zur Verhinderung jeglicher Art von Umsturz vor und nach dem 9. November 1918 ist seit langem bekannt. Genau diese Konservierung der Reaktion in Militär und Staatsapparat mittels ihrer Bemäntelung durch eine pseudodemokratische pseudosozialistische „Arbeiterpartei“ erscheint den Strategen der USA und der Konterrevolution als das einzige, das die Welle des demokratischen Umsturzes in Deutschland noch brechen könnte. Das ist der wahre Inhalt dieser überaus demokratischen Botschaft Wilsons. Im übrigen blieb auch von der versprochenen Vermittlerrolle der USA in der Praxis nichts übrig. Im gleichen Moment, wo der gewünschte Umbau in Deutschland vollzogen war und Ebert am 9.11. 1918 die Reichskanzlerschaft übernommen hatte, präsentierten die Ententemächte der deutschen Regierung mit den Waffenstillstandsbedingungen von Compiègne genau das extreme Kapitulationsdiktat, das Wilson abzubiegen versprochen hatte. Widersprach dieser nun? Davon konnte keine Rede sein, denn die Vermittlung war nur ein Lockangebot gewesen, um den Zugriff auf die inneren politischen Verhältnisse in Deutschland zu bekommen. Die Siegermächte beließen in dem Diktat von Compiègne der deutschen Reaktion zwar gewisse Restelemente militärischer Macht. Das waren charakteristischerweise aber solche, die zum Krieg gegen die eigene aufständische Bevölkerung und an der Ostfront, nunmehr unter direktem Oberbefehl der Entente, gegen das revolutionäre Rußland gebraucht wurden. Die schweren Waffen hingegen, die für einen eventuellen Widerstand gegen Einbrüche der Gegner ins deutsche Territorium nötig gewesen wären, mußten sofort abgeliefert werden. U.a. mußte Deutschland das Weiterbestehen der Blockade der Seehäfen ausdrücklich akzeptieren, wodurch die Siegermächte bspw. die Lebensmittelversorgung nach Belieben unterbrechen, d.h. einen Krieg gegen das deutsche Volk führen konnten. Auch in den anderen Punkten werden hier die Grundlinien des späteren Versailler Friedensabkommens vorgezeichnet, das nach heutiger verbreiteter Einschätzung aufgrund seines imperialistisch-vergewaltigenden Charakters so etwas wie die Nazibewegung und schließlich den Zweiten Weltkrieg begünstigen mußte. Die SPD kam der Volksbewegung scheinbar entgegen, indem sie binnen einer Woche nach dem 9. Nov. einen Reichskongreß der Arbeiter- und Soldatenräte in Berlin (16.-21. Dez. 1918) zuließ bzw. mitorganisierte, bei dem über die politische Zukunft des Staates und der Ökonomie debattiert und entschieden werden sollte. Weil in großen Teilen des Landes, auch in den Arbeiter- und Soldatenräten, die SPD-Regierung, der sog. „Rat der Volksbeauftragten“, der damals garniert mit einigen Vertretern der SPD-Abspaltung „Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands“ (USPD) als angeblich sozialistische Regierung auftrat, einen gewissen Anhang aufwies, war die Mehrheit der Delegierten noch von zu viel Loyalität gegenüber dieser Führung beeinflußt. Diese Loyalität hatte z.T. auch durchaus eine soziale Basis in den arbeiteraristokratischen Schichten und Strömungen, die im imperialistischen Kapitalismus der zwei vorangegangenen Jahrzehnte gezüchtet worden waren. Aber nicht nur das. Dieselbe SPD-Regierung, die sich auf diesem Kongreß die Mehrheit u.a. mit wüsten Verleumdungen und Aussperrung der revolutionären Kräfte sicherte – Karl Liebknecht erhielt kein Teilnahmerecht, obwohl dies von einer enormen Demonstration von 250.000 Arbeitern gefordert wurde -, erpreßte die Delegierten mit der Behauptung, die Arbeiter und ihre Kinder würden verhungern, wenn nicht die SPD und ihre Politik der Ersetzung der Arbeiter- und Soldatenräte durch ein parlamentarisches System mit der Nationalversammlung als Aushängeschild bestätigt würde. Andernfalls würden die USA keine Lebensmittel liefern. Genau in den Tagen, als diese Regierung auf dem Reichskongreß der Arbeiter- und Soldatenräte sich Tränen abrang, wie sozialistisch und humanitär ihre Politik sei, war sie eifrig dabei, angetrieben und beraten von Abgesandten der USA, in und um Berlin konterrevolutionäre Truppen zu sammeln, um mit dem ganzen Ansatz der revolutionären Bewegung blutig abzurechnen. In den folgenden Wochen taten diese Truppen unter dem Kommando von Ebert-Noske mit zunehmenden Übergriffen gegen revolutionäre Kräfte und schließlich mit deren bewaffneter Niederschlagung in den Kämpfen der ersten Januarhälfte 1919 ihr Werk. Darin erscheint ein Bild der ganzen schmutzigen Agentenrolle der SPD. Führende Kreise des deutschen Kapitalismus, die Nachfolger der Hindenburg und Ludendorff in der Armeeführung, die SPD-Führung, der Eckstein des reaktionären Komplotts, blockierten unter dem Dirigentenstab der USA dem revolutionären Aufschwung jeden Schritt vorwärts sofort. Sofort wurde mit demagogischen staatssozialistischen Versprechen, kombiniert mit Mordhetze gegen die tatsächlichen Vorkämpfer des Sozialismus wie Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, mit massiver überlegener Militärmacht eingeschritten, weil man wußte: könnten die Arbeiter- und Soldatenräte sich tatsächlich in den kommenden Wochen und Monaten als kommende Machtzentren behaupten und konsolidieren, dann würden für den Kapitalismus in Deutschland und die militaristische und feudale Reaktion die Zeiten beklemmend werden. Aber nicht nur für diese. Man lege sich einmal die Frage vor, welche Chancen der sich auftuende radikale Zugriff der Siegermächte auf das ganze Land, sein politisches System, seine Arbeitskraft, seine ökonomischen Ressourcen und seine außenpolitische Orientierung, mit anderen Worten der weitgehende Entzug der staatlichen Souveränität, gegenüber einer sich konsolidierenden Arbeiter- und Volksmacht gehabt hätte. Die Antwort fällt relativ leicht: schlechte – jedenfalls wenn es die revolutionäre Bewegung geschafft hätte, sich mit dem berechtigten Kampf gegen die nationale Unterdrückung durch die USA etc. zu verbinden und dafür Bündnispartner in den anderen Klassen zu finden. Man kann es auch so sagen: die Ausgangslage des 1. Weltkriegs bringt eine Verquickung der sozialen Fragen mit neu entstehenden Fragen einer spezifischen nationalen Unterdrückung des Landes hervor, eine „Doppellage“ – so im Titel der ausführlichen Analyse dieser Fragen durch den Vorsitzenden unserer Gruppe, Hartmut Dicke (s. den Hinweis am Ende des Statements). Hier kann das nur angerissen werden. Es müssen offenbar einige kritische Fragen an die Politik der damaligen revolutionären Gruppen, der neuentstehenden KPD aufgeworfen werden, inwieweit sie auf diese Komplexität eingegangen ist und eine realistische Politik entwickeln konnte. Wenn man feststellt, daß die Mehrheit der Aktiven in den damaligen Arbeiter- und Soldatenräten über den Sozialismus noch sehr unklare Vorstellungen hatte, so folgt daraus jedoch noch keineswegs, daß die kapitalistische Restauration zwangsläufig früher oder später gekommen wäre. Im Gegenteil. Es ist ja wohl klar, daß die Arbeiterklasse nach den damaligen Erfahrungen vielmillionenfacher Blut- und Hungeropfer im Krieg durch die eroberungshungrigen kapitalistischen Schlächter des eigenen Landes und aller anderen hauptkriegsbeteiligten Länder auf dem Wege der Entmachtung dieser Verbrecher, auf dem Wege der Umgestaltung des Eigentums an den Produktionsmitteln vorangeschritten wäre, aus elementarem Selbsterhaltungstrieb. Das Wie hätte sie erlernen können, sie hätte auch lernen können, gleichzeitig die Komplexität des nationalen Widerstands zu bewältigen, aber zur Konzentration der sich überstürzenden Erfahrungen in eine allseitig richtige Politik, zur Bildung einer entsprechenden Partei ließ man ihr keinen Moment. Die Reaktion kannte den Ernst der Lage, opferte den Kaiser, deckte ihre Manöver mit einer sozialistisch tönenden Demagogie der Regierung zu und kratzte von Anfang an, nachdem sie das überraschende sturmartige Umsichgreifen der Arbeiter- und Soldatenräte seit der Kiel-Wilhelmshavener Revolte nicht hatte verhindern können, sofort konterrevolutionäres Militär zusammen. Darin liegt der Hauptfaktor, dem die Niederlagen von Anfang 1919 in Berlin, in Bayern, in Bremen und anderswo zu verdanken sind. Diese revolutionäre Bewegung hatte gerade mal vier Wochen Zeit, in denen sie unmöglich ihre Positionen einigermaßen konsolidieren und politische Erfahrungen zusammenfassen konnte, bis die massiven militärischen Angriffe der Reaktion anliefen. Dieser Bewegung auch nur den mindesten Zeitraum zuzugestehen, um mehr Klarheit über den Weg zum Sozialismus zu gewinnen, um Führungsstrukturen und landesweite Zentralisierung herauszubilden, nein, das hätte den Sozialismus in der Tat nähergebracht, dagegen waren alle Mittel recht. Binnen weniger Wochen gelang es den Gegenkräften mit den Mordkampagnen der Freikorps und der Volksirreführung durch einen wüsten Propagandaterror, namentlich auch seitens der SPD-Führung, der Bewegung die zweiten und dritten Schritte zu verunmöglichen, nachdem man durch den ersten überrascht worden war. Die Weimarer Republik
wurde errichtet auf den Gräbern tausender revolutionärer Proletarier
und Intellektuellen, auf der Niederschlagung der ganzen Klasse, die
mit sozialen Zugeständnissen wie dem Achtstundentag, der Bildung von
Betriebsräten, Wahlrechtsreformen etc. flankiert und durchsetzbar gemacht
wurde. Der internationale Kapitalismus kämpfte seit der russischen Oktoberrevolution von 1917 und der nachfolgenden Revolution in Deutschland während des größeren Teils des 20. Jahrhunderts um seine Existenz. Namentlich durch den Sozialismus der Sowjetunion, die während längerer Zeit – trotz mancher Kritikpunkte - als revolutionäres internationales Zentrum wirkte, durch die kolonialen Revolutionen und mehr noch durch das sozialistische China (bis etwa Ende der 70er Jahre) war er existentiell herausgefordert, und seine Ideologen verkündeten nach dem zeitweiligen Ende dieser Herausforderungen bekanntlich so etwas wie das Ende der Geschichte, womit sie die Verewigung des Kapitalismus meinten, der eigentlich so etwas wie das Naturgesetz der Gesellschaft sei. Was für eine Natur der Kapitalismus hat, welchen Gesetzen er folgt, hat die jetzige umfassende Krise schon zu einem gewissen Teil wieder zu zeigen begonnen, sie wird noch viel mehr davon offenbaren. Die revolutionären Bestrebungen, die sich deswegen jetzt erneut an allen möglichen Punkten der Welt bilden und sammeln werden, brauchen die Auseinandersetzung mit den früheren Niederlagen nicht zu scheuen. Denn in noch viel höherem Maße als 1918 hat der Kapitalismus inzwischen die entwickelten Gesellschaften und überhaupt den größten Teil der Welt durchdrungen, wälzt sie weiter um und treibt seine Widersprüche zu noch viel größeren Zuspitzungen, als seinerzeit der 1. Weltkrieg und die Revolutionen in verschiedenen von der Niederlage betroffenen Ländern wie Rußland, Deutschland und Österreich-Ungarn waren. Ungleich viel mehr Menschen rund um den Globus haben heute tiefere Einsichten in das Wesen des kapitalistischen Systems, sind über den bürgerlichen Parlamentarismus, die sog. Demokratie des Kapitalismus, besser informiert als die Menschen der damaligen Epoche. Die Beschäftigung mit solchen Vorgängen wie 1918/19 kann dazu dienen, sich klarzumachen, wie die Geschichte rasch in bestimmten Situationen relativ umfassende revolutionäre Bewegungen hervorbringt. Der internationale Kapitalismus hatte aufgrund seiner inneren Gesetzmäßigkeiten, aufgrund der Zuspitzung der imperialistischen Konkurrenz schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts auf einen großen imperialistischen Krieg hingetrieben, der dann auch 1914 ausgebrochen ist. Schon 1916 gab es in Deutschland wie auch bei dem Hauptverbündeten Österreich-Ungarn große Streiks und Demonstrationen dagegen, in 1917 kam die russische Revolution zum Sieg. Die Erfahrungen von 1918/19 zu verarbeiten heißt aber auch zu begreifen, wie wichtig es ist, die ausgefeilten System politischen Betrugs, heimlicher und offener Repression sowie internationalen Zusammenspiels der kapitalistischen Reaktion zu kennen, zu durchschauen und politische Führungen herauszubilden, die dem gewachsen sind. Die jahrzehntelange Vorgeschichte der Situation von 1918, sowohl die internationale Entwicklung des Kapitalismus/ Imperialismus wie auch der Arbeiterbewegung, namentlich der in Deutschland, ist in ihrer ganzen Komplexität von Hartmut Dicke in der Schrift „Proletarische Revolution und nationale Frage. Die Doppellage im Ausgang des 1. Weltkriegs“ dargelegt worden. Der Autor, der Vorsitzende unserer Gruppe, konnte diese Analyse, an der er fast das ganze Jahr 2007 hindurch gearbeitet und die er bereits im November 2007 fertiggestellt hatte, im März des Jahres 2008 endlich zur Veröffentlichung bringen, bevor er unter Umständen, die noch der Aufklärung bedürfen, aus dem Leben gerissen wurde. Auch bestimmte politische Schwächen der zum Sozialismus strebenden Arbeitermassen sowie ihrer Führer wie Liebknecht und Luxemburg kommen hier zur Sprache. Wer im Interesse der Ausgebeuteten und Unterdrückten aus der Geschichte lernen will, wird aus dem Studium dieser Schrift Nutzen ziehen. Red.NE- wgr A2 Hinweis:
Durch ein technisches Versehen war an dieser Stelle für ein paar
Stunden
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