Internet Statement 2011-48

 


 Aus geschichtlichen Erfahrungen Konsequenzen ziehen

Maria Weiß     18.12.2011               

 Vorbemerkung

 (2. Oktober 2011)

In diesem Jahr war vielfach die Rede von den verschiedenen Seiten der deutschen Einheit, den verschiedenen Seiten des früheren Systems der DDR als auch den verschiedenen Seiten der früheren Bundesrepublik. Was aber die gegenwärtige Situation betrifft, so ist eines ziemlich eindeutig: der Kapitalismus steckt in seiner tiefsten Krise seit Jahrzehnten, im Grunde steckt er in einer Art Jahrhundertkrise und es ist völlig offen, was daraus resultieren wird, jedenfalls in der näheren Zeit. Man mag ja beispielsweise über das Gelingen oder Nichtgelingen dieses Versuchs, in dem damaligen deutschen Teilstaat eine sozialistische Gesellschaftsordnung aufzubauen und zu verwirklichen, verschiedener Ansicht sein. In dieser Hinsicht aber, was die jetzige Situation anbelangt in diesem wiedervereinigten deutschen Staat als auch in anderen Staaten vor allem des sog. Westens, dürfte es wohl ziemlich eindeutig sein: Es handelt sich hierbei nicht um eine gewöhnliche, sozusagen zyklisch wiederkehrende, kapitalistische Krise, sondern um eine äußerst tief gehende, mehrschichtige Krise, die verschiedenste Ursachen hat und deren Lösung sich partout nicht abzeichnet, jedenfalls nicht für die Bourgeoisie.

Es überlagern sich mehrere Widersprüche dabei. Zum einen natürlich die grundlegende, gesetzmäßig heraufkommende kapitalistische Überproduktionskrise oder Absatzkrise, wenn man so will, zum andern eine saftige Schuldenkrise und auch Staatsschuldenkrise, die nicht ohne ist und zum dritten natürlich eine strukturelle Krise, zumindest in den europäischen und westlichen Staaten, den traditionellen kapitalistischen Staaten, welche mit der Flucht der herrschenden Klasse vor dem Widerstand der Massen, dem Klassenkampf der Bourgeoisie gegen das Proletariat in den herkömmlichen hochentwickelten kapitalistischen Staaten zu tun hat, die sich aus der dem Kapitalismus innewohnenden Gesetzmäßigkeit, daß die Entwicklung der Produktivkräfte letztlich zur Sprengung des kapitalistischen Systems führen muß und führt, ergibt.. Und viertens noch eine Spekulationskrise, die sich ebenfalls gewaschen hat. All diese Krisen sind miteinander verwoben und machen gegenwärtig den herrschenden Klassen in Europa und den USA ein äußerstes Kopfzerbrechen.

Was die Krise gegenwärtig besonders brisant macht, ist die Tatsache, daß die Schuldenkrise inzwischen selbst von der Spekulation erfaßt wurde und sich zu einer Art Spekulationskrise ausgeweitet hat. Das Spekulieren mit Schulden ist schon seit längerem üblich geworden und diese Spirale dreht sich immer höher, bzw. man könnte auch sagen: die Blase wird immer größer bis sie endlich platzt. Etwas Ähnliches ist vor einigen Jahren bereits der Fall gewesen. Aber dies Mal ist charakteristisch, daß es die kapitalistischen Kernländer, inklusive der USA selbst betrifft. Dadurch, daß die Ausweitung des Kapitals auf sämtliche Teile der Welt, Stichwort „Globalisierung“, längst zum Charakteristikum und zum Fakt geworden ist, läßt sie sich auch nicht mehr eingrenzen.

Ein besonders hervorstechendes Merkmal dabei ist die besondere zunehmende Ablösung des Finanzkapitals vom produktiven und die besondere Ausweitung einer Art finanziellen, oder besser gesagt zunehmend spekulativen „Überbaus“ gegenüber der produktiven Basis. Das heißt, spekuliert wird im Grunde schon lange nicht mehr nur mit dem realen Profit aus den Ergebnissen der Produktion, sondern davon abgelöst wird längst mit fiktiven Werten spekuliert und auch dabei blieb es nicht stehen, inzwischen wird bereits mit der Spekulation selbst spekuliert. Und inzwischen sind auch ganze Staaten Gegenstand derartiger Spekulation geworden, wobei deren Bevölkerung wie eine Art Geisel für ihre „Absicherung“ betrachtet wird.

Was die Gefährlichkeit der jetzigen Lage ausmacht ist, daß die Massenbewegung im Grunde noch nicht wirklich so weit ist wie sie sein müßte. Aber das kann sich sehr schnell ändern. Wenn die Massenbewegung aufzubrechen beginnt, werden die organisierten Kräfte alle Hände voll zu tun haben, um mit den Anforderungen der Situation zurecht zu kommen und die entsprechenden Fähigkeiten zu entwickeln. Es werden sich neue Kräfte herausbilden, das ist auch klar. Es wird also darauf ankommen, daß die Kräfte des Widerstands sich entfalten, daß die Erfahrungen der Vergangenheit vor allem unter den organisierten Kräften der Linken nicht unter den Tisch gekehrt werden, sondern in aller Deutlichkeit und Schonungslosigkeit zur Sprache kommen.


I.

50 Jahre Mauerbau und die heutige Lage

(August 2011)

Um die Mauerfrage lief auch eine ausgiebige Debatte anläßlich des fünfzigsten Jahrestages. Es gibt eine Vielzahl von Behauptungen darüber, über die Umstände dieser Mauer, aber die sind in den allermeisten Fällen einseitig oder zuweilen auch völlig verkehrt.

Es ist sicherlich geschichtlich so, daß die Spaltung Deutschlands nicht mit dem Mauerbau angefangen hat, sondern schon lange vorher vorangetrieben wurde, zunächst vor allem mit der Aufteilung in verschiedene Besatzungszonen durch die Siegermächte, mit einem völlig verschiedenen politischen und wirtschaftlichen Kurs in den verschiedenen Besatzungszonen und schließlich dann zunächst mit der Gründung der Bundesrepublik. Es gibt aber auch gewisse Äußerungen von Stalin, aus denen entnommen werden kann, daß dieser zumindest zeitweilig eher die Absicht hatte, an der Einheit Deutschlands fest zu halten, und zuletzt machte er noch 1952 entsprechende Angebote. Dies sind Fakten, die man nicht leugnen kann.

Aber es gibt natürlich auch eine andere Seite in der Sache, und zwar den Revisionismus, der sich in den fünfziger Jahren vor allem innerhalb der damaligen Sowjetunion entwickelte, welcher zur Zeit des Mauerbaus im Jahr 1961, mit Chruschtschow und anderen schon ziemlich weit gediehen war und der bereits seit längerem von der VR China unter Mao Zedong heftig kritisiert wurde (was dann auch in der Großen Polemik seinen Niederschlag fand). Das wird natürlich heute gänzlich weggelassen, von beiden Seiten. Das kann man aber nicht weglassen, weil es nämlich ursächlich mit dieser Sache der Spaltung und des Mauerbaus vor allem zusammenhängt. Im Grunde muß man heute sagen, daß diese Teilung Deutschlands, und damit auch deren deutlichste Manifestierung durch den Mauerbau, im Grunde von beiden Seiten befürwortet wurde. Im weiteren Verlauf erwies sich, daß sowohl von Seiten der westlichen Imperialisten, als auch von seiten der DDR-Revisionisten, die im weiteren das Ziel der proletarischen Revolution und der Einheit der Nation gänzlich über Bord warfen, als auch den dahinter stehenden Sozialimperialisten der damaligen Sowjetunion ein Zusammenkommen von Menschen im gesamten Deutschland, d.h. vor allem der Arbeiterklasse und fortschrittlichen und revolutionären Menschen, die die bestehenden Regime auf beiden Seiten kritisierten, gefürchtet wurde und durch die Existenz der Mauer mitten durch die Stadt vor allem dies massivst behindert wurde. Und daran hatten beide, Imperialisten als auch Sozialimperialisten, ein Interesse. Das ist das, was heutzutage die gesammelte Erfahrung ans Tageslicht gebracht hat.

Diese Mauer mitten durch Berlin, ja um den westlichen Teil herum, hat der ohnehin bereits bestehenden Spaltung noch eins drauf gesetzt, was allerdings wesensmäßig kein großer Unterschied ist, und zwar zu einem Zeitpunkt, als der eigentliche Zweck einer solchen Grenzschließung gegenüber West-Berlin im Grunde schon überholt war und diese vorwiegend bereits einen anderen Zweck verfolgte, nämlich den der eigenen Abkapselung, und zwar vorwiegend der Abkapselung und Einsperrung der eigenen Bevölkerung. Man kann heute fast sagen, daß letzteres sogar vorwiegend die Motivation dieser reichlich verspäteten Grenzschließung innerhalb Berlins im August 1961 gewesen ist.

Für fortschrittliche, geschichtsbewußte, und vor allem revolutionäre Kräfte ist weder das rückwärtsgewandte, weinerliche und permanent die Verbrechen des Nazifaschismus beschönigende, vor allem aber die Politik des westlichen Imperialismus rechtfertigende Gebaren gewisser Kräfte des Westens, noch aber auch diejenigen Kräfte aus der früheren SED in ihren verschiedenen Schattierungen, die ebenfalls ständig versuchen, mit ihrer sog. Politik der „Schadensbegrenzung“ die Widersprüche zu vertuschen und offenkundige Fakten wegzureden, in irgendeiner Weise akzeptabel, sondern beides, und vor allem auch letztere müssen entschieden kritisiert werden. Es muß darüber hinaus die volle Wahrheit herausgefunden werden.

Es muß herausgefunden werden, was damals wirklich abgegangen ist, wie zum Beispiel diese ganze Sache durchgesetzt worden ist und von wem. Diese zusätzliche Spaltung ist eigentlich eher im Interesse der imperialistischen und sozialimperialistischen Besatzermächte erfolgt, als im Interesse der SED-Regierung. Dafür spricht einiges. Keinesfalls kann man ohne weiteres nur sagen, der Mauerbau ist ein Ergebnis des zweiten Weltkriegs. Das Ergebnis des zweiten Weltkriegs war erstmal die Besetzung Deutschlands und in deren Folge die Teilung in zwei Staaten, zunächst vorangetrieben durch die Westmächte. Die Bundesrepublik ist zuerst gegründet worden, und die DDR-Gründung geschah in Folge davon. Genauso war es mit der Währungsreform als Vorläufer der Teilung, die in den westlichen Besatzungsmächten 1948 erfolgte.

Allerdings kann man nicht umhin zu hinterfragen, ob nicht auch auf der anderen Seite, der Seite der Sowjetunion auch schon zu dieser Zeit ein Interesse bestand, diese Spaltung voranzutreiben. Auch dafür spricht einiges.

Es ist inzwischen auch offensichtlich geworden, daß in der damaligen Zeit, Anfang bis Mitte der sechziger Jahre es eben nicht nur die Unterwanderung von seiten des Westens im Osten gab, sondern in einem mindestens ebensolchen Ausmaß umgekehrt die Unterwanderung im Westen gegeben hat. Und das ist insofern natürlich von Interesse, als die damaligen revolutionären Kräfte dies nicht wissen konnten und infolgedessen wir auch damals durchaus den Bau dieser Mauer als ein Mittel gesehen haben, ein gewisses berechtigtes Mittel gesehen haben, gegenüber dieser Unterwanderung der DDR, diesem Abzug menschlicher Potenzen aus dieser, wie sie von westlicher Seite massiv unterstützt und vorangetrieben worden war, einen Riegel vorzuschieben. Aber wie man inzwischen weiß, war das wirklich nur die eine Seite der Medaille.


Was jedoch beide Seiten unbedingt gemeinsam hatten, war, daß dies möglichst nicht offenbar werden sollte. Das ist etwas, was sich zum Beispiel im Nachhinein jetzt anläßlich der Aufdeckung des Mörders von Benno Ohnesorg, Kurras als Stasi-Spitzel oder auch als Doppelagent, in gewisser Weise zeigt, was den damaligen Behörden in West-Berlin vermutlich durchaus bekannt war, aber nicht herauskommen sollte. Es wurde unter allen Umständen geheim gehalten, es durfte nicht ans Tageslicht kommen. Und das hat seinen Grund. Was wäre wohl gewesen, wenn damals bekannt geworden wäre, daß ein SED-Agent Benno Ohnesorg erschossen hat? Das hätte die ganze Situation erheblich durcheinander gebracht. Niemals hätte ein Rudi Dutschke dann eine solche Rolle einnehmen können, niemals hätte die sog. Rote Armee Fraktion daraus ihre Legitimation ziehen können, zur Unterwanderung und Bremsung der revolutionären Kräfte. Es hätte eine ganz andere Entwicklung in punkto Kritik am Revisionismus gebracht, und deswegen ist es durchaus von Belang.

Ja, wäre damals bekannt geworden, daß die sozialistische Macht im Osten es fertig bringt, im Westen Morde zu organisieren, damit dort die Bewegung sozusagen in ihrem Sinne voran getrieben wird, das hätte einiges geändert. Da kann man sicher sein.

Man sieht daran, daß die Mauer nicht zuletzt auch zur Spaltung der revolutionären Potenzen der Massen auf beiden Seiten gedient hat. Was muß man infolgedessen von solchen Kräften heutzutage halten, die derartige Erkenntnisse vertuschen wollen und davon ablenken? Wessen Diener sind diese wohl?

Wäre es damals bekannt geworden, hätte es den revolutionären Kräften einen riesigen Schub versetzt zur Kritik am Revisionismus, und die Kritik der VR China, vor allem in Form der Kulturrevolution wäre auf noch einen ganz anderen, noch viel breiteren fruchtbaren Boden gefallen.

So läßt sich wohl über diesen Mauerbau das Urteil fällen, daß er letztlich auch als eine Art Klammer von seiten sämtlicher Reaktionäre gegen die revolutionären Kräfte und Volksmassen auf beiden Seiten gedient hat.

 

Die Umbruchsituation Anfang der sechziger Jahre

In dem Jahr 1961 liegt eine gewisse Wende, eine Art Umbruchssituation auf beiden Seiten, und die weitere Entwicklung hat eben ganz deutlich gezeigt, daß die Unterwanderung und die Ausdehnungsbestrebungen keineswegs nur von der einen Seite ausgingen, sondern sehr wohl auch der anderen Seite eigen waren.

Seit Beginn der sechziger Jahre befand sich auch Westdeutschland, die Bundesrepublik, durch die voranschreitende Entwicklung als auch das Vorgehen der Supermächte in einer Art Umbruchsituation, die sich auch innenpolitisch niederschlug. Das ist eine Tatsache, die man an Hand der Ereignisse feststellen kann und die niemand wegleugnen kann.

Die Ära der Adenauerreaktion in Westdeutschland ging 1961 ihrem Ende zu, es begann sich einiges zu wandeln. Die wirtschaftliche Entwicklung in dem Teilstaat Bundesrepublik war dergestalt, daß eine ganze Reihe von Arbeitern wieder in den Betrieben arbeiteten und auch zunehmend schon seit der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre Arbeitskräfte aus dem Ausland hinzugeholt worden waren, die in den Betrieben in Westdeutschland vor allem nach dem Versiegen des Stromes von Arbeitskräften aus den Ostgebieten und der DDR die einfacheren Arbeitsplätze besetzten. Das heißt, daß der Druck seitens der Massen insgesamt wuchs. Und die reine nur nach Westen ausgerichtete Reaktion dieses Adenauerregimes der ersten Nachkriegszeit war vorbei. Es begannen sich andere Kräfte zu regen, und die ganze Entwicklung in diesem westlichen Teil Deutschlands, der damaligen Bundesrepublik, ging zunehmend in Richtung einer gewissen Auflockerung und es bahnte sich insofern eine neue Situation an. Eine gewisse Anpassung an das System der Supermächte vollzog sich auch in den bürgerlichen Parteien der Bundesrepublik ebenso wie bei der Sozialdemokratie in Richtung der späteren sogenannten Entspannungspolitik. Ganz wesentlich spielte dabei auch eine Rolle, daß trotz der bereits von Anfang an bestehenden Abtrennung immerhin bestimmte Dinge auch in den anderen Teil, die damalige Bundesrepublik, aus der DDR rüberkamen, bestimmte Fortschritte für die Volksmassen, die trotz bestehender Mängel dort erreicht worden waren, zum Beispiel auf dem Wohnungs- und vor allem auch dem Bildungssektor, als auch in einigen anderen sozialen Bereichen wie zum Beispiel der Verwirklichung gleicher Rechte der Frauen, so daß beispielsweise 1964 in Westdeutschland eine ganze Reihe neuer Hochschulen und Universitäten gebaut wurden, vor allen Dingen im damaligen industriellen Zentrum Ruhrgebiet, und zunehmend der Trend sich durchzusetzen begann, auch Kindern aus Arbeiterfamilien ein Hochschulstudium zu ermöglichen, was sich in den folgenden Jahren auch massiv durchsetzte. Das Jahr 1966 schließlich war das Jahr, in dem die Große Proletarische Kulturrevolution in China erste Höhepunkte erlangte. Das wirkte sich alles auch international aus und führte naturgemäß zu einer Verstärkung des Interesses auf seiten beider Supermächte (der revisionistischen Sowjetunion und des USA-Imperialismus damals), bereits existierende Spaltungen der verschiedensten Art zu zementieren. Die Verfestigung der Grenze zwischen den beiden Teilen Deutschlands zu diesem Zeitpunkt kam ihnen daher durchaus nicht ungelegen.


Fakt ist, daß es gewisse Absprachen zwischen den USA-Imperialisten und den sowjetischen Revisionisten gegeben hat, und zwar spätestens seit Anfang der sechziger Jahre, auch über das was in Europa passiert. Und das hat sich eben in den verschiedenen Ereignissen in der Folge auch widergespiegelt, u. a. auch in diesem Mauerbau in Berlin, der für die DDR viel zu spät kam, davon mal abgesehen. Es bestand auf beiden Seiten ein Interesse, auf beiden Seiten der Supermächte, die Spaltung in Deutschland zu zementieren, und nicht das Gegenteil zu bewirken, schon gar nicht etwa ein Zusammenfließen der Kritik an den bestehenden Systemen auf beiden Seiten zuzulassen. Das war ihnen sehr wichtig, daß das auf jeden Fall verhindert wurde, und es wurde natürlich durch diesen Mauerbau erstmal sozusagen die Spaltung besiegelt.

Kennedy hat sich mit Chruschtschow über den Mauerbau im Vorhinein zumindest indirekt verständigt, und zwar aus gutem Grund. Beide haben im Grunde durch ihre Vorgehensweise einer jeweiligen Teilmobilisierung ihrer Streitkräfte (die USA machten den Anfang) diesen zum damaligen Zeitpunkt sogar noch beschleunigt, da hierdurch eine gewissermaßen panikartige Verstärkung der Fluchtbewegung aus der DDR damals in Folge einsetzte, wodurch sich Ulbricht dann endgültig veranlaßt sah, den Bau schleunigst in die Wege zu leiten.


Es ist aber heute sehr interessant nachzuvollziehen, was alles im Jahr 1961 auf der Welt passierte. Viele Staaten auf der ganzen Welt erlangten ihre Unabhängigkeit von der jeweiligen Kolonialmacht. Zum Beispiel Afrika, der Kongo wurde unabhängig und es begann der Kampf um die Bodenschätze. Und man muß sich doch fragen, warum bis zum heutigen Tag seit dieser Zeit das nicht richtig weiter gegangen ist, die Revolutionierung, sondern immer wieder unterminiert und verhindert wurde von den Imperialisten und Sozialimperialisten, und warum über so lange Zeit eine derartige Stagnation auf diesem ganzen Kontinent aufrecht erhalten werden konnte.

Zum Beispiel gab es die Panafrikanische Konferenz im Jahr 1958, zwei Jahre nach dem 20. Parteitag in der Sowjetunion und drei Jahre vor der Mauer.
Das hatte schon seinen Grund, warum das damals derartig abgekapselt wurde, denn damit wurde zum Beispiel auch die intensive Diskussion auf der ganzen Welt, auch zum Beispiel in Afrika, die ganzen Fragen der kommunistischen Bewegung und über die richtige Linie unglaublich behindert. Das revolutionäre China unter Mao Zedong hat sich natürlich eingemischt in die ganzen Fragen und auch Kontakte geknüpft mit diesen afrikanischen Staaten, und diesen neuen unabhängigen Staaten Unterstützung geleistet und den Slogan ausgegeben: Staaten wollen Unabhängigkeit, Nationen wollen Befreiung und Völker wollen Revolution.

Henry Kissinger (früherer Außenminister der USA-Imperialisten) sagt in seinen Memoiren an einer Stelle, daß in der Zeit Ende der vierziger Jahre die Sowjetunion eine unglaubliche Anziehungskraft auf andere Staaten, auf viele, viele Staaten in der Welt ausgeübt hat. Auch auf China, das ist bekannt, aber auch auf sehr viele andere. (Nicht ohne Grund hat Mao Zedong einmal gesagt, daß es ohne Oktoberrevolution auch keine siegreiche chinesische Revolution gegeben hätte.) Diese Anziehungskraft hat dann allerdings, jedenfalls was die Sowjetunion betraf, im weiteren durch die völlige Durchsetzung des Revisionismus vor allem mit Chruschtschow und Breschnew zunehmend einen erheblichen Knacks erlitten.

Eins muß man aber auch sehen: wenn sozusagen von vornherein beispielsweise bei der Taktik der Sowjetunion gegenüber Hitlerdeutschland schon etwas faul war, hier gibt es sicher noch mehr ans Licht zu bringen, [Anmerkung 1] hat das nicht von vornherein auch die Entwicklung der DDR mit belastet?

Auch das Folgende ist nicht unwesentlich: Es ist nun mal eine Tatsache, daß diese sozialistische Ordnung nach dem Ende des zweiten Weltkriegs unter der Ägide der Sowjetunion nicht auf einer Revolution in Deutschland oder besser gesagt in einem Teil davon, der obendrein von vornherein festgelegt war, basierte, sondern mehr oder minder von außen aufdiktiert wurde. Was das in seiner ganzen Tragweite bedeutet hat, das konnte niemand von der jungen Generation in den sechziger Jahren in dieser Schärfe durchblicken, denn dazu fehlten vor allem detaillierte Kenntnisse über bestimmte Entscheidungen und deren Folgen. Man kann aber jetzt im nachhinein, wo wir diese Kenntnisse in intensiven Studien und auch in der praktischen Auseinandersetzung erworben haben, als auch in Kenntnis derjenigen Dinge, die offenbar geworden sind, nicht mehr zurückgehen.

Sicherlich war die Gesellschaftsordnung, die damals versucht wurde in Deutschland, in einem Teil davon, aufzubauen, eine Art Versuch einer sozialistischen Ordnung. Das steht außer Frage. Nur wie sie sozusagen innerlich funktioniert hat und wie vor allen Dingen die Auseinandersetzung und die Weiterentwicklung und die Möglichkeiten zur Kritik dort verwirklicht werden konnten, das steht auf einem anderen Blatt. Aber das ist wichtig für die weitere Perspektive.

 

Die Lage Ende der 1980er Jahre, der Mauerfall 1989 und die Lage heute

Der Fall dieser Mauer 28 Jahre später und zugleich die Aufhebung der Spaltung Deutschlands fallen in eine ganz andere Zeit. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich auch in der VR China bereits der Revisionismus seit zehn Jahren durchgesetzt und es entwickelte sich dort eine Art von Revisionisten vorangetriebener Kapitalismus. Die Sowjetunion unter Gorbatschow war am Zerfallen und der Unterwanderung durch die USA in gewisser Weise auch ausgesetzt. Damals gab es Absprachen, unter was für Bedingungen die deutsche Einigung erfolgen durfte. Man kann mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, daß auf jeden Fall folgendes wichtige Element darin enthalten war: der weitere industrielle Rückgang, die industrielle Abwrackung im gesamten Deutschland, selbstverständlich der Verzicht auf die Weiterentwicklung der Atomenergie in größerem Umfang sowie überhaupt die Installierung einer breiten „einigen“ grünen Bewegung – Bündnis 90/Die Grünen, zur Propagierung dieser Richtung unter den Massen. Und man muß konstatieren, daß ihnen das zeitweilig in zunehmendem Maße auch gelungen ist. Aber es wird dabei nicht bleiben, so sehr auch Kräfte wie Merkel und andere fieberhaft daran arbeiten, daß die Tendenz in diese Richtung weitergeht bis die ökonomische und politische Auslieferung gegenüber fremden Mächten wieder so richtig in Deutschland Fuß gefaßt hat.

Nicht umsonst hat man in dem vereinigten Deutschland weiter mächtig Spaltung betrieben. Zunächst auf ökonomischem Gebiet, in dem man große Teile der Industrie der ehemaligen DDR , ganze Gebiete mehr oder minder dem Erdboden gleich gemacht hat. Nicht nur das. Man hat dort zunächst auch kaum etwas aufgebaut. Man hat faktisch massiv Arbeitskräfte dort abgezogen, nunmehr innerhalb des vereinigten Deutschlands, ohne Mauer, zum Westen hin und zum Süden vor allem, indem man die östlichen Teile des Landes brach liegen ließ. Das wirkt sich aus bis zum heutigen Tag. Heute sind verschiedene östliche Bundesländer in weiten Teilen zum Altersheim der ganzen wiedervereinigten Republik geworden. Die jungen Menschen, die dort noch geblieben sind, vor allen Dingen männliche interessanterweise, lassen sich leichter instrumentalisieren für irgendwelche Rechtsmanöver, da ihnen Boden unter den Füßen und Perspektive fehlt – ein Umstand, der von den herrschenden Kreisen zum Teil durchaus gewollt ist.

Die Weigerung der sog. Linkspartei hierzulande, in ihren sämtlichen Fraktionen übrigens, diese Dinge mal wirklich zu kritisieren und auch beim Namen zu nennen, bildet eine Art Ergänzungsstück zu diesen von der Reaktion fabrizierten Bedingungen und begünstigt somit objektiv die Förderung rechter Szenarien.


Auch das heutige Rußland beispielsweise ist zu großen Teilen ein Land vergeudeter Potenzen - so etwa könnte man den gegenwärtigen Zustand dort ausdrücken - welches sich vor allem auf seine Rohstoffe stützt, besser gesagt sich darauf ausruht und die Fähigkeiten und Potenzen der Bevölkerung zu großen Teilen brach liegen läßt. Ein Riesenland, flächenmäßig das größte der Welt, das ganz andere Potenzen besitzt und Fähigkeiten entwickeln könnte als gelegentlich mal internationale Konzerne wie Siemens oder auch die Deutsche Bank dazu einzuladen, sich an der Ausbeutung der eigenen Bevölkerung zu beteiligen. Das ist die gegenwärtig herrschende Clique dort, die sich eng mit mafiotischen und kriminellen Strukturen verschmolzen hat und daran klebt wie die Biene am Honig. Was dort an eigener Produktion existiert, ist zu großen Teilen stark veraltet und erfüllt eher eine Art Alibifunktion. Wenn sich der Ministerpräsident zum Beispiel in einem Betrieb mit Arbeitern zusammen zeigen läßt, dann erinnert dies unwillkürlich an hiesige Arbeiteraristokraten, oder auch gewisse pseudolinke Organisationen, deren führende Leute sich ebenfalls gern mit Arbeitern zusammen fotografieren lassen. Besagen tut das gar nichts, denn es wird in Wirklichkeit nichts für das wirkliche Vorankommen der Arbeiter getan, nichts dafür, daß die Kräfte der Emanzipation sich entfalten, um Kritik zu leisten und sich mit anderen wirklich revolutionären Kräften international zu verbinden. Weit gefehlt. Das ist alles Betrug. In Wahrheit verschmelzen sich solche Leute eng mit den imperialistischen Kräften bei der Demontage des Landes. Wirklich revolutionäre Kräfte werden dort (ebenso wie hier) brutal unterdrückt und niedergehalten, wo immer sie zu einer Gefahr für das herrschende System zu werden drohen. Man läßt sie gar nicht erst hoch kommen.

Es wird aber sicherlich auch dort nicht bei diesem Zustand bleiben, dafür ist die Krise zu umfassend, zu tief und weltweit. Und dies erfüllt überall die herrschenden Cliquen mit erheblicher Beunruhigung. Die Widersprüche des kapitalistischen Ausbeutungssystems samt seines spekulativen „Überbaus“ sind objektiver Natur und ihre Verschärfung eine Gesetzmäßigkeit. All jene Bemühungen, per Schuldenanhäufung beispielsweise diesen zu entkommen, erweisen sich als Bumerang, stürzen sie in noch weit größere Probleme. Auch ein Rückzug auf sog. nationalstaatliche „Eigenlösungen“, was immer man sich darunter vorstellt, ist keineswegs geeignet, dieser Entwicklung zu begegnen , im Gegenteil, es führt nur zu noch größeren Gegensätzlichkeiten und letztlich zu neuen imperialistischen Kriegen. Es gibt eigentlich nur einen Weg, daß nämlich die Volksmassen sich erheben und die Dinge selbst in die Hand nehmen, was allerdings große Anstrengungen und politisches und vor allem kritisches Denken und Engagement in ganz anderem Ausmaß erforderlich macht. Letztendlich gibt es aber keine andere Wahl, denn die herrschenden Klassen sind ganz offensichtlich weltweit mit der Lösung der Probleme dieser heutigen Gesellschaft überfordert.



II.

Zu einer geschichtlichen Frage

Sieht man sich einmal bestimmte Äußerungen, Interviews aus der Zeit 1946/47 von Stalin an, dann sieht man durchaus, daß sich dort gewisse Schwächen in Fragen des Klassenkampfs zum Beispiel, die auch vorher schon vorhanden waren, fortsetzen. Das ist sehr deutlich. Das ist ja auch gar nicht verwunderlich, denn was nicht bekämpft und korrigiert wird, das setzt sich eben fort. Und deswegen ist meine o. g. Aussage, daß die ganze konzeptionelle Bewertung dieses, wenn man so will Versuchs eine sozialistische Ordnung in einem Teil Deutschlands zu schaffen, mit Sicherheit auch von diesen Dingen behaftet ist, berechtigt. Übrigens war es erklärtermaßen nicht unbedingt vorrangig der Versuch, eine sozialistische Ordnung zu schaffen, sondern vor allem eine demokratische und friedliebende. Das war das weit überwiegende Moment in der damaligen Zeit, und das ist schon alleine etwas, was in dieser Ausschließlichkeit der Gesetzmäßigkeit des Klassenkampfes widerspricht.

Es ist zwar richtig, daß Stalin in verschiedenen Interviews an verschiedenen Punkten die staatliche Einheit Deutschlands betont. Wie verhält es sich dem gegenüber aber damit, daß er auf der anderen Seite permanent in diversen Interviews betont, daß mit den ehemaligen Koalitionsmächten eine friedliche Koexistenz möglich sei? Da stimmt doch auch etwas nicht, denn es war auch damals schon unübersehbar, daß genau von diesen Koalitionsmächten die Spaltung des besiegten Deutschlands massiv vorangetrieben wurde.

Es muß doch auch folgendes ebenfalls in Betracht gezogen werden: durch die Konferenzen von Teheran, Jalta und Potsdam war doch im Grunde die Aufteilung Deutschlands längst beschlossene Sache, und zwar im Einvernehmen zunächst von drei und schließlich sämtlicher vier Siegermächte, auch der Sowjetunion und gar nicht mal zuletzt. [Anmerkung 2] Man kann sich also zu Recht fragen, was dann spätere Bekundungen von letzterem beispielsweise in Richtung der Aufrechterhaltung eines einheitlichen Deutschlands überhaupt für ein Ziel verfolgten.


Es ist ohnehin widersprüchlich bei Stalin: einerseits kritisiert er zu recht aggressive und überhebliche Äußerungen und Absichten bei der Siegermacht Großbritannien, und auch der USA, auf der anderen Seite steht es für ihn, jedenfalls laut den festgehaltenen Bekundungen, außer Frage, daß selbstverständlich mit diesen eine“ friedliche Koexistenz“ möglich sein wird. Wie verträgt sich das miteinander? Wo wird denn hier noch dem unversöhnlichen Gegensatz zu Imperialismus und Bourgeoisie und dem revolutionären Kampf der Volksmassen international Rechnung getragen? Und es stellt sich die Frage, ob nicht die spätere sogenannte Entspannungspolitik hierin bereits ihren Vorläufer gefunden hat.

Überhaupt ist bemerkenswert, daß die Stellung der Sowjetunion damals schon durch und durch die einer Großmacht ist, die quasi „auf gleicher Ebene“ mit den imperialistischen Großmächten international Verhandlungen führt. Nun könnte man natürlich sagen, das sei auch kein Wunder angesichts dessen, was die Sowjetunion an Beitrag zur Niederschlagung des vom Nazismus beherrschten Deutschlands geleistet hat. Man vergißt dann dabei allerdings, daß es sich bei diesen „Koalitionspartnern“ eben doch zugleich um eben jene imperialistischen Mächte handelte, die zuvor gerade selbst den Nazismus auf die Sowjetunion gehetzt hatten und auch im weiteren selbst durchaus eigene Hegemoniebestrebungen gerade gegenüber der Sowjetunion und mit dieser verbundener Staaten verfolgten. Wie verhielt es sich also mit der Fortsetzung des Klassenkampfes bei Stalin und auch anderen Führern der Sowjetunion? Wie mit der Verteidigung des revolutionären Sozialismus? Oder war vielleicht dieser damals schon auf der Strecke geblieben? Diese Fragen stellen sich doch an solchen Punkten. Und man glaubt doch wohl nicht, daß sich das bei dem sozialistischen Aufbau in dem von ihr beherrschten östlichen Teil Deutschlands nicht bemerkbar gemacht hat.

Selbstverständlich muß man die Dinge differenziert beurteilen. Aber eine differenzierende Beurteilung bedeutet nicht, daß man die grobklotzigen Widersprüche dabei übersieht.

III.

Zu dem Thema: Recht der DDR, ihre Grenzen zu sichern

Es stellt sich doch dabei die Frage, mit welchem Ziel dies geschieht. Geschieht dies als Schutz gegen Unterwanderung von Westdeutschland und den westlichen Besatzungszonen in West-Berlin aus oder zur Einschließung der eigenen Bevölkerung? Nun wird man vielleicht sagen, daß das eine nicht ohne das andere praktiziert werden konnte, daß man dieses nicht hat verhindern können. Bereits daran sind berechtigte Zweifel erlaubt. Des weiteren ist bei der ganzen Verfahrensweise doch folgender Zweifel erlaubt: Warum arbeitete man denn nicht vor allem daran, selber als Vorbild zu gelten gerade für den anderen Teil des Landes, der dem Kapitalismus anheim gefallen war, als Anziehungskraft für diesen? Davon ist nicht so viel zu merken gewesen. Warum war es denn nicht möglich auch ohne Grenzsicherung die Menschen dort zu halten, kraft praktischer Überzeugungstaten? Es heißt immer, es hätten sich viele auf die Abwerbungen und Schlepper aus dem Westen eingelassen und damit als Arbeitskräfte für den sozialistischen Aufbau gefehlt, wodurch der rasche Fortschritt behindert worden sei. Das mag sicherlich für einen Teil zutreffen, aber wenn es sich über längere Zeit um Hunderttausende handelt, dann ist das schon auch bedenklich. Es muß hier die Frage erlaubt sein, was ansonsten vielleicht noch für Faktoren den Fortschritt beim Aufbau behindert haben, was ansonsten alles der Ökonomie beim Aufbau gefehlt. Auch hier ist durchaus, neben den offenen Sabotageakten aus dem Westen auch die damalige Politik der Besatzungsmacht Sowjetunion mal unter die Lupe zu nehmen.

Versucht man heutzutage eine historische Bewertung dieser ganzen Angelegenheit vorzunehmen, dann stößt man auf nicht unerhebliche Probleme.

Im Grunde war das ja für die damalige Zeit in dem damaligen zerteilten Berlin in gewisser Weise ein neuralgischer Punkt, was die Spaltung Deutschlands insgesamt angeht, denn diese Einteilung in Sektoren innerhalb von Berlin war natürlich nicht so perfekt wie die militärisch überwachte Grenze, das ist klar. Und in dem Moment wo sozusagen die eigene Grenze in dieser Weise militärisch gesichert und wirklich quasi zementiert wurde und zugleich diese West-Berliner Enklave quasi eingeschlossen wurde, dann war damit schon ein gewisser qualitativer Unterschied gegeben in dieser Stadt. Das ist doch völlig klar, das zu bestreiten ist absurd. Das bestreiten nicht einmal die Revisionisten damals selbst.

Objektiv lag daher auch ein nicht unbeträchtliches Moment zusätzlicher Trennung in diesem Akt des Mauerbaus, und zwar nicht nur in dem Akt als solchem, sondern vor allem darin, wie im weiteren damit umgegangen wurde. Effektiv diente es in der folgenden Praxis zunehmend der Einschließung der eigenen Bevölkerung. Inwieweit bereits vorher vorhandene Versäumnisse und Fehler bei dieser ganzen Geschichte eine Rolle spielten, bleibt weiteren Nachforschungen vorbehalten.

Warum wurde die Grenze erst im Jahr 1961 und nicht bereits vorher geschlossen? Auch diese Frage muß gestellt werden.

Natürlich war die Situation des Jahres 1961 noch nicht die von 1967/68. Die Dinge waren aber schon länger in der Entwicklung begriffen. In China war die Kritik am Revisionismus, an neu sich entwickeln wollenden eigenen bürgerlichen Kräften (Liu Shao-tschi und andere) als auch international an gewissen Punkten der sowjetischen Politik nicht stecken geblieben, und auch im weiteren wurden diese nicht geschont. Es bahnte sich eine neue Revolution von innen dort an, die in einer Massenkritik diese Kräfte ans Tageslicht zog und sie entlarvte. (Kulturrevolution) Zugleich war neben früherer Kritik auch schon vor und während des 20. Parteitags 1956 in der Sowjetunion eine öffentliche Kritik von seiten der chinesischen Führung, vor allem Mao Zedongs an dieser Politik, vor allem vertreten durch Chruschtschow, gekommen und international bekannt geworden [Anmerkung 3]  All das kumulierte dann im weiteren in der Situation, die sich in Europa, namentlich in Deutschland ergab, im westlichen Teil, wo sich diese Kritik, diese Ausstrahlung dessen, was in China passierte, ausbreitete und Früchte zu tragen begann. Was konnte es besseres geben für die Imperialisten und Sozialimperialisten, und natürlich auch für die von ihnen abhängigen und ihnen unterworfenen Regierungen in den beiden deutschen Teilstaaten, als eine vollendete Spaltung, die verhinderte, daß eben diese Kritik sich diesseits und jenseits der Grenze hat ausbreiten können?

Es ist viel mehr an Massenbewegung damals entstanden als nur die sog. 68er Bewegung. Von wegen daß es nur darum ging, zu verhindern, daß diese Bewegung vom Westen her überschwappte. Es gab auch Kritik innerhalb der DDR am Revisionismus. Und diese hätte sich auch in ganz anderer Weise entwickeln können, wenn es eben diese Spaltung, diese Grenze nicht gegeben hätte. Nicht oder nicht mehr gegeben hätte. Aber da ist ja gar nicht dran zu denken gewesen, in der damaligen Zeit. Da wurde sich ja drauf eingerichtet.


Eins scheint erst einmal nicht falsch zu sein an Stalins Analyse, daß die Völker vom Krieg die Nase voll hatten. Das gilt natürlich insbesondere für Europa, wo sich das besonders stark ausgewirkt hat. Aber was geschah in Asien? Erstmal hatte Japan auch damit zu tun gehabt. Aber was geschah in China? In China ging doch der Kampf weiter, bis schließlich die Befreiung im Jahr 1949 gelang. Und was sollte es dann im Jahr 1946, wenn Stalin Elliott Roosevelt versprach, die Kooperation in Asien sei gesichert? Was ist das denn? Und was da sonst noch alles initialisiert wurde zwischen den Großmächten ist durchaus interessant. Zum Beispiel die Frage der Kontrolle der Atomenergie. Da gibt es eine Übereinkunft zwischen Stalin und den Übrigen, in der ist deutlich geworden, daß in dieser Frage internationale Regeln Anwendung finden müßten und eine internationale Kontrolle etabliert werden müsse. Man sieht daran, daß gewisse internationale Organisationen wie z.B. die I.A.E.A, die namentlich von den USA kontrolliert wird, ihre tiefen Wurzeln haben. [Anmerkung 4]

Man muß auch mal hervorholen, warum ausgerechnet im Jahr 1956 (einige Monate nach dem 20. Parteitag der KPDSU) die KPD in Westdeutschland verboten wurde. Das muß ja auch seine Gründe haben. Und die liegen durchaus in einem Versuch, zu verhindern, daß sich in beiden Teilstaaten die revolutionäre Bewegung und Kritik entfalten konnte. Das durfte nicht sein, auf gar keinen Fall. Und in diesem Punkt waren sich Revisionisten und Bourgeoisie einig.

Wer glaubt, daß in der DDR eine wirkliche Diktatur des Proletariats geherrscht hat, der geht fehl. So kann man das nicht sehen. Es war auf der einen Seite durchaus so eine Art Besatzerregime von seiten der Sowjetunion, ähnlich wie im Westen durch die Alliierten USA, Großbritannien und Frankreich. Auf der anderen Seite die sogenannten „friedliebenden und demokratischen“ Kräfte personell vertreten durch frühere KPD Mitglieder wie Ulbricht und Pieck oder das ehemalige SPD-Mitglied Grotewohl. Aber von einer Diktatur des Proletariats zu sprechen wäre wohl erheblich zu hoch gegriffen. Eine wirkliche Diktatur des Proletariats stützt sich auf die eigene, selbstständige militärische Macht, und davon konnte in diesem Teilstaat überhaupt keine Rede sein. Die Armee dort, die sogenannte Nationale Volksarmee (NVA) spielte in gewisser Hinsicht eine ebensolche „genehmigte“ Restrolle wie zunächst die Bundeswehr in Westdeutschland gespielt hat. Allerdings darf man es auch nicht nur formal betrachten und es wäre noch heraus zu finden, wie diese zustande gekommen ist, denn der Begriff Nationale Volksarmee deutet eigentlich auf einen Gesamtzusammenhang hin, der dort damals aber gar nicht mehr real existiert hat, denn die Diktatur des Proletariats war ja in der Sowjetunion selbst längst durch das Aufkommen eines in erheblichem Maße Großmachtgebarens, beispielsweise gegenüber solchen Staaten wie Polen in wesentlicher Hinsicht verfälscht. Und hierbei spielte u. a. auch das sog. Nichtangriffsabkommen, man kann schon sagen ein gewisses Paktieren mit Hitlerdeutschland, welches ja vorgeblich zur Verhinderung des dann natürlich trotzdem stattgefundenen Überfalls auf die Sowjetunion dienen sollte, eine nicht unwichtige Rolle. Es muß hier auch im weiteren noch einiges untersucht werden.

Es wäre wirklich verkehrt die Dinge einseitig zu betrachten. Die sowjetischen Volksmassen haben einen großartigen Beitrag, eine großartige Leistung in diesem Krieg vollbracht, die man keineswegs unterschätzen darf. Auf der anderen Seite gibt es eben auch Dinge, die vorher schon fehl gelaufen sind, die sich während und im Nachhinein ausgewirkt haben, und diese dürfen ebenfalls nicht weggeleugnet werden. Sonst kann man auch das Resultat mitsamt seinen verschiedenen Seiten nicht verstehen. Und vor allen Dingen versperrt es den Weg daraus zu lernen.

 

IV.

Die Stellung unserer Organisation und ihre Entwicklung in diesen Fragen

Liest man sich beispielsweise unsere Stellung in dem „Revolutionäre Stimme - Extrablatt vom 15. Oktober 1974“ durch, dann merkt man, daß da ein ganz beträchtlicher Sprung ist zu der Zeit von 1971, daß die Dinge sich mächtig weiter entwickelt hatten und man das unbedingt in Betracht ziehen mußte. Und das wird genau in der richtigen Weise dort getan. Die Frage ist, warum eine solche im Grunde doch überlegene Gesellschaftsordnung des Sozialismus sich nicht auch als Anziehungspunkt für die Massen im Westen erwiesen hat. Warum zum Beispiel das nicht Auswirkungen auf die Bewegung dort gehabt hat. Das muß man doch fragen, denn wenn das die fortschrittlichere Gesellschaftsordnung ist, dann hat sie auch eine entsprechende Anziehungskraft auf die Massen. Das war aber mitnichten in nennenswertem Umfang der Fall. Im Gegenteil, die Leute hauten zu Hunderttausenden von dort ab, und wenn Menschen das machen, dann stimmt etwas auch grundsätzlich nicht.

Es ist übrigens sehr interessant, daß im Jahr 1956 in der damaligen Bundesrepublik die KPD verboten wurde, bzw. dieses Verbot nach mehrjährigen Versuchen endgültig durchgesetzt wurde. Es stellt sich zum Beispiel die Frage, warum das nicht sofort, sondern erst später gemacht wurde.

Ende 1971war Ulbricht gestürzt und Honecker an die Macht gebracht worden, was sicherlich kein Zufall war und was dieses absurde Vorhaben sich auf diesen Teilstaat einzurichten massiv gefestigt hat und dies wahrscheinlich auch gewollt war von gewissen Kräften. Nur drei Jahre danach verabschiedete die DDR eine neue Verfassung, in der die Bestrebung zur deutschen Einheit herausgestrichen war und die absurde Theorie einer angeblich inzwischen entstandenen eigenständigen DDR-Nation aufgestellt wurde, die Revolution für ganz Deutschland abgeschrieben wurde. Unsere Stellungnahme, in der dies scharf gegeißelt wurde, unterschied sich ganz erheblich von der drei Jahre zuvor. Dazwischen lag auch sonst einiges. Dazwischen lag der Aufschwung unserer Bewegung in Westberlin und eine gewisse Verankerung unter der Arbeiterklasse und der erste Mai 1972, als auch die ganzen Manöver und Verfolgungen durch die Bourgeoisie, allem voran die Justiz, die in diesem Zusammenhang sichtbar geworden sind. Die von der Bourgeoisie inszenierte RAF-Kampagne, die Unterdrucksetzung und erzwungene Flucht unserer Führung ins Ausland und gleichzeitig auch die beginnende und sich entwickelnde Kritik an Stalin und solchen anderen führenden Persönlichkeiten wie z.B. Molotow. Das sollte man nicht außer Acht lassen. Es wurde damals der Sammelband „Stalin über Deutschland und die deutsche Arbeiterbewegung“ von uns herausgegeben, im Sommer 1972, aber es wurde zum Beispiel ein bestimmtes Vorwort eines Redaktionsmitgliedes gestrichen, weil dort die Politik vor allem Molotows in einer unkritischen Weise herausgestellt worden war. Und es begann damals schon eine Kritik an bestimmten Vorgehensweisen auch Stalins sich zu entwickeln. Die Erkenntnisse sind natürlich inzwischen viel weitergehender, da kann man nicht mehr zurück gehen einfach auf den Stand von 1971 und völlig unhistorisch und unkritisch nur diese Dinge von damals einfach reproduzieren.

Wenn man sich die Schrift zum 13. August 1971  [Anmerkung 5] jetzt wieder durchliest, dann fallen einem schon bestimmte Dinge auf. Das ist zum Teil etwas schwer nachzuvollziehen, da die Situation sich derart krass gewandelt hat. Wenn man dann sieht, wie die Differenzierung vorangegangen ist, bis zum 1. Mai 1972, dann unterscheidet sich das doch ganz erheblich. Da sieht man noch einmal deutlich, daß man im Grunde nicht weiter kommt, wenn man nicht den Revisionismus kritisiert. Und das halte ich doch für einen ganz wesentlichen Punkt bei der ganzen Sache.

Es ist diese damalige Position auch nicht losgelöst von den konkreten Westberliner Verhältnissen zu sehen, welche sich bereits damals durch einen großen ausgehaltenen Sumpf auszeichneten, welcher bereitwillig und permanent rechte und vor allem der Großmacht USA liebedienernde Propaganda reproduzierte. Das Ziel unserer damaligen Stellungnahme vom August 1971 bestand vor allem darin, gerade diesen Elementen und ihren rückwärts gerichteten und konterrevolutionären Absichten entgegenzutreten, was auch vollauf gelang. Es steht außer Frage, daß diese damalige Stellungnahme unserer Organisation insofern selbstverständlich ihre volle Berechtigung hatte.

Ein bißchen schaut diese Schrift zum 13.August eben vor allem auf die vorherige Lage. Der Maiaufruf 1972 guckt nach vorn. Und was sich in der Folge dessen, sowohl auf dem 1. Mai selbst, als auch im weiteren entwickelt hat, ist nichts weiter als eine volle Bestätigung.

Man kann heute nicht die Dinge, die diesbezüglich inzwischen ans Tageslicht gekommen sind, sowohl über die sogenannte RAF und deren Hintergründe als auch über verschiedene frühe Ereignisse dieser Studentenbewegung, beispielsweise den Kurras-Mord 1967 außer Acht lassen. Wäre das damals bekannt geworden, hätte dies wie eine Art Befreiungsschlag gegenüber dem Revisionismus, auch dem DDR-Revisionismus, der damals schon deutlich spürbar war in verschiedenen Punkten, gewirkt. Man kann es keineswegs als Zufall betrachten, daß eine ganze Reihe der führenden Köpfe von dieser RAF allesamt in der DDR ihren Unterschlupf gefunden haben, wenn sie nicht sogar von dort gekommen sind. Es muß aber auch ein stillschweigendes Übereinkommen darüber gegeben haben. (Taktik der übergreifenden Unterwanderung!)

Man kann auch nicht beispielsweise den Aufstieg von Brandt, der ungefähr mit dem Jahr 1962 spätestens begann und mit der 1974 aufgeflogenen Guillaume Affäre endete, hier außer acht lassen. Wessen Spitzel war denn dieser Guillaume? Und was hat es denn dann zu bedeuten? Das kann man hier doch nicht einfach auslassen, das ist doch ein Fakt, der seine Auswirkungen gehabt hat. Es kann sogar sein, daß dieser Guillaume vorwiegend ein DDR-Spion war und die sowjetischen Revisionisten dahinter noch ganz andere Leute hatten, in petto hatten, die sozusagen der ganzen Sache kontrollierend auf die Finger schauten und in dem Moment, wo sie aus dem Ruder zu geraten drohten, intervenieren sollten. (siehe Wehner). DDR-Spion oder auch nicht, wesentlich ist an dieser Erkenntnis, daß sozusagen immer noch eine zweite Riege von Spitzeln existiert, die die erste kontrolliert.

Zum Beispiel die Aufdeckung der Guillaume-Affäre geht unserer Stellungnahme zur deutschen Einheit vom Herbst 1974 vorweg. Die war nämlich im Frühjahr 1974, und das hatte seine Gründe. Und das ist da mit eingeflossen, die ganze Erkenntnis. Das kann man doch heute nicht mehr wegleugnen und so tun als hätte es das gar nicht gegeben, sich auf einen Standpunkt des Vorherigen stellen.

Zwischen dieser Schrift vom August 1971 und dem "Großen Maiaufruf" im Mai 1972 liegt ein dreiviertel Jahr intensiver Betriebsagitation, politischer Agitation unter den Arbeitern in den Betrieben, was sicherlich seine Auswirkungen gehabt hat.

Liest man insbesondere den Schlußteil aus dem Großen Maiaufruf 1972 durch, dann muß man auch heute noch konstatieren, daß das eine revolutionäre Ausstrahlung hat, die ihre Wirkung nicht verfehlt hat und deren Intensität man u. a. daran messen kann, daß ein Teil derjenigen, die damals an dieser Demonstration teilgenommen haben, diesen Kampf ihr Leben lang weiter geführt haben und dies, (sofern ihnen das Leben nicht genommen wurde) bis heute tun.

Die Feststellungen in der Broschüre zum 13. August 1971, die damals gemacht wurden, daß die alte Frontstadtpolitik gewissermaßen gescheitert ist, 1961, waren richtig. Nur der Wechsel hatte ja im Grunde schon vorher stattgefunden, und es stellt sich heute wirklich die Frage, ob nicht diese ganze Politik der Unterwürfigkeit dieser DDR-Regierung und der Oberen dort nicht verkehrt war und im Grunde ein Sich Beugen gegenüber dem Revisionismus dargestellt hat. Und im weiteren ein Schmoren im eigenen Saft und das schließliche Scheitern im Grunde Konsequenz dieser Politik gewesen ist. Natürlich kann man anführen, daß gewisse Kräfte Widerstand geleistet haben. Zum Beispiel ist es natürlich richtig anzuführen, daß solche Leute wie Gossweiler und andere das vielleicht gesehen haben und sich auch in dieser Hinsicht eingeschränkt gefühlt haben, aber was haben sie denn dagegen gemacht? Haben sie dagegen einen Aufstand gemacht? Haben sie vielleicht den Revisionismus und den Chauvinismus der Sowjetunion, der damals schon unverkennbar hervortrat, an gewissen Punkten, kritisiert? Nein, das haben sie nicht getan, sie haben erklärtermaßen eine Politik der „Schadensbegrenzung“ vollführt und genau das ist das, was sie zur Niederlage und zur Katastrophe dann schließlich geführt hat. Das ist es doch, was man heute im Grunde als Fazit aus diesen ganzen Dingen ziehen muß. Sie haben doch selbst im Grunde damals schon den proletarischen Internationalismus und die proletarische Revolution damit aufgegeben. Was soll denn eine angebliche „Schadensbegrenzung“ bewirken gegenüber einer Macht, die unverkennbar selber Revisionismus und Sozialimperialismus verfolgt?
Es müssen doch revolutionäre Kräfte heutzutage das Recht haben, diese Fragen in aller Schärfe aufzuwerfen. Und es ist eine Tatsache heutzutage, daß die gesamte sogenannte Linke, die sich sozusagen hinüber gerettet hat, im Ökologismus, d.h. in der besonders krassen Unterwürfigkeit gegenüber dem faulenden Imperialismus, gelandet ist.

Der Verrat fängt doch nicht im Jahr 1955 an und auch nicht im Jahr 1940, der fängt schon viel früher an, und es ist sehr weitgreifend, was Hartmut Dicke in seinen Artikeln kritisiert. Dieser Verrat ist sehr viel weitgehender und tiefer, er ist Bestandteil der Entwicklung der Sowjetunion und auch der Entwicklung der DDR und des Sozialismus, der dort aufgebaut wurde. Ich möchte hier die These aufstellen, daß der Verrat im Grunde schon in dem ganzen Aufbau der DDR ein grundlegender Bestandteil gewesen ist. Wo wurde denn mal grundlegende Kritik geübt an der ganzen Niederlage der KPD beispielsweise gegenüber dem Nazifaschismus? Darüber ist mir wenig bekannt. Es wäre aber doch allemal eine Aufgabe gewesen. Und in diesem Zusammenhang ist in der Tat auch die Stellung zu der sogenannten Grenzsicherung, wie es damals lautete, eine untergeordnete Frage. Im Gegenteil, diese ganze Abkapselung, die Einriegelung, dieser Verrat am proletarischen Internationalismus ist Bestandteil, der kritisiert werden muß und ausgeräumt werden muß.

Nicht nur die proletarische Revolution, der Internationalismus wurde mit Füßen getreten, sondern auch das Prinzip des Selbstbestimmungsrechts der Nationen. Und das von einer sozialistischen Macht, die auf der anderen Seite einen großartigen Sieg gegenüber der faschistischen Aggression, der Speerspitze des Imperialismus zum damaligen Zeitpunkt, errungen hatte. Einen krasseren Widerspruch kann man sich eigentlich kaum vorstellen.


Die Konterrevolution weiß das auch sehr genau, und deswegen werden immer wieder Manöver aus der Tasche gezogen, um genau die Konsequenzen aus diesem Verrat, die notwendigerweise gezogen werden müssen von jeder revolutionären Bewegung, soll sie denn überhaupt irgendeine Chance auf Erfolg haben, zu konterkarieren. Die nazifaschistischen Schweine haben ebenfalls schon gewußt, warum sie Ernst Thälmann „gerade noch rechtzeitig“ umgebracht haben.
Ohne eine fortgesetzte Kritik am revisionistischen Verrat in all seinen Konsequenzen und in all seiner Tragweite gibt es für die europäische Arbeiterklasse keine Chance auf Befreiung.


Wenn man sich zum Beispiel noch mal daran erinnert, was für eine Jugendbewegung im Jahre 1966/67 in Westberlin aufbrach. Westberlin war eine Enklave, die obendrein von drei Besatzungsmächten mit dem USA-Imperialismus an vorderster Stelle, beherrscht war - und trotzdem brach das auf. Was aber war mit Ostberlin? Da ist nichts davon zu hören gewesen, daß dort irgend etwas in dieser Hinsicht übergesprungen ist, ja es konnte es auch kaum. Und warum konnte es das nicht? Weil es eben diese fixierte militärisch gesicherte Grenze gab. Hätte es die nicht gegeben, hätte die ganze Sache aber ganz anders ausgesehen und die Revisionisten hätten schlechte Karten gehabt in der DDR. Man braucht sich doch bloß mal diese Konstellation vor Augen zu führen, um das auf den Schlag zu erkennen. Und warum wurde es damals nicht gesehen? Warum wurde nicht beispielsweise versucht, etwas Derartiges zu initialisieren? Das lag daran, daß man eben diese DDR noch halb als Verbündeten betrachtete im Kampf gegen den Imperialismus, was diese aber in Wirklichkeit schon längst nicht mehr war. Die Revisionisten und Sozialimperialisten haben aber ihrerseits diese Jugend- und Studentenbewegung in Westberlin gerne zum Anlaß genommen, um ihren unterschwelligen Einfluß auszudehnen. Und dafür sprechen eben auch bestimmte Aufdeckungen aus der letzten Zeit. Kann man etwa daran vorbeigehen und so tun, als wenn es das nicht gäbe? Man wäre schlecht beraten.


V.

Zur Frage der Demokratie

Die Frage der Demokratie ist gerade im Sozialismus, in einer Diktatur des Proletariats eine ganz wesentliche Frage. Löst man sie falsch, kann sehr leicht und sehr schnell die ganze Situation ins Gegenteil umschlagen.

Es wird ja gar nicht bestritten, daß die DDR, bzw. die führenden Leute dort, zumindest in der Anfangszeit es schwer hatten, denn sie standen in gewisser Weise von Anfang an unter der Fuchtel der Siegermacht Sowjetunion, und zwar unter der militärischen Fuchtel. Die hatten 500.000 Mann Besatzungsstreitkräfte in diesem Teilstaat konzentriert, was bei einer Bevölkerung von 17 Millionen Menschen, die damals dort gelebt haben, eine unglaubliche Masse ist. Das glaubt man doch nicht, daß dies keinen Einfluß gehabt hat. Diesem Versuch, dort eine Art Sozialismus aufzubauen, war so von Anfang an der Kolonialismus mit ins Buch geschrieben, und zwar insofern, als nämlich gewisse großmachtchauvinistische Züge sich längst in der sowjetischen Führung festgesetzt hatten.

Natürlich waren nicht alle in der DDR, auch nicht alle führenden Leute, damit einverstanden. Sie mußten sich zum Teil wohl oder übel dem beugen, und wer etwas mehr Kritik und mehr Widerstandswillen zeigte, der wurde geschaßt, und wer am wenigsten, wurde in den Sattel gehievt. Siehe zum Beispiel die Ablösung Ulbrichts durch Honecker.

Unglaubwürdig macht sich doch nicht derjenige, der diese ganzen Verschrobenheiten und Mißstände kritisiert, diese bürgerliche Politik letztendlich, sondern unglaubwürdig in punkto Sozialismus macht sich derjenige, der diese Kritik nicht vollführt, an diesen Zuständen, bzw. davon ablenkt. So herum ist das. Und wenn man heutzutage, angesichts dessen, was alles stattgefunden hat und was alles ans Tageslicht gekommen ist inzwischen, diese Dinge nicht aufreißt und anspricht, sie kritisiert in ihrem geschichtlichen Zusammenhang und auch in ihrem aktuellen Zusammenhang, dann macht man sich unglaubwürdig, überhaupt den Fortschritt zu vertreten.

Was vertritt aber jemand, der versucht, dieses Verhältnis auf den Kopf zu stellen?

Natürlich gab es damals vor allem in der Anfangszeit Abwerbungsversuche, massive Unterwanderung und Hetze gegen den Sozialismus von Seiten des vor allem von den USA-Imperialisten dominierten Westens, insbesondere von Westberlin aus, gegen diese DDR. Das steht völlig außer Frage und wird mit dem, was hier steht, überhaupt nicht vom Tisch gewischt. Es ist nur so, daß auf der anderen Seite diese Hetze nicht hätte zum Zuge kommen müssen, jedenfalls nicht in einer derart massenhaften Form. Man muß sich zum Beispiel fragen, warum wurde, wenn es so war, daß man gegen diese Art von „Abwerbung“ des Westens nicht ankam, nicht viel früher schon die Grenze dicht gemacht? Warum nicht schon in den fünfziger Jahren beispielsweise oder vorher?

Nach dem Bau der Mauer hat man sich, wie es aussieht, in seinen „sozialistischen“ Winkel zurückgezogen, unter dem großen Schutzschirm der großen Militärmacht Sowjetunion. Weltrevolution? Was ist das? Chinesische Kritik am Revisionismus, große Polemik? Nie was von gehört! Schon gar nicht, daß sich damit mal wirklich auseinandergesetzt worden ist. Natürlich ist die revolutionäre Umwälzung auf der ganzen Welt immer das Ziel, das für kommunistische Revolutionäre, auch für Staaten übrigens, selbstverständlich gelten und das verfolgt werden muß, und die revolutionären Entwicklungen auf der Welt laufen auch zunehmend darauf hinaus. Was jedoch auch nicht sein darf, ist, dieses Ziel in abstrakter Weise berechtigter konkreter Kritik entgegen zu stellen. Es weiß doch niemand, in was für Formen sich diese Umwälzungen in der Zukunft durchsetzen werden, auf der ganzen Welt. Dazu sind doch die Bedingungen in den einzelnen Staaten und einzelnen Ländern noch viel zu unterschiedlich, als daß man da mit irgendwelchen abstrakten Festlegungen operieren könnte.

Nostalgisches Zurückblicken kann niemanden wirklich überzeugen. Das ist auch ganz logisch, wenn man das nicht kritisiert, auf der einen Seite, was damals abgelaufen ist, nicht sieht, daß eben bestimmte Fehler und deren Fortsetzung dazu geführt haben, daß es eben sich nicht richtig entwickeln konnte und nicht durchsetzen konnte, vor allen Dingen, wie manche sich das vorgestellt hatten, dann liegt man eben falsch. Der Marxismus ist nun mal kein Dogma, sondern kritisch und revolutionär, d.h. er fordert vor allem, daß die Dinge immer wieder in Verbindung mit der Praxis neu untersucht werden und daraus die richtigen Schritte erfolgen. ("Idealistische Inseln“ im Kopf, d.h. die Annahme angeblich nicht der Veränderung unterliegender sog. „Axiome“, aber müssen bekämpft werden.)

Ich halte es durchaus für möglich, und es ist auch einiges darüber bekannt geworden, daß eine ganze Reihe auch führender Leuten Kritik hatten und daß ihnen keineswegs alles gepaßt hat, was ihnen von sowjetischer Seite aufgezwungen wurde. Aber was sollten sie denn machen, mit ihrer Kritik an der Grenzziehung im Osten beispielsweise? Da hatten sie wohl wenig Chancen, für so etwas Gehör zu finden bei der damals schon „Supermacht“, die sich mit den USA-Imperialisten auf einer Ebene unterhielt, aber im eigenen Bereich die Demokratie in elementarer Weise mit Füßen trat. Das merkt man eben, wenn man die damaligen Äußerungen in den Interviews sich heute durchliest. Da steckt das voll mit drin. Und da die politische Macht eben aus den Gewehrläufen kommt, wie Mao sagt, hatten diese Leute eben damals auch gar keine Chance dagegen durchzukommen, so gern sie es vielleicht teilweise getan hätten. Und dieses Verhältnis abzutun mit der Bemerkung, es sei ja kein „monolithischer Block“ gewesen, lenkt ab von der in Wahrheit erzwungenen Subalternität, die damals schon in den Anfängen der DDR mit drin gesteckt hat. Welche Möglichkeiten hatte denn die NVA (Nationale Volksarmee), die damals dort gegründet wurde, zum Beispiel gegenüber den Besatzern? Die Besatzungsmacht war offiziell legitimiert durch das Viermächteabkommen, überhaupt durch die Vereinbarung mit den anderen drei Siegermächten. Was für Möglichkeiten hatte also die DDR, ihre Interessen und ihre Ansichten nicht nur Gehör finden zu lassen, sondern notfalls durchzusetzen? Der Revisionismus begann in der Sowjetunion nicht 1956 und erst recht auch nicht 1961 oder später. Das ist Unsinn, der hatte längst vorher begonnen, Fuß gefaßt und sich entwickelt. Da gibt es vor allem über die dreißiger Jahre einiges zu untersuchen. Einiges davon ist auch bereits diskutiert und vorgebracht worden, auch von unserer Seite. [Anmerkung 6]   Trotzdem gibt es immer wieder Versuche - vor allem aus der Ecke der früheren SED-Revisionisten, aber auch der DKP – diese notwendige Kritik zu verleumden und in eine angeblich rechte Ecke zu stellen.

Man darf nicht vergessen, daß schon eine der wesentlichen Säulen der Kritik Lenins an Stalin die Frage der Behandlung der Nationalitäten war, und genau diese Frage ist später dann wieder aufgebrochen und bis zum heutigen Tag ein Pferdefuß, ein nicht gelöstes Problem in diesem riesigen Land. In unserer Organisation wurde schon frühzeitig dieses als wesentliches Problem erkannt und vor allen Dingen von Hartmut Dicke in die Wege geleitet ein Band herausgegeben mit Schriften von Lenin zur nationalen und kolonialen Frage, worin diese Kritik ausführlich zur Geltung kommt. Auch in dem Artikel von 2005 „Über die Bedeutung der Auseinandersetzung Stalin – Trotzki..:“ ist dieser Punkt behandelt, nämlich u .a. als einer Frage des Stils. Die Frage des Stils ist eine Frage des Umgangs mit Menschen, und das spielt eben hier auch eine ganz erhebliche Rolle. Und genau diese Frage spielte auch eine Rolle in der DDR. Was uns damals schon frühzeitig aufgefallen war, wie mies der Umgang beispielsweise von Zollbeamten, Grenzbeamten mit der eigenen Bevölkerung, also mit DDR-Bürgern, teilweise war. Das ist schon damals negativ aufgestoßen.

Menschen sind das Wichtigste in der Gesellschaft. Infolgedessen ist auch die Frage des Umgangs eine nicht zu vernachlässigende kulturelle Frage. Menschen sind lebendige Wesen, zur Kommunikation fähig, zum Ausdruck fähig, zur Weiterentwicklung und Erkenntnis, zur schöpferischen Entfaltung und Umgestaltung von sich selbst und ihrer Umgebung. Damit kann man nicht einfach umgehen als einem „Kostenfaktor“, oder „Produktionsfaktor“ oder „Arbeitskraftfaktor“ allein. Das geht nicht. Ein Sozialismus, der so etwas macht, der hat schon von vornherein den Kampf verloren.


VI.

Aus den historischen Erfahrungen Konsequenzen ziehen

Sicherlich war es eine gewisse Chance oder schien es zu sein, und sehr viele Menschen, eine ganze Reihe von Menschen, haben das sicherlich auch wahr genommen und auch für sich als solche Chance, nach all diesen Unbilden und Gräßlichkeiten des Naziterrors, angenommen. Aber wie das dort gehandhabt wurde steht auf einem anderen Blatt. Man darf nicht vergessen wer dort an der Spitze stand. Das waren eben auch Leute wie Pieck und so weiter, und die hatten eben ihre Vergangenheit. Man kann es nicht mit Sicherheit sagen, aber daß dort ein gewisses Günstlingssystem mehr oder minder von vornherein eingerichtet worden ist, wäre nicht verwunderlich bei der Vorgeschichte.

Darin liegt ein Problem einer revolutionären Diktatur der Arbeiterklasse: Wie kann man das Problem der Kontrolle durch die Massen lösen? In Rußland stand dem auch das äußerst niedrige Kulturniveau entgegen, das es unmöglich machte, auf die Elemente der Verwaltung des reaktionären Staatswesens völlig zu verzichten.
In China gab es dafür ein historisches Beispiel: die Kulturrevolution. Auch hier gab es verschiedene Seiten. Und auch hier ist es nicht (dauerhaft) gelungen, das weiter durchzuziehen, erst recht nicht nach dem Tod von Mao.

Diese Frage stellt eine Herausforderung dar für jede fortschrittliche neue Gesellschaftsordnung, welche erst noch weiter von den Volksmassen, dem Proletariat vor allem, gelöst werden muß, wobei die internationalistische Herangehensweise ein Kettenglied darstellt. Neben den objektiv existierenden Widersprüchen zwischen den Klassen, welche auch bei einer Herrschaft der arbeitenden Klassen natürlich nicht verschwinden, sondern im Gegenteil sich zeitweilig sogar verschärfen, vor allem mit Hilfe noch existierender internationaler Ausbeuter, ist es so: Menschen sind nun einmal nicht perfekt und das Streben nach eigenem Vorteil auch auf Kosten anderer in gewisser Weise ist schwer zu überwinden. Selbstlosigkeit entsteht nicht von selbst, sie entsteht im Kampf um etwas, was einem höher erscheint als das Gegenwärtige, was einem unabdingbar erscheint und wo einem die Lage keine andere Wahl läßt. Das Bewußtsein, das sich dort entwickelt, dauerhaft aufrecht zu erhalten, darin besteht eine Schwierigkeit.

Die andere Seite dabei- und die ist sehr wichtig- besteht darin, daß die Möglichkeiten der Weiterentwicklung ja immens größer sein müßten als bei dem, was man hinter sich läßt. Ist das nicht der Fall, dann kumuliert sich das Problem.

Das jedenfalls sind Widersprüche, aus objektiven Unterschieden resultierend, die sich im Bewußtsein widerspiegeln. Und diese bedürfen einer richtigen Behandlung.

Natürlich spielte auch die Unterwanderung durch die westlichen Imperialisten von Westberliner Seite her eine Rolle, welche damals naturgemäß von diesen massiv vorangetrieben wurde, und mittels Bestechung und permanenter medialer Beeinflussung durch eine generelle Hetze gegen den Kommunismus untermauert wurde. Die Frage ist aber, ob das alles ist. Die Frage ist, ob die Menschen im östlichen Teil Berlins, bzw. Deutschlands, in der späteren DDR, die Möglichkeiten beim Aufbau einer neuen Gesellschaft nicht nur gesehen haben, sondern auch ob sie sie tatsächlich hatten und von da her auch bereit waren, diese zu verteidigen, dauerhaft. Dem würde jedoch eine Mentalität widersprechen, die sich gleich bei den ersten Verlockungen der anderen Seite wieder wegziehen ließe, wie es offenbar auch bei nicht wenigen der Fall gewesen ist.

Wird zum Beispiel eine Erhöhung der Normen, d.h. mehr Leistung verlangt, muß das vermittelt werden und von den Massen auch eingesehen werden. Gut, einige schwarze Schafe wird es immer geben, die erst an sich denken, aber wenn das im Prinzip eingesehen wird und man sieht wofür man es macht, dann wird es auch funktionieren.

Wenn man auf der anderen Seite aber den „neuen Oberen“ auch nicht traut (ja sie nicht mal selber gewählt hat) und vor allen Dingen diese durch eine ganz beträchtliche militärische Präsenz der Siegermacht oder auch Befreiungsmacht Sowjetunion unterstützt werden, da weiß man nicht ob diese Dinge immer so einsichtig gewesen sind. Daß sich unter solchen Bedingungen ein Bewußtsein entwickeln kann, daß man sozusagen die Dinge in die eigene Hand genommen hat und nunmehr selbständig den Aufbau betreibt im Kampf gegen die Mächte des Rückständigen, die Mächte der Ausbeutung, fällt nicht ganz leicht zu glauben, zumal wenn man gerade vor nicht all zu langer Zeit gerade eine Art Pseudogemeinschaft auf Kosten anderer mit entsprechend katastrophalem Ende durchgemacht hat. Die Nazis hatten einen auf „Volksgemeinschaft“ gemacht, in x Gruppen und dort die Leute nicht nur in ihrem rassistischen Sinn erzogen, sondern zugleich eine Art pervertierten sog. nationalen „Sozialismus“ aufgezogen, von Arroganz gegenüber sämtlichen anderen Völkern beherrscht und von eigener Selbstüberschätzung, deren Betrug und verheerende Zerstörungskraft nicht für jeden von Anfang durchsichtig war. Ich weiß nicht, ob es möglich ist, daß man diese Sache einfach nur umkehrt und solche Menschen jetzt im antifaschistischen, im antirassistische Sinn erzieht, ohne tiefgehende und prinzipielle Kritik am Vorherigen beispielsweise? Es interessiert mich mal, wie das konkret dort ausgesehen hat. Menschen, die jetzt dort sozusagen „im besten Alter“ waren, die unter den Nazis ganz junge Leute und in deren Sinne beeinflußt worden sind. Wie ist denn mit solchen Leuten umgegangen worden in der DDR, wie mit deren perversen und reaktionären Anschauungen abgerechnet worden? Ob zum Beispiel nur ein gemeinschaftlicher Singsang wirklich auf einen öffnungswilligen Boden gestoßen ist, daran kann und muß man berechtigte Zweifel haben. Wenn man gewisse Filme wie z.B. „Good Bye Lenin“ ansieht, bekommt man eher den Eindruck: nein, das ist es auch nicht. Allerdings muß man andererseits auch sehen, daß genau dieser Effekt natürlich von den Urhebern beabsichtigt ist. Filme aus der Anfangszeit der DDR spiegeln vielleicht doch was anderes wider. Sergej Eisenstein, von dem sehr oft die Rede ist, ist allerdings ein russischer Filmemacher. DDR Filmemacher aus der Anfangszeit kenne ich eigentlich gar keine. Man kann zum Beispiel keine russischen Filme aus der russischen revolutionären Zeit als Beleg für den Charakter der DDR anführen. Das ist nicht dasselbe. Es sollen auf der anderen Seite auch eine ganze Reihe Filme, die in der DDR selbst gedreht wurden, dort rigoros unterdrückt worden sein, vor allem ab 1960 und im weiteren.


In der Tat sind diese Dinge nicht einfach zu beurteilen. Von daher ist auch eine Beurteilung dieses Versuchs, eine sozialistische Gesellschaftsordnung in einem Teil dieses Landes zu verwirklichen, kompliziert und macht es notwendig, weit zurückzugreifen in die Geschichte und eine ganze Reihe internationaler Faktoren einzubeziehen. Wichtig ist, daß die Diskussion über diese Fragen weitergeht und keine wesentlichen Dinge dabei unter den Tisch fallen.

Sicherlich ist es aber so, daß wenn Menschen das Gefühl haben, daß sie von der einen Ausbeuterherrschaft, die sie unterdrückt und ihre Entwicklung hemmt in die nächste, nur unter anderem Vorzeichen gerutscht sind, auf die Dauer nicht haltbar sind und versuchen, derartigem wieder zu entkommen oder es unmittelbar angreifen.

Das ist vielleicht für einige eine provokante These, aber ich denke mal, daß vielleicht in der Lösung dieser Frage ein Schlüssel zum Erfolg liegt. Letztendlich handelt es sich hierbei um die Fortsetzung des Klassenkampfes auch im Sozialismus, die Fortsetzung der Kritik an der Bourgeoisie und am Revisionismus.


Man kann das nicht simpel betrachten, daß das Kapital enteignet ist und die Warenproduktion, die hört ja auch nicht auf der Stelle auf, das ist ja Unsinn, da gibt es noch viele Probleme, die noch gar nicht gelöst sind. Zum Beispiel ist die Frage, ob nicht die Warenproduktion erst noch eine Weile stattfindet, nur eben unter einer anderen Prämisse und mit anderer Perspektive. Das ist zum Beispiel ein Problem. Und da gibt es sicherlich noch eine ganze Reihe Probleme, die dann gelöst werden müssen, wenn erstmal überhaupt die Sache soweit ist. Das kann man nicht alles vorher sehen, das kann man nicht alles jetzt hier in schöne Formeln packen. Da macht man sich die Sache erheblich zu einfach.

Ich finde auch nicht, daß man sagen kann, daß dieser Film „Good Bye Lenin“ absolut kein Beispiel ist, der enthält durchaus gewisse positive als auch negative Seiten, zieht letztere sicherlich etwas einseitig nach vorne, aber er erfaßt zumindest kulturell ein gewisses Moment, welches tatsächlich existiert hat. Es gibt nämlich auch eine Form von sogenannter Arbeiterkultur, die nach hinten zieht, die nur sehr wenig oder überhaupt nicht irgendeinen Drang nach Weiterentwicklung enthält, in dem Sinne daß man sozusagen auch durch die technische und wissenschaftliche Weiterentwicklung, durch die Weiterentwicklung der Erkenntnisse und Fähigkeiten versucht, diese brutalen und mörderischen Seiten der Knochenarbeit, wie sie im Kapitalismus ganz bestimmten Schichten zugeschoben wird, überhaupt zu beseitigen, nicht nur in dem Sinne, daß man sozusagen das soziale Heft selbst in der Hand hat, sondern in dem Sinne, daß man selbst eben den Fortschritt vertritt und diesen massiv vorantreibt, in dem Sinne, daß eben für alle Menschen letztendlich diese Knochenarbeit entfällt. Und dieses Moment ist ein kulturelles Moment, was man allerdings in dieser Kultur, wie sie oben kritisiert wurde, mehr oder minder völlig vermißt. Die ganze Begünstigung der sogenannten Umweltideologie durch verschiedenste Kräfte innerhalb dieser DDR spricht in dieser Hinsicht Bände.

Es gibt noch eine ganze Menge von ungelösten Fragen in punkto Sozialismus. Zum Beispiel die Warenproduktion, hört die da völlig auf? Gibt es überhaupt noch so etwas wie eine Warenproduktion, überhaupt noch so etwas wie einen Markt? Das sind doch Fragen, die bisher noch nicht gelöst worden sind, von keiner einzigen Gesellschaftsordnung. Und wenn es keine Waren mehr gibt, wie soll man sonst die Verteilung organisieren? Und da gibt es eine ganze Reihe von negativen Beispielen, wie es eben nicht gehen kann. Daß man sozusagen nur „den Bedarf deckt“. Das ist etwas ganz Fürchterliches, was sozusagen die Stagnation und die Eingrenzung von vornherein beinhaltet und wo der Antrieb, weiter zu kommen, über den Bedarf hinaus zu kommen, zu höheren Möglichkeiten, einfach unter den Tisch gefegt wird, bzw. herunter gemacht wird. Das kommt natürlich überhaupt nicht in Frage. Und daß demgegenüber der Kapitalismus sozusagen punkten konnte, von wegen bei uns kann man wenigstens etwas erreichen, es zu etwas bringen, indem man viel arbeitet, das ist ganz logisch, wenn solche stagnativen Anschauungen dominieren. So geht es sicherlich nicht, das ist eine offene Frage. Es muß keineswegs nur der Bedarf gedeckt werden, es muß auch über den Bedarf hinaus gegangen werden können. Ein „Sozialismus“, der die Selbstbeschränkung und Selbstbeschneidung, egal auf welchem Gebiet, von vornherein postuliert, ist zum Scheitern verurteilt, der endet im grünen Sumpf (der Bourgeoisie) – wie gehabt. Und das ist keineswegs nur auf materiellem (ökonomischem) Gebiet so, sondern auch auf intellektuellem und künstlerischem Gebiet. „Ich bin Nichts - und müßte Alles sein“ – genau das ist die richtige Einstellung, die sich breit machen muß, nicht aber das Gegenteil. Wenn man anfängt sich selbst zu bescheiden und zu sagen, ich hab halt mein Auskommen, dann hat man schon verloren, weil man ihn ignoriert und mit Füßen tritt, diesen Antrieb, der in jedem Menschen, der in der ganzen Menschheit existiert, nämlich zu Höherem zu kommen, oder anders ausgedrückt, nicht nur die Umgestaltung seiner Umgebung zu betreiben, sondern auch die seiner eigenen Erkenntnisfähigkeit.


Die DDR als eine Form der Fortsetzung des Klassenkampfes? Nun ja, kann man das so sehen? Was ist denn passiert, was war denn sozusagen bei Ende des Kriegs, die Niederschlagung des Nazismus, die Besetzung Berlins. Wo waren denn aber die Widerstandsgruppen? Haben die sich nur auf den Osten konzentriert, oder gab es die nicht auch im Westen? Was ist mit denen im Westen passiert im Weiteren? Die KPD bekam ihren Verbotsprozeß an den Hals, im Osten wurde eine Art Zwangsvereinigung zwischen KPD und SPD vollzogen. Was ist das denn? Das ist ein ganz erhebliches spalterisches Manöver gewesen, welches natürlich den Kräften im Westen, die den Kampf fortsetzen wollten, nicht gerade genützt hat. Die gesamte Besetzung Deutschlands durch die alliierten Siegermächte spielt sehr wohl eine Rolle bei der ganzen weiteren Entwicklung, auch im Osten. Und insofern ist meiner Ansicht nach die DDR als (ein Ausdruck der) Fortsetzung des Klassenkampfes (zumindest) mit Fragezeichen zu versehen. Das aber führt unweigerlich weiter zu der Frage, ob denn die Sowjetunion zum Zeitpunkt der Beendigung dieses Kriegs und des Sieges über den Nazifaschismus noch als substantiell sozialistische Macht verstanden werden kann oder nicht, oder ob die chauvinistischen, d.h. die reaktionären Elemente darin schon zu diesem Zeitpunkt im Grunde dominierten. Diese Frage stellt sich durchaus. Sicherlich ist es eine sehr komplizierte und schwer zu entscheidende Frage, aber aufgeworfen werden muß sie, sonst kommt man nicht weiter.

 

VII.

Aus den Erfahrungen lernen

Was jedenfalls auffällt an dieser DDR, an der Kultur, die sie ausgestrahlt hat, zum Teil eine unglaubliche Farblosigkeit und Phantasielosigkeit. Ob das jetzt an den Menschen liegt, daran mag man berechtigte Zweifel haben. Aber warum es auf der anderen Seite derartig offensichtlich war und sich im Grunde über lange Zeit bis zum Schluß aufrecht gehalten hat oder besser gesagt von offizieller Seite aufrecht gehalten wurde, das steht auf einem anderen Blatt.

Wenn man zum Beispiel immer wieder hört, aus verschiedenen Quellen, daß junge Menschen, die einen Drang hatten zur Weiterentwicklung, zu Bildung, zur „individuellen Entfaltung“ – eine gewisse Art von „Aufsteigen“ sozusagen- der Weg vermauert worden ist, aus Gründen ihrer Familie, daß die zum Beispiel nicht entsprechend „eingeschätzt“ wurde und mißtrauisch beäugt wurde und sie dann z.B. nicht an der Uni studieren durften und Ähnliches mehr, wie das wirklich in zig Fällen offenbar der Fall war, und zwar nicht erst in der Endphase, sondern mehr oder minder von Anfang an, wie berichtet wird –und wenn letzteres nicht der Fall sein sollte, wäre es interessant zu erfahren, wo und wann der Bruch in dieser Hinsicht gewesen ist- muß man sich nicht wundern, wenn ein entsprechend großer Drang da war, aus diesem individuell als Gefängnis empfundenen Gebilde herauszukommen.

Das klingt jetzt vielleicht einseitig, aber es hat auch keinen Sinn, sich da Illusionen hinzugeben, die nur dazu führen, daß Fehler wiederholt werden.

Man kann auch nicht sagen, daß derartige Dinge samt und sonders der westlichen Propaganda geschuldet sind. Das ist Unsinn. Das ist ja längst so, daß sich die Dinge „gewendet“ haben und eine ganze Reihe derjenigen Leute, die jetzt immer noch nach hinten gucken, zumeist auch solche sind, die in dieser Gesellschaft ihre Vorteile hatten. Nicht alle, das muß man dazu sagen, aber es gibt einen gewissen Teil davon.

Wenn man sich zum Beispiel andere Staaten, die damals unter der Ägide der sozialimperialistischen Supermacht ihr Dasein fristen mußten, ansieht, dann sieht man, daß bei all diesen Staaten von den Massen her ein Drang war, da raus zu kommen. Wie dieser Drang sich sozusagen dann im weiteren bestätigt hat oder nicht bestätigt hat und wie nicht wenige Leute auch heutzutage sehen, daß der so ersehnte „Westen“ ebenfalls im Prinzip denselben Widersprüchen unterliegt, das steht auf einem anderen Blatt.

Eine Diktatur des Proletariats, eine gesellschaftliche Macht oder Herrschaft der arbeitenden Klassen, die die Produktivkräfte-genau wie der Kapitalismus- bremst, ist keine wirkliche sozialistische Diktatur. Diktatur bedeutet sowieso in dieser Hinsicht immer nur Diktatur über die Ausbeuterelemente, die es noch lange Zeit gibt und die versuchen wieder an die Macht zu kommen. Wie das im einzelnen umgesetzt wird, das dürfe auch eine sehr komplizierte Frage sein, in der noch viele Erfahrungen gemacht werden müssen, viele schon gemacht worden sind und mehr noch gemacht werden müssen.

Entwicklung von Phantasie, schöpferische Fähigkeit ist eine ureigenste Fähigkeit des menschlichen Wesens, und ein gesellschaftliches System, was diese unterdrückt, kann niemals dauerhaft Bestand haben. Das zeigt die Entwicklung der ganzen Menschheit seit Tausenden von Jahren. Und diese Fähigkeit, dieses Wesenselement des menschlichen Lebewesens, läßt sich eben nicht mit einfachen Formeln beschreiben, läßt sich nicht in einfache Formeln hinein drücken und das ist ein Problem, was noch nicht gelöst ist, was auch Marx noch nicht vollständig gelöst hat, welches aber sicherlich gelöst werden wird in der Zukunft.

Das kapitalistische System versucht diesen Widerspruch in seinem Sinn zu lösen, indem sie ihn als zusätzliche Profitquelle ausnutzt. Was tut aber der Sozialismus? Wie geht dieser mit dieser wichtigen menschlichen Wesenseigenschaft um?

Warum ist es denn Deng Xiaoping in China gelungen, eine solche explosionsartige Entwicklung, wie sie in den letzten Jahrzehnten dort stattgefunden hat, einzustylen? Das ist ihm deswegen gelungen, weil die anderen Kräfte, die Kräfte der sog. Viererbande, nach dem Tod von Mao, dieses Moment ebenfalls nicht kapiert hatten und dementsprechend gegen dieses schöpferische vorantreibende Moment unter den Volksmassen agiert haben. So etwas hat keinen Bestand. Und wenn ein Kapitalismus, der dieses vorwärtstreibende, schöpferische Moment sozusagen wieder zum Angriffspunkt und Auslöser macht und es für sich und seinen Profit wieder entwickelt, dann hat er gewisse Chancen erstmal, zeitweilig, bis die Entwicklung der Widersprüche eben wieder die Dinge umkehrt und die Massen ihn abermals umstürzen. Das wird sicherlich eine spiralförmige Entwicklung sein und nicht gradlinig, in gar keinem Fall in einem Jahr, nicht in hundert Jahren und vielleicht auch nicht in tausend Jahren zur Perfektion verwirklicht werden können, Perfekt wird es wohl nie sein, aber es ist entscheidend, in welche Richtung sich das bewegt, in welche Richtung sich eine Gesellschaft bewegt. Und solange das kapitalistische Ausbeutersystem imstande ist, diesen Faktor für sich als Pluspunkt zu offerieren und zu mobilisieren, solange wird eben auch diese Möglichkeit bestehen bleiben. (Letzteres gilt natürlich nicht absolut, sondern bewegt sich auch im Rahmen dessen, daß insgesamt natürlich die Produktivkräfte in einer Gesellschaft eine Rolle spielen und man das nicht vom Individuum alleine betrachten kann. Letztendlich sind es immer die Massen, die den Fortschritt erzwingen.)

Der Mensch ist nun mal die wichtigste Produktivkraft und auch von daher seine Entfaltung oder Nichtentfaltung in einer Gesellschaft das wichtigste Moment, woran sich die entsprechende (jeweilige) Gesellschaftsform zu messen hat. Mao Zedong hat einmal gesagt: in den Volksmassen steckt eine unerschöpfliche schöpferische Kraft. Das stimmt. Und es ist die Aufgabe einer fortschrittlichen Gesellschaft, diese Fähigkeiten, diesen Faktor insgesamt, in seiner Vielseitigkeit ja allseitig zur Entfaltung zu bringen und nicht das Gegenteil zu praktizieren. Wenn das Gegenteil betrieben wird, dann heißt es immer, daß eine Ausbeuterklasse ihre Finger im Spiel hat. Das gilt auch und vor allen Dingen bezüglich sozialistischer Gesellschaften, auch bezüglich der DDR beispielsweise und der Sowjetunion als auch natürlich für das heutige China.

In gewisser Weise gibt es immer, bei jedem einzelnen Menschen, eine Art dialektisches Verhältnis zwischen eigenem - nennen wir es mal individuellem - Entfaltungsdrang und Unterordnung unter die Erfordernisse des Ganzen. Beide Elemente sind wichtig, und man kann nicht eins davon negieren zugunsten des anderen. Tut man das, negiert man z.B. das erstere zugunsten des zweiten, dann kann das, was sich daraus entwickelt, schlußendlich nicht richtig sein, keinen Bestand haben, dann widerspricht es genau dieser individuellen, emanzipativen Bestrebung des Menschen, die sich in jedem Individuum im Drang nach Entfaltung und Entwicklung seiner Fähigkeiten ausdrückt. Umgekehrt ist es ebenso. Daß dieses Verhältnis insgesamt natürlich den unterschiedlichen objektiven Notwendigkeiten unterworfen ist, steht außer Frage. Deswegen wird auch die Gewichtung, die ein Mensch selbst vornimmt, auch jeweils sich daran messen müssen. Anders ausgedrückt heißt es: einerseits muß ich es verstehen, ein Rädchen im Getriebe des Ganzen zu sein, andrerseits kann ich es aber auch nicht nur sein, sondern ich muß auch in meinem eigenen individuellen Bereich eine Möglichkeit finden können, meine Fähigkeiten so weit wie möglich zu entfalten.

Daß dies nicht auf einen Schlag zu verwirklichen geht ist auch klar, denn das Rädchen-Sein ist ja gewissermaßen Produkt der Massenproduktion und die Massenproduktion wiederum ist erstmal Voraussetzung für den Sozialismus. Daran sieht man schon, daß da ein objektiv dialektisches Verhältnis zwischen diesen beiden Faktoren existieren muß und auch noch längere Zeit existieren wird. Die Frage ist aber: wie sind die Möglichkeiten der Entfaltung? In welche Richtung entwickelt sich das?

Sicherlich kann es auch mal längere Zeit notwendig sein, überwiegend Rädchen zu sein. Aber die Frage ist: wie sieht es aus, was zeigt sich sozusagen am Horizont? Zeigt sich da, daß sich das ändert in dem Maße wie man kämpft und wie man arbeitet oder zeigt sich, daß sozusagen wieder einmal, wie auch in den übrigen Ausbeutergesellschaften, von anderen, die dort in den Positionen sitzen, abgesahnt wird, sodaß die Perspektive aus dem (ausschließlichen) Rädchen-Dasein heraus zu kommen sich einfach nicht auftut?

Wir können heute von solchen wesentlichen Erkenntnissen und Erfahrungen, die verschiedene sozialistische Gesellschaften auf der ganzen Welt inzwischen gemacht haben und machen, nicht zurück. Wir müssen diese erkennen und daraus die Konsequenzen ziehen.

Das Rädchen-Sein ist übrigens keineswegs zu unterschätzen, es bringt nämlich den Vorteil des Gefühls, Teil einer Masse zu sein, und darin steckt eine große vorwärtstreibende Kraft. Jeder, der mal an einer Massenbewegung teilgenommen hat, weiß dies zu schätzen. Letzteres hat natürlich seine zwei Seiten, es gibt auch Massenbewegungen, die reaktionär sind. Deswegen darf man niemals seinen eigenen kritischen Verstand aufgeben, auch nicht als Rädchen.

Man kann davon ausgehen, daß auch in der DDR vor allem in der Anfangszeit im Ansatz es Versuche gab, derartige Dinge zu verwirklichen und diese sogar teilweise erfolgreich gewesen sind. Mit zunehmender Konzentration ausschließlich auf sich selbst und die Beschränkung auf eine eigene Welt eines angeblichen „friedlichen Sozialismus“, welcher obendrein nicht durch die eigene Kraft, sondern durch eine ausländische (Militär-)Macht garantiert wurde, d.h. mit zunehmender revisionistischer Verbürgerlichung und Aufgabe der nationalen und internationalen revolutionären Zielsetzung ist das jedoch vollkommen verloren gegangen oder wurde teilweise vielleicht auch gewaltsam erstickt.

Im Ursprung hätte auch die Sowjetunion selbst es beispielhaft anders machen müssen als die Westmächte, dann hätte es auch etwas ganz anderes bewirkt, dann hätte das einen ganz anderen Anziehungspunkt dargestellt auch für die übrigen Teile in Deutschland. [Anmerkung 7]

 

Epilog

Gegenwärtig tritt wieder sehr deutlich hervor, daß das kapitalistische System in gerade auch über die spekulativen Ausuferungen sichtbarer Weise, weltweit an seine Grenzen stößt oder anders ausgedrückt, der ihm innewohnende Grundwiderspruch aufbricht, insofern als der gesamte erarbeitete Reichtum, der sich in dem Kapital in seinen verschiedenen Formen vergegenständlicht, quasi gegen die Gesellschaft selbst kehrt und zu ihrer Zerstörung führt. Es liegt also gewissermaßen im ureigensten Interesse dieser Gesellschaft als Ganzem, dieses System zu zerbrechen. Insofern ist die Sache mit den „99 zu eins“ nicht gänzlich aus der Welt, vor allem, wenn man es international betrachtet. Allerdings stellt sich die Frage, wie man das umsetzt.

Das gesellschaftliche Prinzip, daß diejenigen, die den Reichtum erarbeiten auch die Nutznießer davon sind, das ist richtig. Damit das verwirklicht werden kann, muß aber die bestehende Eigentumsordnung des Privateigentums an den Produktionsmitteln beseitigt werden und durch eine andere, das gesellschaftliche Eigentum an den Produktionsmitteln sowie an Grund und Boden garantierende, ersetzt werden und ein dementsprechendes neues, revolutionäres Staatswesen, was diesem Verhältnis gerecht wird, geschaffen werden, und zwar solange es notwendig ist, dieses gegen die Bourgeoisie und die reaktionären Versuche der Wiederherstellung ihrer Macht zu schützen.

Was ist wesentlich für eine sozialistische revolutionäre Macht, was muß sie unbedingt selbst in die Hand bekommen? Die Schlüsselindustrie, die Energiefrage und die Bodenfrage. Letzteres berührt natürlich vor allem die Landwirtschaft und die Immobilien, womit zwei weitere wesentliche Bereiche erfaßt sind. Nicht zuletzt gibt es natürlich das Finanzsystem, welches völlig neu gestaltet werden muß und wo die Kontrolle äußerst scharf sein muß. Man sieht allein daran, daß sich auch in den Köpfen der Menschen einiges umwandeln wird, um mit diesen Problemen klar zu kommen.

Es wird heute daher zunehmend dringlicher, die Frage des Staates, die Frage des Verhältnisses der proletarischen Bewegung, ja überhaupt fortschrittlicher und revolutionärer Bewegungen zum Staat noch einmal grundlegend wieder zu klären. Man merkt es gegenwärtig an verschiedenen Kräften - das ist keineswegs auf die sog. Linkspartei in unserem Land beschränkt -, daß in dieser Frage keine Klarheit besteht. Es ist zum Beispiel prinzipiell nicht verkehrt, zum Beispiel die Bildung einer Arbeiterregierung zu fordern, wie das kürzlich hier auf einem Plakat zu lesen war. Das ist ja keineswegs falsch, aber wie soll das zustande kommen? Das ist doch die Frage, die sich stellt. Und worin besteht die Substanz eines solchen revolutionären Staatswesens? Und wie kann man es erreichen? Um diese Fragen muß die Diskussion innerhalb der linken und fortschrittlichen Kräfte wieder aufgenommen werden, als auch mit allen neu sich bildenden revolutionären und fortschrittlichen Menschen intensiv diskutiert werden. Das ist keineswegs bloß eine theoretische, sondern auch eine sehr praktische Frage. Es muß die revisionistische Umklammerung in dieser Frage durchbrochen werden.

 


-----------------------------------

[Anmerkung 1]  Siehe auch wichtige Analysen und Dokumente zu entscheidenden Fragen der Geschichte der kommunistischen Bewegung in der Neuen Einheit 2005, Heft 2, wie den Artikel von Hartmut Dicke „Über einige wesentliche Aspekte der Politik der Sowjetunion“.

[Anmerkung 2] Siehe z.B. Stalins Äußerungen auf den Konferenzen von Teheran und Jalta in:Teheran, Jalta, Potsdam - Die sowjetischen Protokolle von den Kriegskonferenzen der „Großen Drei“", Verlag Wissenschaft und Politik, 3.Auflage 1985

[Anmerkung 3]  „Polemik“:  „Ein Vorschlag zur Generallinie der internationalen kommunistischen Bewegung- Antwort des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas auf den Brief des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion vom 30.März 1963“ - Dazu erschienen neun grundlegende Kommentare bis Juli 1964. Der letzte unter dem Titel „Über den Pseudokommunismus Chruschtschows und die historischen Lehren für die Welt.“. Das Ganze wird meist kurz als „Polemik“ bezeichnet, es ist die wichtigste und bedeutendste Abrechnung mit dem modernen Revisionismus aus dieser Zeit.

[Anmerkung 4]  Siehe dazu "An alle..." - Sowjetische Vorschläge zur Abrüstung von 1917 bis zur Gegenwart", Pahl-Rugenstein Verlag 1986, Genehmigte Lizenzausgabe des Verlags Progress Moskau

[Anmerkung 5]  Siehe die Broschüre „Der 13. August und die revolutionäre Perspektive für die Westberliner“ von Klaus Sender

[Anmerkung 6]  Siehe dazu „Über einige wesentliche Aspekte der Politik der Sowjetunion“ und auch „Über die Bedeutung der Auseinandersetzung Stalin - Trotzki und der gesamten Diskussion der Mitte der zwanziger Jahre in der KPdSU - Zur Diskussion um eine immer noch wichtige Frage

[Anmerkung 7]  Man darf nicht vergessen, daß die Leute diese ewige Gängelung und Bevormundung am Schluß so satt hatten, daß sie einiges dafür in Kauf genommen haben. So ein bißchen spiegelt sich diese kulturell an gewissen Punkten immer noch wider: im Inforadio vom RBB (was ich ansonsten durchaus zu schätzen weiß) kommt z.B. jedesmal (und das heißt alle zwanzig Minuten!) „Nachrichten für Berlin und Brandenburg“! Wie bitte? Wieso wird das von vornherein eingegrenzt? Wieso sind das nur Nachrichten für Berlin und Brandenburg? So ein Unsinn. Oder schlimmer noch der Spruch „Alles was Sie wissen müssen, alle zwanzig Minuten“. Ja woher wissen die denn, was man wissen muß? Da steckt es doch immer noch drin, diese Neigung zur Bevormunderei. )

 

 

--------------------------------------

Literaturhinweise:

- „Die Polemik über die Generallinie der internationalen kommunistischen Bewegung“, Verlag für Fremdsprachige Literatur Peking
- Stalin Werke, Band 15, Verlag Roter Morgen 1979

- "Teheran, Jalta, Potsdam - Die sowjetischen Protokolle von den Kriegskonferenzen der „Großen Drei“", Verlag Wissenschaft und Politik· Köln, 3.Auflage 1985

- "Die DDR und China 1949 bis 1990 - Politik – Wirtschaft – Kultur", eine Quellensammlung, Akademie Verlag Berlin 1995

- "An alle... - Sowjetische Vorschläge zur Abrüstung von 1917 bis zur Gegenwart", Pahl-Rugenstein Verlag 1986, Genehmigte Lizenzausgabe des Verlags Progress Moskau
- Kissinger-Memoiren, Band I, 1968-1979, Goldmann-Taschenbuch 1979
Außerdem zum Theme von Interesse:  Wilhelm Pieck - Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945-1953", Rolf Badstübner; Wilfried Loth (Hrsg.), Akademie Verlag Berlin 1994
 

 

 

www.neue-einheit.de     www.neue-einheit.com