Internet Statement 2016-27
Berlin nazifrei – und was dann? Maria Weiß 08.05.2016 Sollen wir alles nivellieren? Wie es der Kapitalismus will? Auf Besonderheit
und Entwicklung, eigene Geschichte, eigene Vorzüge und auch zu kritisierende
und veränderungsbedürftige Dinge verzichten? Das ist doch nicht
einzusehen. Den Kapitalismus interessiert das nicht. Den interessiert
hauptsächlich, was aus den einzelnen Menschen, den einzelnen Staaten
heraus gepreßt werden kann. Kultur, Geschichte, Identität?
Wen interessiert es? Nun ist es sicherlich unbestreitbar, daß sowohl jeder einzelne Mensch, aber auch jede Gemeinschaft, jede Nation ihre Besonderheit, ihre entwicklungsbedingte kulturelle Besonderheit hat, ihre Identität hervorbringt, wie man das nennt. Das interessiert aber den Kapitalisten nicht. Was den interessiert ist vor allem: was kann für ihn an Profit da heraus gepreßt werden. Eine Nivellierung ist daher unter Umständen durchaus im Interesse des Kapitals, nicht aber im Interesse der Arbeiterklasse, welche selbst auch innerhalb der unterschiedlichen Nationen sich herausbildet und auch ihre eigene Besonderheit, ihre kulturelle und historische Identität entwickelt. Eine Nivellierung zwecks Unterordnung unter das Profitinteresse des Kapitals kann daher sicher nicht Zielsetzung der Arbeiterklasse sein. Ebensowenig wie ein Zusammenschluß von zwei Menschen bedeutet, daß jeder seine eigene Besonderheit aufgibt, gilt auch, daß die Arbeiterklassen der verschiedenen Nationen auf der Welt, sofern sie sich zusammen zu schließen fähig sein werden, auf ihre eigenen Besonderheiten verzichten oder diese unter den Teppich kehren müssen. Ganz im Gegenteil, diese Vielfalt der Entwicklungen auf der ganzen Welt, die sich innerhalb der Arbeiterklasse, innerhalb der Volksmassen oder, wenn man so will, auch der Nationen herausgebildet hat, zusammen zu führen, das ist ja gerade das, was interessant ist und zu weiterem Fortschritt anregen und diesen auch hervorzubringen imstande sein wird. Eine Leugnung der jeweiligen besonderen Entwicklung wird eher das Gegenteil erzeugen, jedenfalls in den allermeisten Fällen, und der einzige, der daraus profitiert, ist der internationale Ausbeutermechanismus, nicht aber die Masse der Bevölkerung, die um ihren Fortschritt und ihre Befreiung kämpfen. Was daraus folgt ist, daß man diese Faktoren auf keinen Fall gegeneinander ausspielen darf, sondern sie in der richtigen Weise miteinander ins Verhältnis setzen muß. Reaktionäre Kräfte sind aber immer daran interessiert, solche Dinge gegeneinander auszuspielen, und wem das nützt, das braucht man nicht als Frage im Raum stehen lassen. Das kann man leicht beantworten.
Was soll man also tun? Man müßte die richtigen Kräfte zusammenführen, die wirklich Widerstand zu entfalten imstande sind. Aber das ist nicht so einfach. Dazu ist das insgesamt in dieser Stadt viel zu bestochen, viel zu sehr dominiert von den ganzen pseudolinken Strukturen, ebenso wie von dem gegenseitigen sich nach vorne Spielen von Rechten und Pseudolinken, die alle beide auf den Massen hier herumtrampeln. Wenn zum Beispiel der Bürgermeister Müller sich für den Anti-Nazi-Aufmarsch bedankt, dann kann man nicht umhin, es auch in diesem Zusammenhang zu bewerten. Wenn sich hier manch einer rühmt, er habe gegen Neonazis und Rechte demonstriert, unter Parolen wie „Deutschland muß sterben, damit wir leben können“, dann muß man sich doch zugleich auch fragen, wofür hat er denn da demonstriert? Was hat er denn auf der anderen Seite dabei unterstützt? Es reicht nicht, sich nur negativ abzugrenzen, ohne zu wissen, in welche Richtung man eigentlich selber gehen will. Kein einziger Mensch auf der Welt kann etwas dafür, in welchem Land, auf welchem Kontinent, in welcher Gemeinschaft er geboren wurde. Das bestimmt man ja nicht selbst. Aber man kann etwas dafür, was man daraus macht, und dafür trägt man auch die Verantwortung. Wenn das Land, in dem ich oder auch andere geboren wurden, sterben muß, damit ich oder auch andere, die hier geboren wurden, leben können, dann kann das ja wohl keine Logik für uns sein. Wessen Forderung, wessen Logik aber ist es dann?
Einseitige Solidaritätsbekundungen, etwa mit der hiesigen Flüchtlingswelle, können dazu nicht wirklich beitragen, zumal sie meistens ganz bestimmten Kräften nutzen und deren Interessen begünstigen. Was weiter bringt, ist hingegen, Überlegungen anzustellen, wie dem Fortschritt in deren Herkunftsstaaten zur Durchsetzung geholfen werden kann.
Das hat unsere Organisation immer so vertreten, auch bereits in den 1960er und –70er Jahren, was uns von den Pseudomarxisten, die nahezu lückenlos in den Grünen aufgegangen sind, unterschieden hat. Bekanntlich sind aber die Grünen heute in einem imperialistisch- kapitalistischen Land wie Deutschland bereits Regierungspartei in einem Bundesland und wollen es auf Bundesebene werden. Was will man mehr. Sie haben ihr Ziel ganz offensichtlich erreicht. Es kann keine Solidarisierung des Proletariats mit vom Imperialismus ausgehaltenen Schichten geben. Würde man dies tun, würde man sich damit selber den Strick imperialistischer Korrumpierung um den Hals legen. Das Proletariat, egal wo auf der Welt es sich entwickelt, hat nur die eine Wahl: unversöhnlicher Kampf gegen das System der Ausbeutung als auch gegen imperialistische Korrumpierung, und sei es auf noch so niedrigem Level. Der Imperialismus kennt keine Gnade. Er hat in Afrika die Ebola-Seuche wüten lassen, obwohl es Mittel dagegen gab (Paßt eigenlich der Kapitalismus noch in das 21. Jahrhundert? -Ebola). Was sollte ihn daran hindern, gegebenenfalls eben solches auch in Europa geschehen zu lassen? Man kann sicher sein, daß darauf nicht verzichtet werden wird, sobald sich der Druck durch vermehrte Arbeitslosigkeit erhöht. Oder auch als Mittel, um Putin von einer weiteren Invasion Richtung Europa abzuhalten wäre das denkbar. Nebenbei könnte man damit die Bevölkerungsstruktur in Europa „bereinigen“, indem die Älteren sterben würden wie Fliegen, als Allererstes. Auch ein solcher verbrecherischer Zynismus ist gewissen Kräften zuzutrauen. Dem Imperialismus ist grundsätzlich jedes Mittel recht, um seine Herrschaft aufrecht zu erhalten. Es ist daher weiterhin für alle am Erhalt und am Fortschritt der Gesellschaft interessierten Menschen nicht nur in Europa dringlicher Handlungsbedarf angesagt! Gestern fanden in Berlin zwei Demonstrationen statt. An keiner der beiden konnte man sich wirklich beteiligen, da beide jeweils sowohl eine richtige als auch eine falsche Komponente drin hatten. Unabdingbar ist zum einen, daß man der Merkelschen Flüchtlingspolitik, die zur Spaltung in Europa auf dem ganzen Kontinent bereits geführt hat, in den Arm fällt. Unabdingbar ist aber zugleich, daß man faschistischen Kräften, die sich diesen Widerspruch zunutze machen wollen, in den Arm fällt. Da das aber beides jeweils gegensätzlich verteilt war, auf den Demonstrationen, gab es keine wirkliche Wahl, denn mit Leuten, die vertreten „Deutschland muß sterben, damit wir leben können“ kann man auch nicht demonstrieren, es sei denn, man wäre wie ein alkoholkranker Mensch, der sich den Alkohol abgewöhnen will und zugleich mit der Schnapsflasche herumläuft.
--------------------------- [1] Unter dieser Losung wurde zur Demonstration gegen den Aufmarsch der Rechten aufgerufen (Demoaufruf). Meldung über die Demo vom 7.5. Tausende protestieren gegen Rechte in Berlin in Frankfurter Rundschau
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Paßt
eigenlich der Kapitalismus noch in das 21. Jahrhundert? -Ebola
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