Yad Vashem und was wir daraus lernen Die soziale Frage ist das Kettenglied Maria Weiß 17.05.2017 Es gibt noch einen weiteren interessanten Artikel in dieser Tagesspiegel Ausgabe und der heißt Yad Vashem – kein Vergessen. Yad Vaschem- das haben wir uns auch auf die Fahne geschrieben, und zwar nachdem der Vorsitzende unserer Organisation mit völlig undurchsichtigen und schwer nachweisbaren Mitteln um das Leben gebracht wurde.[Anmerkung] Aber in diesem Tagesspiegelartikel geht es natürlich um etwas anderes. Es geht um den Holocaust und das Jüdische Museum in Israel. Eines sei vorweg festzuhalten: Selbstverständlich gibt es keinerlei Rechtfertigung für Rassismus, in keiner einzigen Form und selbstverständlich auch nicht der konkreten Form eines antijüdischen Rassismus. Das muß man erstmal vorweg schicken. Weiter geht es eben um die historische Untat des Nazifaschismus in diesem Zusammenhang und welche Schlussfolgerungen man daraus berechtigt ist zu ziehen. Und selbstverständlich ist es das volle Recht jüdischer Menschen, egal auf welchem Erdteil und in welchem Teil der Welt sie sich befinden, diesen Verbrechen ein Denkmal zu setzen und damit auch dazu beizutragen, Vorsorge zu treffen, dass so etwas nicht noch einmal passiert. Allerdings muß man auch in diesem Zusammenhang einige historische Fakten und Erfahrungen fortschrittlicher, kommunistischer und revolutionärer Bewegungen einmal näher beleuchten. Und ich meine damit zum Beispiel Erfahrungen der russischen Revolution von 1917/18 und zum Beispiel eine bestimmte Auseinandersetzung Lenins mit dem so genannten „ Bund“, welcher damals in Russland eine Vereinigung jüdischer Menschen in Russland gewesen ist, mit der Zielsetzung ihre Interessen innerhalb der fortschrittlichen und revolutionären Bewegung zum damaligen Zeitpunkt zu vertreten. Selbstverständlich ist es das Recht einer jeden Gruppierung von Menschen, egal unter welchem Vorzeichen, ob religiösem oder ethnischen, sie sich bildet, an einer revolutionären Bewegung teil zu nehmen, und zugleich auch eigene Interessen oder Rechte zu verteidigen. Allerdings gehört auch dazu, dass sie sich auch in puncto ihrer eigenen Interessen der Kritik stellen muß. Jede Richtung in der Gesellschaft, die sich entwickelt, muß dieses tun. Sie muß sich der Kritik stellen und sich damit auseinandersetzen. Und es gab damals auch eine Kritik an dem „Bund“ in Russland von Seiten Lenins, und zwar an einer ganz bestimmten Ausrichtung dieses „Bund“, und die bestand darin, dass Lenin diesem Bund vorgeworfen hat, separate Interessen über die Interessen der revolutionären Bewegung in dem damaligen Russland zu stellen. Jeder möge selbst beurteilen, ob dieses berechtigt gewesen ist oder nicht. Ein ganz wesentliches Merkmal dieser Leninschen Kritik an dem „Bund“ ist eben gewesen, dass dieser nicht etwa die allgemeinen Interessen der russischen Arbeiter und Bauern im damaligen zaristischen Russland an die erste Stelle gesetzt hat, sondern immer seinen eigenen, ethnisch-religiös bedingten jüdischen Interessen unterzuordnen geneigt war. Man mag selbst beurteilen, ob dies gerechtfertigt war oder nicht, das mag jeder für sich entscheiden. Meiner Ansicht nach ist diese Kritik berechtigt, und es zeigte sich auch im weiteren Verlauf der Geschichte, dass sie immer noch berechtigt ist. Denn es geht einfach nicht, dass eine bestimmte Gruppierung innerhalb einer Bewegung oder auch einer Gesellschaft, egal unter welchem Aushängeschild, ob es ethnisch oder religiös oder sonst wie motiviert, ihre speziellen Interessen über die allgemeinen Interessen zu stellen. Das erstmal ganz prinzipiell zu dieser Frage. Sieht man sich die weitere geschichtliche Entwicklung an, dann kann man heute allerdings sagen, dass sich dieses Prinzip bestätigt hat, denn wenn man sieht, wie bestimmte Kriege, die ursprünglich mal zur Befreiung der Menschen aus den Kolonien des Imperialismus begonnen haben, versackt sind und zunichte gemacht werden durch das An-die-erste-Stelle-Setzen ganz bestimmter religiöser oder auch anderer egoistischer Interessen, wie es zum Beispiel im Mittleren Osten durch den Islam und dessen Instrumentalisierung für die Interessen gewisser Großmächte dort geschehen ist, dann kann man nur sagen: Lenin hatte Recht. Und das gilt eben nicht nur für das Judentum, das gilt für jede Religion, erst recht auch für den Islam. Die heutige Spaltung in der Gesellschaft, egal in welchem Teil der Welt, vollzieht sich inzwischen mehr als je zuvor zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten, und nicht etwa zwischen verschiedenen Ethnien oder Religionen. Von daher ist es gerechtfertigt, jede Bewegung des Widerstands daran zu messen, ob sie diese Priorität berücksichtigt oder nicht. Und da das eben so ist, muß man daraus schlussfolgern, dass Kräfte, die diese Widersprüchlichkeit umdrehen und die Ethnie oder die Religion zur Hauptsache machen, in Wirklichkeit nichts anderes im Sinn haben, als damit dem System der Ausbeutung, den Ausbeutern vor allem entgegen zu kommen, denn in deren Interessen ist es vor allen Dingen, den Widerstand des Gegners zu brechen oder zu spalten, egal ob mittels ethnischer oder religiöser Ablenkung. Wenn eine Bewegung so kommt und sagt: ok, gegen die Ausbeutung sind wir auch, aber wir wollen vor allen Dingen unsere eigenen ethnischen oder religiösen Interessen verwirklich sehen, nicht selten auch in oder mit einem eigenen Staat, dann taugt das eben nichts, es ist falsch. Dann ordnet doch mal gefälligst eure speziellen, egoistischen Ambitionen den allgemeinen Interessen der fortschrittlichen Bewegung unter, sonst kann doch daraus nichts werden, sonst profitiert daraus immer nur der Gegner. Das ist es doch, was man überall auf der Welt an sehr vielen Punkten sehen kann, man nehme doch mal die jetzigen Resultate des arabischen Frühlings im Mittleren Osten als Beispiel. Dazu braucht man nicht sehr viel Kenntnisse oder Verstand, um das zu sehen. Der Imperialismus in seinen diversen heutigen Ausprägungen ist es vor allem, welcher dort profitiert hat, jedenfalls bis jetzt. Oder fangen wir doch an in den Betrieben, in den großen Produktionsstätten des Kapitals, in denen Menschen verschiedener Herkunft und Religion konzentriert sind. Was ist denn das gemeinsame Interesse? Es ist doch das, eine Verbesserung der Lage, höhere Löhne etc. gegen die Ausbeuter durch zu setzen. Oder etwa nicht? Die Herkunft, die Ethnie, die Religion stehen doch dabei an zweiter Stelle, oder etwa nicht? Das haben doch in der Vergangenheit schon große Bewegungen der Arbeiterklasse überall auf der Welt und auch in unserem Land, in Europa in der Geschichte gezeigt. Was hat man denn damals gesagt, bei Ford in Köln zum Beispiel, als gestreikt wurde für höhere Löhne, für bessere Arbeitsbedingungen, wenn da jemand gesagt hätte, es muß aber auch oder gar vor allem die Religion verteidigt werden, es müssen Moscheen gebaut werden etc pp.. Das hätte damals überhaupt keine Chance gehabt, es war einfach nebensächlich, spielte keine Rolle. Solche Leute, die vereinzelt dort damals auftraten, hatten zu recht keinerlei Chance. Das kam erst viel später, nachdem langsam immer stärker, parallel zu dem Abbau der Großproduktion, solche religiösen Kräfte eingesickert sind und vom Staat auf beiden Seiten gefördert wurden, um diesen rückwärtigen Kram gegen den Zusammenschluß und den Fortschritt entgegen zu stellen, leider auch mit beträchtlichem Erfolg, wie man heute konstatieren muß. Dieser wurde übrigens umso stärker, je mehr der deutsche Kapitalismus seine Produktionsstätten ins Ausland, vor allem nach Asien verlagerte und sich somit des Druckes im eigenen Land zu entledigen gelang. Dieses Verhältnis muß man doch einfach zur Kenntnis nehmen, will man überhaupt irgendwie Geschichte verstehen, geschweige denn daraus die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen imstande sein. Ähnliche Phänomene gab es auch in Frankreich als auch in vielen anderen europäischen Staaten. Das Hauptproblem in der Gesellschaft ist nach wie vor nicht etwa das religiöse Problem der Gleichberechtigung, sondern das ökonomische Problem der Gleichberechtigung, das heißt das Problem der Beseitigung des Systems der Ausbeutung. Verwechselt man das miteinander, kann man gesellschaftlich gar nichts gewinnen, sondern nutzt am Ende nur dem eigenen Gegner. Erklärt man aber Religion als auch andere Fragen zur Nebensache, sieht das Verhältnis ganz anders aus, dann hat man eine Chance seine materiellen Grundinteressen weiter zu bringen, und sich nicht an untergeordneten Fragen spalten oder gegeneinander ausspielen zu lassen. Kopftuch oder nicht Kopftuch ist dabei eine Nebenfrage, Hauptsache wir führen einen gemeinsamen Kampf für die Durchsetzung unserer Interessen. Einen Schuß Angst, und nicht nur das sollten wir allerdings dem sozialen Gegner, den Ausbeutern servieren. Die richtige Losung muß daher lauten: für die Vereinigung der ausgebeuteten Kolleginnen und Kollegen aller Länder. Gegen jede religiös begründete und damit erst recht rassistische Separierung! Alle Reaktionäre sämtlicher Staaten sind naturgemäß
von ihrer Klassenstellung her immer motiviert, Letzteres zu fördern.
Das sollte man dabei nicht aus dem Auge verlieren. Der heutige Staat Israel, dessen Existenz und Ursprung auch ein Resultat rassistisch motivierter herrschender Cliquen der Ausbeuterklasse gewesen ist, hat übrigens die Pflicht, diese negative Herkunftshypothek abzulegen und dem palästinensischen Volk, welches er unterdrückt und verdrängt hat, volle Rechte und die volle Gleichberechtigung in jeder Hinsicht zuzugestehen. Alles andere wäre eine Fortsetzung an aller erster Stelle von Rassismus. Aber zugleich auch Unterstützung und eine Perpetuierung der internationalen Spaltung in ausbeutende und ausgebeutete Klassen oder auch Nationen. Auch von der Seite der geschichtlichen Rolle der Religionen her gibt
es gar keine andere Lösung. Man nehme nur das Beispiel Jerusalem.
Dort sind alle drei großen Weltreligionen verankert, haben dort
ihre historischen Symbole. Das kann man nicht auseinander reißen,
da gibt es nur eins: Versöhnung, Zusammenleben unter gleichberechtigtem
Vorzeichen für alle Beteiligten. Für sich selbst aber aus der
nazifaschistischen Unterdrückung und Vernichtung irgendeine besondere
Rolle oder Berechtigung zuschieben zu wollen, ist nicht nur daneben, sondern
geht vor allem auch nach hinten los, denn es ist nicht imstande, das Unrecht
zu beseitigen, sondern würde es in anderer Form perpetuieren. Daß
dafür, für Ersteres natürlich, eine tief greifende soziale
Umwälzung auch und vor allem gegenwärtig in diesem Teil der
Welt erforderlich macht, liegt auf der Hand. Hier lautet es nicht nur:
Rebellion ist berechtigt, sie ist vielmehr unabdingbar.
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