Internet Statement 2017-90

 

Mit der AfD geht es auf jeden Fall nach Hinten los

Wassili Gerhard  02.09.2017    

Die AfD geht nach Hinten los, das kann man dieser Tage wieder sehen. Die AfD ist völlig unakzeptabel und unwählbar, in keiner Weise eine Alternative zu anderen Parteien, weil sie völlig rückwärts gewandte rechte Elemente integriert und sogar neofaschistischen Kräften eine Betätigungsmöglichkeit gibt, die nach und nach immer offener ihre Positionen dort einbringen können. Für jeden, der ein waches Auge für derartiges hat, ist das unübersehbar. Nachdem es die Erfahrung mit dem Hitlerfaschismus gibt, mit dem das Land in die schlimmsten Verbrechen verwickelt wurde und damit auch eine entsprechende Katastrophe beschert wurde, darf man auf so etwas einfach nicht noch einmal hereinfallen. Selbst wenn sie wirklich berechtigte Belange aufgreift, schadet sie der Sache in Wirklichkeit. [1]

Manche mögen vielleicht Illusionen haben, daß diese Partei so etwas wie ein „Zurück zu den Zeiten der sozialen Marktwirtschaft“ bringen könnte. Diese sei angeblich durch die Jugend- und Studentenbewegung, die „68er“ bzw. durch den Einfluß von deren Anhängern ruiniert worden, heißt es da immer wieder - aber das ist demagogisch! Darauf werden wir hier eingehen.


Kann es ein Zurück zu den Zeiten der sogenannten „Sozialen Marktwirtschaft“ wirklich geben, oder ist das ein Betrug?

Diese „Soziale Marktwirtschaft“ wurde nicht durch die Bewegung der „68er“ zerstört, was wohl eine gern verbreitete Legende innerhalb der AfD und darüber hinaus ist, sondern mußte zwangsläufig zu Ende gehen, wurde größtenteils von den gleichen Kräften beendet, die sie auch getragen hatten. Das waren auch internationale Kräfte, die den Erhalt des kapitalistischen Gesellschaftssystems dabei im Auge hatten. Ein degenerierter Teil der „68er“, der sich hat kaufen lassen, hat allerdings eine wichtige Rolle als Vorreiter und Wegbereiter dafür gespielt, daß alle großen Parteien eine Wende vollziehen konnten und sich dahin entwickeln konnten, daß sie heute darum konkurrieren, wer der „Grünste“ ist. Aber die Grünen sind ein Symptom dieser Entwicklung, nicht ihre Ursache. Sie wurden vorgeschickt und ihnen wurde dabei der Weg freigemacht. Im Grunde stehen sie in der Kontinuität der Bestrebungen von den Kräften, die auch zeitweilig eine gewisse „soziale Abmilderung“ befürwortet haben und sie jetzt eben nicht mehr als nötig ansehen.

Es war eine Sonderbedingung in der internationalen Entwicklung nach dem zweiten Weltkrieg, daß Westdeutschland im Kalten Krieg zum „Schaufenster des Westens“ gemacht wurde, um den Sozialismus wirksamer bekämpfen zu können. Der Morgenthau-Plan wurde erst einmal beiseite gelegt, weil damit Westdeutschland negativ abgestochen hätte und die Fluchtbewegung vielleicht in die andere Richtung gegangen wäre. Nachdem das aber seinen Zweck erfüllt hatte, wurde das Ende eingeläutet. Als die Wiedervereinigung im Sack war, war das der Startschuß dafür, die Aufwendungen für Sozialleistungen zurück zu fahren, die Staatskasse für das internationale Kapital zur Plünderung freizugeben und den offenen Weg Richtung mehr Elend, Richtung mehr Dauerarbeitslosigkeit einzuschlagen, dessen materielle Grundlagen man schon viel früher gelegt hatte: Im Bestreben, die sozialen Widersprüche im Inneren zu dämpfen, hatte man bereits einen großen Teil der vorher hier dominierenden Industrie weg verlagert in die Regionen, die man damals noch die „Billiglohnländer“ nannte, und so bereits großen Teilen der Industriearbeiter ihre Existenzgrundlage entzogen.

Aber das wurde zunächst abgefedert, indem man in den entsprechenden Industrieteilen zunächst die unangenehmsten Arbeiten von ausländischen Arbeitern, damals noch Gastarbeiter genannt, machen ließ und den einheimischen Arbeitern eine Aufstiegsperspektive vorgaukelte. Später, als diese Industriezweige dann verlagert wurden, schickte man viele dieser „Gastarbeiter“ in ihre Ursprungsländer zurück und dämpfte damit die Auswirkungen hierzulande. In den 80er Jahren wurden noch riesige Summen aufgewendet, die Folgen dieser Vorgänge auf die lange Bank zu schieben, indem mit solchen Maßnahmen wie Abfindungen, Verlängerung der damals noch unvergleichlich höheren Arbeitslosenunterstützung, Frühverrentung mit vollen Bezügen und Aufblähung des öffentlichen Dienstes, wie auch Aufstockung des Bildungswesens über den tatsächlichen Bedarf hinaus, wirklich mit vielen Bemühungen und Aufwendung von vielen Milliarden die Folgen für viele abgemildert wurden.

Es gab viele Fälle, wo Arbeitende mit 55 Jahren per Aufhebungsvertrag und üppiger Abfindung in die Arbeitslosigkeit geschickt wurden, drei Jahre Arbeitslosengeld bekamen und dann mit 58 Jahren mit vollen Bezügen in Rente gingen. Mir erklärte auch mal jemand, wie er als ehemaliger Lehrer soviel Geld als Arbeitslosenhilfe erhielt, wie ich damals mit Fabrikarbeit verdiente, und sich so materiell abgefedert seinen künstlerischen Neigungen widmen konnte. In großen Betrieben gab es eine Liste mit denjenigen, die demnächst 55 werden und so für einen Aufhebungsvertrag mit Abfindung in Frage kommen. Die Betroffenen meinten nicht, daß ihnen etwas Schlimmes geschieht, sondern eher, daß sie das große Los gezogen hatten. Das war kein Versehen, sondern geschah aus Berechnung. Die Rechnung dafür wurde dann später präsentiert, vor allem in Form der Staatsverschuldung, für die wir alle aufkommen sollen.

Die Einwohner der damaligen DDR bekamen natürlich mit, wie gut es hier den Westlern angeblich ging, da werden auch viele bei Verwandtenbesuchen damit geprahlt haben. Viele werden sicher geglaubt haben, daß sie mit der Wiedervereinigung nun auch in den Genuß solcher Möglichkeiten kommen, daß sie sogar direkt einen Anspruch darauf hätten, weil sie doch so lange im ärmeren Teil Deutschlands gelebt hätten und z.B. die Niederlage im zweiten Weltkrieg viel mehr gebüßt hätten, als die Westdeutschen. An solche Argumentationen kann ich mich noch gut erinnern. Aber da sind sie an der Nase herumgeführt worden. Solange es noch Flüchtlinge gab, wurde wirklich viel getan, damit sie eine Geschichte vom tollen Westen nach Hause rückmelden, aber auf Dauer sollte dieser Aufwand natürlich nicht getrieben werden. Da ist es wie mit dem Esel, dem die Karotte vor die Nase gehalten wird, damit er dahin läuft, wo er soll. Nur daß sie nach dem Einigungsvertrag nicht einmal die Karotte bekamen, die Deindustrialisierung wurde sogar durch die Treuhand in noch radikalerer Form auf die ehemalige DDR übertragen, wobei man auch hier erst einmal viel Geld fließen ließ, um die Folgen nicht sofort zu kraß werden zu lassen.

Im Grunde knüpft die AfD an diesem Betrug an und versucht eine Neuauflage der Karotte, nunmehr eine nur versprochene, gedachte Karotte, nämlich eine real völlig ausgeschlossene Rückkehr zu den Zeiten der sogenannten „Sozialen Marktwirtschaft“. Der Kalte Krieg ist vorbei und der Mohr hat seine Schuldigkeit getan. Das Kapital wird sich nicht die Gewinne schmälern lassen, um hier die Schulden zu tilgen und solche Verhältnisse wieder herzustellen. Die große Drohung durch ein sozialistisches Lager, in dem mehr als die Hälfte der Menschheit lebt, wofür man Derartiges in Kauf genommen hat, ist vorbei. Da hat die AfD übrigens eine Gemeinsamkeit mit der „Linkspartei“, die auch solche illusorischen Zielsetzungen vertritt. Der Kapitalismus muß durch ein besseres System ersetzt werden. Das wird auch Menschen heute klar, die keine Kommunisten sind und nur mutig genug sind, die Dinge zu Ende zu denken.

Woher soll es denn kommen? Dieses Land lebt heute weniger als früher von der Arbeit der eigenen Menschen, von denen hat man einen Teil sogar überflüssig gemacht und auf einen Etat von „zu wenig zum Leben und zuviel zum Sterben“ gesetzt. Die großen Unternehmen, die heute international tätig sind, machen die größten Gewinne im Ausland, und diese Gewinne sind für sie der Maßstab, denn die Konkurrenz ist heute international. An die können sich Unternehmen im Inland nur annähernd heranbewegen, wenn sie hier den Sozialstandard weiter absenken und die Löhne an die Löhne angleichen, die international gezahlt werden. Diese Absenkung des Sozialstandards hatte die AfD anfangs auch mit zur Zielsetzung, schließlich hatte man solche Leute wie Olaf Henkel mit an Bord, aber man läßt solche Themen heute mehr im Hintergrund, weil man damit natürlich manche Wählergruppen, die man ködern möchte, abschreckt. Das ist ein wenig kaschierter Betrug, der nur übersehen werden kann, wenn man nicht genau hinsehen will.

Es ist eher zu befürchten, daß Konzepte wieder aufkommen, auf Kosten anderer Länder hier die Lebensbedingungen zu verbessern, sich auf militärische Abenteuer einzulassen. Das ist zwar auch keine reale Perspektive, denn es wird in der Welt, wie sie heute ist, für die Betreiber nach Hinten losgehen, aber das dicke Ende käme wie immer dann, wenn die Folgen dieses Weges nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Und genau das ist zu befürchten, daß sich solche Kräfte am Ende durchsetzen, die bei aller Demagogie doch wissen, wo es hingehen soll - jedenfalls die Drahtzieher, nicht die Büttel fürs Grobe, die man ins Feld schickt und die nur Werkzeuge sind - weil sich der illusorische Charakter der anderen Scheinkonzepte schon vorher zeigen wird. Und die bewußt reaktionären Kräfte, die sich in der AfD breitmachen, sind deshalb diejenigen, die sich am Ehesten immer mehr durchsetzen, während sich diejenigen, die herumlavieren, irgendwann selbst ein Bein stellen. Und - wie schon bei den Grünen - muß man ebenfalls befürchten, daß die großen Parteien diese Kraft nutzen werden, um selbst einen offeneren rechten Kurs einzuschlagen. Das zeichnet sich auch ab.

Der Kapitalismus war schon vor über hundert Jahren an einem Punkt, wo die Notwendigkeit einer klassenlosen Gesellschaft offensichtlich war. Mehrfach hat sich die Herrschaft des Kapitals nur gehalten, weil den Menschen ein „dritter Weg“ vorgegaukelt wurde, der dann am Ende in einen Schlag gegen die Kräfte, die den Problemen wirklich an seine kapitalistischen Wurzeln gehen wollten, geführt hat. Am Ende aller Vertröstungen und Illusionen steht für die Mehrheit das dicke Ende, wo sie die Folgen ausbaden müssen. Es führt kein Weg drum herum. Es muß den Dingen an die Wurzel gegangen werden.

 

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[1]  Das zeigt sich gerade wieder im Fall Özoguz. Die provokative Äußerung von Aydan Özoguz, Staatsministerin und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, wichtige Mitarbeiterin von Merkel, daß es eine spezifisch deutsche Kultur nicht gäbe, tritt in den Hintergrund und alle können schön ihre Solidarität mit dieser Frau ausdrücken, ohne auf diese Inhalte einzugehen. So wird übrigens im Nachhinein auch deutlich, warum in der Publikation „Miteinander in Vielfalt - Leitbild und Agenda für die Einwanderungsgesellschaft“, wo es um Ergebnisse einer Kommission unter ihrer Leitung geht, genau diese Frage ausgespart wurde. Damit wäre das in seiner Zielsetzung noch deutlicher geworden. Siehe auch den Artikel: Miteinander in Vielfalt? Ja! Aber ohne Selbstverleugnung und Segmentierung der Gesellschaft, ohne Förderung des „politischen Islam“

 

 

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