Die Veröffentlichung des Tschernobyl-Berichts

Zur Verlogenheit der Medienhetze gegen die Kernenergie

Anfang Oktober 1986            

 

Politische Tatsachen:

Die Berichterstattung über den Bericht der Sowjetunion über die Tschernobyl-Ursachen war ein Skandal!

Die Wiederinbetriebnahme der immerhin in enger Nachbarschaft stehenden Reaktoren von Tschernobyl blieb ohne jeden Protest der Anti-Kernenergie-Bewegung, die man besser als eine Demontagebewegung bezeichnen sollte!

Der Bericht sagt aus: Sämtliche Sicherheitssysteme des Tschernobylreaktors wurden vorsätzlich lahmgelegt!

Es wurden Experimente an dem Reaktor durchgeführt!

Erst dadurch entstand die Voraussetzung für die Katastrophe !!!

Der Unfall hatte eine monatelange Medienkampagne zur Folge - kein Thema nahm annähernd so viel Raum ein -Sondersendungen und Sonderberichte in jeder Menge von Mai bis August 86 !

Und jetzt, nachdem die skandalösen Umstände des Unfalls bekannt wurden:    KEINE REAKTION !!!!!


Vor einigen Wochen veröffentlichten die sowjetischen Behörden einen Bericht über die Ursachen der Tschernobylkatastrophe. Diesen versandten sie vertraulich an die Regierungen der westlichen Staaten und an die internationale AtomenergieOrganisation (IAEO). Direkt veröffentlicht wurde er nicht. In der Tat liefert er auch einen merkwürdigen Kontrast zu der monatelangen Medienkampagne, die darauf abzielte, in der Bundesrepublik und anderen europäischen Staaten die Kernenergie durch Kohle und Windmühlen zu ersetzen. Gleichzeitig kündigte die Sowjetunion an, daß sie zwei der verbliebenen Reaktorblöcke im Herbst wieder ans Netz schalten wolle und auch den dritten, „etwas“ beschädigten Reaktorblock in einiger Zeit wieder in Betrieb nehmen wolle.
Wie reagierten nun die ARD und das ZDF und die vielen Zeitungen, die angeblich linken Anti-Kernenergie-Organisationen, auf diese Veröffentlichung? Gibt es eine breite, empörte Reaktion?
Die Reaktion war im wesentlichen: GAR KEINE.

Zu dem veröffentlichten Bericht der sowjetischen Kernenergiebehörden über die Tschernobyl-Katastrophe stellen sich in der Tat gewichtige Fragen. Da läßt man den Reaktor fast 12 Stunden ohne Sicherheitssystem arbeiten, da schaltet man die wichtigsten Sicherheitssysteme des Reaktors alle ab. Da wird das Notkühlsystem in einer unzulässigen Weise ebenfalls stillgelegt. Und das alles zum Zeitpunkt, als man Experimente an diesem Reaktor durchführt, der an einen militärischen Komplex angeschlossen ist.
Die Veröffentlichung dieses Berichtes vor der internationalen Atomenergieagentur hat in der Presse viel Lob erfahren, “wie offen und ehrlich doch die Sowjetunion nun sei“, nachdem sie am Anfang die Weltöffentlichkeit in die Irre geführt hatte. In Wirklichkeit muß einen dieser Bericht in höchstem Maße stutzig machen und kann im Grunde nur folgende Schlußfolgerung zulassen: Was immer die Ursache gewesen ist, daß eine derartig merkwürdige Kombination im menschlichen Verhalten zu diesem Reaktor möglich war, sei es totale Versumpfung des gesellschaftlichen Systems, sei es ein nahezu schon geistiges Weggetretensein der Mitarbeiter oder sei es mehr, sei es Manipulation z.B. von dem militärischen Komplex ausgehend, in jedem Fall ist die Ursache für einen derartigen Unfall, abgesehen von der unzureichenden Bauweise der Kernreaktoren vor allem in dem gesellschaftlichen System, in den unmöglichen Verhältnissen in der Sowjetunion zu suchen, die sich keineswegs nur auf dem Gebiet der Kernenergie zeigen, sondern auch an vielen anderen Dingen. Und darum müßte es eigentlich bei dem Protest gehen.

Es ist doch zu merkwürdig: vor 7 Jahren kam es unter der Carter-Administration in Pennsylvania zu einem schweren Unfall. Und was war die Folge? Die Folge war, daß es eine Massenbewegung, einen Massenprotest in unserem Land gegen das damalige Wiederaufarbeitungsprojekt in Gorleben gab. Nicht in den USA und nicht in Pennsylvania gab es eine solche Massenbewegung, sondern hier. Und was passierte in diesem Jahr? In der Sowjetunion geht unter höchst fragwürdigen Umständen ein Reaktor hoch, und bevor irgend etwas bekannt ist über Ursache und Hintergründe dieses Unfalls gibt es wiederum, gerade in unserem Land, eine Bewegung gegen Kernenergie, wiederum gegen eine Wiederaufbereitungsanlage, diesmal in Bayern. Nicht in der Sowjetunion, nicht in der DDR und nicht in Finnland und noch nicht einmal in vergleichbarem Maße in Schweden gab es eine solche Bewegung, sondern wiederum gerade in der Bundesrepublik Deutschland.
Dabei treten diejenigen Kräfte als Hauptpropagandisten gegen die Kernenergie hervor, wie die SPD und auch die Grünen, die ansonsten die sowjetische imperialistische Außenpolitik und Aufrüstungspolitik abwiegeln und verniedlichen und eben deren Expansionismus begünstigen.

Ein schlechter Mensch, der zwischen diesen Dingen eine Parallele zieht und einen Zusammenhang sieht!


Beobachtungen zur Anti-Kernenergie-Bewegung

Nach der Katastrophe von Tschernobyl konnte man zunächst beobachten, wie die grüne und Alternativbewegung, die früher hunderttausende zur Anti-Akw-Bewegung mobilisierte, kaum, manchmal nur wenige Hundert und manchmal einige Tausend mobilisierte. Insgesamt kam die gesamte Massenbasis der Grünen gar nicht in Bewegung. Erst nach Wochen gelang es, größere Demonstrationen zu organisieren. Vor dem Vorfall von Tschernobyl war die grüne Bewegung regelrecht anti-Akw-müde geworden, nun wurde sie Anfang Mai 1986 mit allen Mitteln wieder angeheizt. Nach dem Unfall begann eine Medienorgie gegen die Kernenergie zu wüten, die in ihrer Dauer und Länge und Penetranz ohne Beispiel ist. Es ist durchweg immer die gleiche Presse, die sich dabei hervortut, die gleiche, die mit ihren Versprechungen von der “Entspannung“ seit 20 Jahren den sowjetischen Revisionismus und seine aggressive Politik, seine Militärpolitik hochgradig begünstigt, die im Grunde der Diplomatie der heutigen Sowjetunion, man könnte besser sagen der alten und neuen russischen Imperialisten, wie auf den Leib geschrieben ist.
Es wurde eine regelrechte Hysterie verbreitet bis dahin, daß man Kinder nicht mehr auf die Spielplätze schicken darf. Wenn man der Propaganda hätte Glauben schenken wollen, dann hätte man meinen müssen, in Deutschland sei ein Kernkraftwerk explodiert, nicht aber in der Sowjetunion. Gezielt wurde durch einen wahren Wust an Meldungen über die angeblich bedrohlichen Werte in den Lebensmitteln, auf dem Boden usw., Kleinhändler und Gewerbetreibende aufgebracht, Mütter und kinderpflegende Berufe verunsichert, was soweit ging, daß Ärzte in völlig unverantwortlicher Weise manchen werdenden Müttern empfohlen haben, wegen Tschernobyl eine Abtreibung zu machen.

Dies veranschaulicht, daß die Tschernobyl-Hetze von oben kommt, von den höchsten Propagandamedien des Landes wie ARD und ZDF, die die bissigen Bemerkungen gegen die Kernenergie in keiner Nachrichten- oder Magazinsendung ausließen, von den “hochangesehenen“ Zeitungen wie “Frankfurter Rundschau“, “Süddeutsche Zeitung“, von Zeitschriften wie “Stern“ “und “Spiegel“. Sämtliche Rundfunkprogramme entfachten von morgens bis abends eine Hysterie, die ohne Beispiel ist.


Mitte Juni 1986 und am 20.7.86 veröffentlichte die Sowjetunion Zwischenbilanzen ihrer Katastrophe und erklärte dabei auch ganz nebenbei, daß sie gedenke, die beiden ersten Blöcke des Kraftwerks Tschernobyl wieder in Betrieb zu nehmen, und sogar der dritte in Mitleidenschaft gezogene Reaktorblock solle beizeiten wieder in Betrieb genommen werden.

Ein Sturm der Entrüstung hätte durch die ganze Anti-Akw-Bewegung gehen müssen, wenn sie ihre Ängste, ihre Sicherheitsbedenken, ihre eigene Argumentation ernst nehmen würden. Nichts dergleichen geschah. Es ist nicht eine Demonstration oder Protestaktion deutlich geworden.
Dies demonstriert sehr gut, daß die Anti-Akw-Bewegung eine Bewegung aus politischen und ökonomischen Beweggründen ist und daß ihre Sicherheitsargumente vorgeschoben sind. Dies zeigt, daß die maßgeblich führenden Leute dieser Bewegung sehr gut wissen, um was es ihr geht, daß sie auch genau wissen, wann sie diese Angst hochzutreiben haben und wann nicht.
Das Wesen dieser Leute besteht darin, die Entfaltung der modernen Produktivkräfte in Europa und namentlich in der Bundesrepublik zu bremsen, sie auf einem “mittleren“ technischen Niveau zu halten und die Abhängigkeit gegenüber dem sowjetischen Revisionismus zu erhöhen. Ein zutiefst konservatives und reaktionäres Element.

Die Sowjetunion kann also an ihrem Reaktor unhaltbare Experimente durchführen, dabei alle Sicherheitssysteme aussetzen, stundenlang den Reaktor ohne Sicherheitssystem stehenlassen, und wenn darin unter diesen Bedingungen eine durchaus nicht mehr unwahrscheinliche Katastrophe eintritt, dann erhebt sich in den angrenzenden westeuropäischen Ländern, vor allen in der Bundesrepublik Deutschland, eine Bewegung zur Abschaltung der Kernenergie im Lande. Diese Bewegung wird von den unmittelbaren Freunden der sowjetischen Revisionisten, der DKP und den dazugehörigen Kreisen aktiv unterstützt. Die Kräfte der Entspannungspolitik, die den “Ausgleich mit dem sowjetischen Expansionismus predigen, stehen an der Spitze derjenigen, die hier die Abschaltung der Kernenergie fordern und den Teufel in Form der Kernenergie ausmalen.

Dies Vorgehen erfreut sich auch noch der besten Unterstützung aus den offiziellen politischen Parteien, nicht nur der SPD und der Grünen, sondern auch erheblicher Teile der Regierung. So erklärte der Außenminister Genscher zu Tschernobyl: Man dürfe die Sowjetunion nicht auf die Anklagebank setzen.
- Obwohl doch deren Treiben, ihre Geheimhaltung ihre Forderungen ein Affront gegen sämtliche Länder waren, obwohl sie größten Schaden in anderen Ländern stiftete, Schäden die eben die gleiche Regierung zu größten Ausgaben zwingt, wegen Verseuchung von Lebensmitteln usw., die eben die gleiche Regierung veranlaßten, scharfe Restriktionen in unserem Lande, das nur verhältnismäßig wenig von der Radioaktivität betroffen war, einzuführen bis dahin, daß die Kinder nicht mehr auf Spielplätze gehen durften, große Massen von Gemüse vernichtet wurden usw.
Aber: die Sowjetunion darf nicht auf die Anklagebank gesetzt werden.
Der Ministerpräsident des Saarlandes, der unter anderem mit der dortigen Kohleindustrie verbunden ist, hat keinerlei Protest oder ernsthafte Einwände gegen die sowjetische Kernenergiepolitik und billigt diese. Er selber aber möchte in raschem Tempo sämtliche Kernenergieanlagen in der Bundesrepublik Deutschland stillegen. In der Außenpolitik betreibt er eine aktive Unterstützung der Aufrüstung und der damit verbundenen politischen Repressionspolitik der Sowjetunion gegenüber Westeuropa. Der gleiche Mann attackiert das Kernkraftwerk von Cattenom gegenüber seiner Landesgrenze und versucht einen Spalt zwischen Frankreich und die Bundesrepublik Deutschland zu treiben.

All diese Dinge sind sehr klar. Die Frage ist nur eine (wir können sie in einem kurzem Flugblatttext nur aufgreifen): Wie kommt es, daß in diesem Lande in den Medien, in den Parteien - SPD, Grüne sowieso, in der gesamten Pseudolinken, die heute vollkommen  degeneriert ist, ja in der Regierung selber, eine derartig starke Strömung zur Begünstigung des sowjetrevisionistischen Expansionismus existiert. Nur ganz wenige Parteien sind wirklich dagegen. Die CSU von Strauß ist darunter zu nennen. Nur ganz wenige Gruppen unter den Linken sind wirklich gegen den sowjetischen Expansionismus. Da ist unsere Gruppe zu nennen.
Wie kommt es, daß dieses Land unter eines derartig starken Einfluß steht, obwohl doch das sowjetrevisionistische System mit seinen Verbrechen gegenüber den Menschen und seinen Vergehen gegenüber den elementarsten Rechten, gegenüber allen Rechten der Arbeiterbewegung, uns direkt vor der Grenze liegt!!!

Das Fernsehen macht aus Schwarz Weiß und hetzt allabendlich die Menschen in diesen Lande gegen die eigenen Produktivanlagen auf, lenkt von den tatsächlichen Gefahren ab und deckt den russischen Revisionismus und Expansionismus nach Strich und Faden.
Das ist die erste Beobachtung und einfache Erkenntnis, die aus der Tschernobylangelegenheit zu ziehen wäre.
Mit diesem Phänomen muß man sich noch viel häufiger befassen.


aus: NEUE EINHEIT Nr.5/86   - als Flugblatt erschienen am 10.10.1986

Schriftenverzeichnis NEUE EINHEIT

 

 

www.neue-einheit.com


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Anläßlich des 20. Jahrestages der Tschernobyl-Katastrophe:
Die Fragen zu Tschernobyl bleiben - Sie müssen geklärt werden
IS 2006-29 - 22.4.06

10. Jahrestag der Tschernobyl - Katastrophe:
Die entscheidenden Fakten gehören endlich in die Öffentlichkeit
NEUE EINHEIT Extrablatt Nr.25 vom 7.04.1996

Die Bedeutung des sog. Konsenses über die Stillegung der Kernenergie
Memorandum von Hartmut Dicke
7. Juli 2000

 


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