Dem Attentat auf den Präsidenten der Demokratischen
Republik Kongo, Laurent-Désiré Kabila, gingen Meldungen
voraus, die USA planten für dieses Jahr einen entscheidenden
Schlag gegen die Demokratische Republik Kongo. Zuerst sollten
Anfang 2001 Chaos und Desorganisation angezettelt werden, um später
neue Interventionstruppen nahe bei den wichtigsten Zentren ins
Land eindringen zu lassen. Auch sollen nach kongolesischen Pressemeldungen
ugandische Kommandogruppen in der Zeit vor dem Attentat in die
Hauptstadt Kinshasa eingesickert sein und ugandische Quellen zuerst
die Meldung vom Tode Kabilas verbreitet haben. Und nahezu alle
Beobachter sind sich einig darin, daß Uganda wie auch Ruanda
nur durch die Rückendeckung der USA in der Lage sind,
ihre Aggression im Kongo so lange mit dieser Intensität aufrecht
zu erhalten. Auch die kurz nach dem Attentat erschienene Meldung,
daß Belgien Fallschirmjäger bereithalte, um "die
dort lebenden Belgier außer Landes zu bringen", paßt
sehr gut dazu.
Verschiedene Stimmen im Ausland kündigten Chaos
und Desorganisation als Folge dieses Anschlages an. Schon der
Zeitpunkt des Mordanschlages scheint nicht zufällig zu sein,
der Vortag des vierzigsten Jahrestages des Mordes an Patrice Lumumba,
erster Ministerpräsident des Kongo. Dieser Mord gerade ein
Jahr nach Erlangung der Unabhängigkeit, bei dem die CIA und
die belgische Kolonialmacht die Fäden zogen, ist auch mit
der Erinnerung an imperialistische Interventionen und blutige
Wirren und Sezessionskriege verknüpft. Auch die zuerst verbreitete
Meldung, Kabila sei während eines Streites mit seinen Generälen
erschossen worden, und die Bekanntgabe seines Todes zu einem Zeitpunkt,
als er wahrscheinlich noch lebte, stammen aus dem Arsenal der
Propagandawaffen, einen Putsch im Lande anzuheizen, die Widersprüche
im Lande zuzuspitzen. Die unterschiedlichsten Gerüchte machen
in den letzten Tagen die Runde, geeignet, jeden gegen jeden im
Lager des Kongo und seiner Alliierten aufzuhetzen. Das von diesen
Kreisen gewünschte Chaos blieb aber vorerst aus.
L.-D.Kabila war der letzte noch lebende bekannte Mitstreiter
des Nationalhelden Lumumba, der für die Unabhängigkeit und Integrität
des Landes gefallen war, eine wichtige führende Persönlichkeit mit
Integrationskraft. Weil er eine möglichst selbständige Entwicklung
des Landes durchsetzen und vor allem der Verschleuderung der reichen Bodenschätze
ein Ende setzen wollte (neben Diamanten und vielen anderen wertvollen Mineralien
befindet sich ein erheblicher Teil der bekannten Uranvorräte der Welt dort)
und zu diesem Zweck den Abbau und Export unter strenge staatliche Kontrolle
stellte, war Kabila den Kräften der weltweiten kapitalistischen Ausbeutung
ein Dorn im Auge. (Siehe auch unser
IS 99-19 und die dort wiedergegebene Rede
L.-D. Kabilas )Anfangs seines Feldzuges zum Sturz des
Mobutu-Regimes war er noch mit Unterstützung von Uganda und Ruanda und
einem gewissen Wohlwollen der USA bedacht worden, da die Tage Mobutus auf jeden
Fall gezählt waren: das Regime hatte vollkommen abgewirtschaftet, die Infrastruktur
des Landes war völlig zugrunde gerichtet, auch physisch ging es mit Mobutu
zuende. Nachdem die Regierung Kabila sich aber nicht bereit zeigte, den Statthalter
zu spielen, änderte sich dies bald. Die neue Regierung entwickelte Konzeptionen
für einen Weg zur Entwicklung des Landes aus eigener Kraft, (siehe die
Ansprache Kabilas an die Vertreter der
Komitees der Volksmacht vom 21.Januar 1999 ).die Truppen Ugandas und Ruandas
sollten das Land wieder verlassen. Der Kongo unter Kabila ergriff auch die Initiative
zu einer vereinigten Wirtschaftszone in Zentralafrika, um dem internationalen
Diktat des IWF und der großen imperialistischen Mächte ein Gegengewicht
entgegenzusetzen.
In der Zeit danach wurde dann aus den seit längerem andauernden Bürgerkriegen in und um die Kivu-Provinz an der Grenze zu Uganda, Ruanda und Burundi ein Krieg zur Okkupation des Kongo und zum Sturz der Regierung Kabila angefacht. Waren es erst vor allem Konflikte der Nachbarstaaten, die von großen Flüchtlingsströmen und ethnisch verwandten Bevölkerungsgruppen auch auf das kongolesische Gebiet übertragen wurden, voran der bekannte Konflikt zwischen militanten Hutu- und Tutsigruppen, der bisweilen militärische Operationen in das Nachbargebiet zur Folge hatte, so griffen nun in einem ganz anderen Umfang ugandische und ruandische Truppen ein, in Zusammenarbeit mit von den Invasoren gesponserten "oppositionellen Rebellengruppen", vielfach auch getragen von alten Mobutisten und Militärmachthabern, die in dem Kongo unter Kabila nicht genug zum Zuge kamen, nun mit dem offenen Ziel der Beseitigung der Regierung Kabila. Diese Kräfte, die in den von ihnen kontrollierten Gebieten ein grausames und beutegieriges Regime errichtet haben, sind eine schwere Bürde für die ansässige Bevölkerung, die sich auf verschiedene Weise wehrt, manchmal in ihrer Verzweiflung mit Buschmessern, Knüppeln oder gar Pfeil und Bogen.
Dieser Krieg soll bisher direkt und indirekt über 2 Millionen Opfer gekostet haben. Von der Demokratischen Republik Kongo, diesem Land von der Größe Westeuropas, aber mit nur ca. 48 Millionen Einwohnern, wovon allein über 10 % in der Hauptstadtregion leben, haben die Aggressoren und ihre Verbündeten etwa die Hälfte unter ihrer Kontrolle. In den okkupierten Gebieten, angrenzend an Uganda, Ruanda und Burundi, ca. 1000 Kilometer von der Hauptstadt entfernt, gibt es lukrative Vorkommen an Bodenschätzen, die von den Okkupanten ausgebeutet und auf dem Weltmarkt verkauft werden. Der dem Kongo aufgezwungene Krieg zehrt die Kräfte des Landes, das zuvor schon in einem desolaten Zustand war, weiter aus und unterminiert die Bestrebungen zur selbständigeren Entwicklung.
Auf der Seite der Demokratischen Republik Kongo leisten
Angola, Zimbabwe und Namibia militärische Unterstützung.
Dieses kollektive militärische Vorgehen mehrerer afrikanischer
Staaten gegen Neokolonialismus ist von großer Bedeutung.
Die Lage im Kongo, die Erwartung von Chaos und Desorganisation beflügelt kolonialistische Phantasien - auch in unserem Land. Die Berliner Tageszeitung "Der Tagesspiegel" brachte in ihrer Ausgabe vom 19. Januar 2001 auf der ersten Seite einen Kommentar zur Lage in Afrika betitelt: "Für einen neuen Kolonialismus" (!). Länder wie Mozambique und Sierra Leone, in denen heute die wichtigsten Positionen von britischen Spezialisten besetzt seien, werden dort als Vorbild hingestellt. War der für Afrika so wichtige Krieg im Kongo vorher kaum mal eine Zeile wert, so nahmen jetzt die Schmähartikel gegen den ermordeten Kabila deutlich mehr Raum ein. In einem anderen Artikel des Tagesspiegel vom 18.01.2001 "Das Ende eines Hoffnungsträgers" werden sogenannte "Fehler" Kabilas in einer offenen Sprache aufgezählt:
"... dass er Vertrauen jener ausländischen Investoren zerstörte, die nach seiner Machtübernahme Interesse an der Minenindustrie zeigten." (Darunter American Mineral Fields - AMF. Nach dem Scheitern eines Multi-Milliarden-Deals wurde von dieser Seite schon seit Jahren zum Sturz Kabilas aufgerufen.)
"...verärgerte Kabila mit seiner Willkür und fehlenden Reformbereitschaft die ausländischen Geberländer. Seine Weigerung, zur Beilegung des Bürgerkriegs im eigenen Land enger mit den Vereinten Nationen zu kooperieren, hatte zur Folge, dass sich das Ausland nicht dazu durchringen konnte, Kongo bei der Rückzahlung seiner enormen Auslandsschulden von mehr als 15 Milliarden US-Dollars zu helfen."
D.h. weil er sich mit den alten Mobutisten und den Verbündeten der ausländischen Intervention, die den Ausverkauf der Reichtümer des Landes betreiben, nicht wieder zusammentun wollte, weil er seine Souveränität nicht einschränken lassen wollte, wie das die UNO und der Westen fordern, setzte man die finanziellen Daumenschrauben an.
"Kabilas Hauptfehler bestand aber darin, genau jene Verbündeten zu vergraulen, denen er die Machtübernahme im Mai 1997 zu verdanken hatte: die Regierungen der östlichen Nachbarstaaten Uganda und Ruanda." (Und die hinter ihnen stehenden USA)
Und schließlich heißt es noch:
"Niemand kämpft in dem Land heute mehr
für Demokratie oder die Wiederherstellung von Recht und Ordnung.
Wie in alten kolonialen Zeiten geht es den Kriegsparteien allein
um die Plünderung der Bodenschätze, allen voran Diamanten,
Gold, Kobalt, Kupfer und Uran." Soll wohl heißen: Es
gibt keine legitime Macht im Lande, eine ausländische Intervention
soll so gerechtfertigt werden. Aber dem "neuen Kolonialismus"
geht es dabei natürlich überhaupt nicht um die Bodenschätze!
Erklärte man den Kongo schon Ende des 19. Jahrhunderts zum weißen Fleck auf der Landkarte und veranstaltete internationale Konferenzen der imperialistischen Mächte zu seiner Aufteilung, so ist auch heute wieder von einer "dunklen Zone" die Rede -"The Heart of the Darkness" titelte der britische "Economist" - , wo alle politischen Kräfte "nur die Bodenschätze ausbeuten" wollten. Relativ offen wird der Tod Kabilas begrüßt. Selbst Belgien tritt heute bereits wieder mit einer gewissen Arroganz in der Region auf. Man hätte den Kongo "zu früh allein gelassen", heißt es ausgerechnet seitens der früheren Kolonialmacht, die den Kongo gleich nach der erkämpften Unabhängigkeit 1960/61, in Zusammenarbeit mit anderen Imperialisten mit Mord und Bürgerkrieg überzog, als ihnen die Richtung der Entwicklung nicht paßte. Die Belgische Tageszeitung "Het Laatste Nieuws" schrieb am 17.Januar 2001 laut dpa zum Tode Kabilas:
"Die Welt wird bestimmt besser sein ohne diesen Mann. Aber ob die Bevölkerung Kongos einer besseren Zukunft entgegengeht, ist nicht sicher. (...) Sie verdient es nicht, so zu leiden. Belgien könnte vielleicht versuchen, die Lage definitiv zu ändern."
Diese Fürsorge kennen die Kongolesen. Als 1885
auf einer internationalen Konferenz in Berlin der Kongo dem belgischen
König Leopold als Privatkolonie zugesprochen wurde, ging
es auch angeblich um die "Entwicklung des Handels und der
Zivilisation" und die Unterbindung der Sklaverei (die Afrika
Dutzende Millionen Menschen kostete, ein beträchlicher Teil
davon auch aus dem Kongogebiet. Der kleinere Teil davon kam lebend
an seinen Bestimmungsort, vor allem auf dem amerikanischen Kontinent).
Und so machte der fürsorgliche Leopold die Kongolesen zu
seinen Privatsklaven, ständig traktiert mit der Nilpferdpeitsche
und bedroht von Handabhacken und anderen Terrormaßnahmen,
wenn z.B. das Soll an Naturkautschuk nicht abgeliefert wurde.
Die Bevölkerung ging in der belgischen Kolonialzeit um 10
Millionen Menschen, damals etwa 50 %, zurück. Aber im heutigen
Belgien, das gleichzeitig die Zentralen von NATO und Europäischer
Union beherbergt, gibt es heute wieder Stimmen, daß
dieses Land, das es nicht schafft, innerhalb von 5 Jahren einen
ordentlichen Prozeß gegen einen gewerbsmäßigen
Kindermörder und Kindesmißbraucher zustande zu bringen,
im Kongo "für Ordnung sorgen" sollte.
Kabila hatte hundert Mal recht, wenn er auf einer
unabhängigen Entwicklung bestand. Dieses potentiell reiche
Land war seit langem ein Spielball und Ausbeutungsobjekt ausländischer
Mächte. Auch mit der UNO hat der Kongo seine sehr traurigen
Erfahrungen gemacht. Hier, im Herzen Afrikas, achtete sie ganz
besonders darauf, daß keine zu unabhängige Entwicklung
vonstatten geht. Dieses Land muß endlich seine Geschicke
ohne Einmischung durch imperialistische Kräfte selbst regeln
können. Dies ist auch ein Kettenglied für die Entwicklung
ganz Zentralafrikas. Es ist zu hoffen, daß auch weiterhin
die Eigenständigkeit bewahrt wird und die gerechten Ziele
des kongolesischen Volkes in der ganzen Welt Unterstützung
finden werden. Jede imperialistische und kolonialistische
Intervention ist zu verurteilen und zu bekämpfen.
Inzwischen ist der neue Staatspräsident Joseph
Kabila gleich nach seiner Ernennung in den USA empfangen worden,
ist nach Frankreich und nach Belgien geflogen. In einigen öffentlichen
Flugblättern ist eine solche Entwicklung bereits gegen Ende
des Jahres 2000 angedeutet worden. Es heißt jetzt, daß
sich alle ausländischen Truppen aus dem Kongo zurückziehen
sollen. Die Nagelprobe kommt aber erst noch, wenn die ökonomische
Gesetzgebung der neuen Regierung bekannt wird. Keine Regierung
kann sich den objektiven Widersprüchen entziehen, und eines
steht jetzt schon fest: Die neuen Kolonialisten mögen ihre
Pläne machen, aber sie werden keineswegs so verlaufen, wie
sie spekulieren. Dazu hat Afrika in den letzten Jahrzehnten viel
zu viele Erfahrungen gesammelt.
Redaktion Neue Einheit
W.Gerhard
Anfang Februar 2001