Bemerkenswerte Punkte, Zitate und Meldungen zur Wahl

 

Internet Statement 2002-28


Die Umstände der Wahl

2.Oktober 02                        


Man darf die Tatsache, daß diese Regierung noch einmal gewählt worden ist, nicht unterschätzen. Vier Jahre lang hat diese Regierung bereits eine Menge von Blockaden gegenüber der ökonomischen Entwicklung dieses Landes erwirkt, das heißt die Entwicklung des Kapitalismus zusätzlich gehemmt, was zum Nachteil der überwiegenden arbeitenden Mehrheit ausschlägt.

Sie hat eine Fülle von ökonomisch wahnwitzigen Maßnahmen erlassen und ihre eigene Klientelwirtschaft, die unter dem Deckmantel ihrer "sozialen und ökologischen Reformen" läuft, begünstigt. Es gab breite Bevölkerungsteile, die diese Regierung klar abgelehnt und ihren Protest gegenüber der Abwürgung der Ökonomie zum Ausdruck gebracht haben. Trotzdem ist es ihr gelungen, wiedergewählt zu werden.

Ein großer Teil der Arbeiter befindet sich unter den ‚Ausländern' im Land, d.h. sie sind ohne staatsbürgerliche Rechte und können insofern keinerlei Niederschlag im Wahlergebnis erwirken. Ein erheblicher Teil von diesen ist durch ein kulturelles Umfeld beherrscht, das es ihnen verwehrt, sich am politischen Leben zu beteiligen. Noch wichtiger ist, daß ein sehr großer Teil der Lohnarbeit, der die Profite erbringt, heute außerhalb des Landes und sogar außerhalb der EU stattfindet, ein Umstand, den man bei der Analyse der Wahl überhaupt niemals außeracht lassen darf. Auch von den deutschen Arbeitern sind viele derart von allen Parteien abgestoßen, daß sie gar nicht zur Wahl gehen. All dies sind Gründe, warum die kleinbürgerlichen Phraseologien in diesen Wahlen so dominant sind.

Diese Regierung trägt entscheidende Mitverantwortung an den Verhältnissen, die derweil an Blockade der ökonomischen Entwicklung in ganz Europa grenzen, was durchaus schon Einwirkungen auf die Weltkonjunktur hat. Der Kapitalismus bedeutet schon für sich Krisen und Zusammenbrüche, hier kommen noch weitere Momente einer vorsätzlichen Einschränkung hinzu, die diese Formen von Bürokratie und Ultrareaktion in sich tragen.
Wir können seit 20 Jahren beobachten, wie ein Kapitalismus mit Raubbau an der Substanz sich breitmachte.
Diese Stagnation des Kapitalismus bezahlen in letzter Konsequenz die Arbeiter in den Ländern hier, aber auch die in den neuindustrialisierten Ländern. Denn sie sind es, die von allen am Ende der Kette zur Kasse gebeten werden. Auch die Frage der demographischen Entwicklung, die sich mit jedem Jahr in härterer Konsequenz auftut, hängt damit eng zusammen.

Dieser Kanzler, der - wie man schon zu Recht betont hat - alle Arten von Versprechen gebrochen hat, und sein kleiner Koalitionspartner, der zwischenzeitlich selbst zu dem Gespött der Mitglieder der eigenen Partei geworden ist, haben diese Wahl noch einmal gewonnen! Deswegen lohnt es sich, die Faktoren, die ihnen dies ermöglichten, noch im einzelnen zu verfolgen und auch Fragen nach Hintergründen zu stellen, die noch nicht vollkommen offen liegen.

Erinnern wir uns daran, daß Schröder nach der Propaganda um den "Flutbewältiger Gerhard Schröder" und seinem Auftritt als plötzlicher Gegner des Irakkrieges, die ihm zunächst einen Aufschwung brachten, in Schwierigkeiten kam. Auf der Konferenz in Johannesburg isolierte sich diese Regierung mit ihren "ökologischen" Energievorschlägen sehr stark. Selbst die Regierung der USA konnte unter diesen Bedingungen gegenüber der deutschen noch Punkte machen. "Deutschland scheitert auf dem Weltgipfel mit Vorschlägen zur Energiepolitik" und ähnliche Losungen waren dort zu hören. Die Effekte der Propaganda für die Schröder-Regierung in puncto Flut und Irakkrieg begannen ca. zehn Tage vor der Wahl zu zerschmelzen, die inneren Widersprüche begannen wieder in den Vordergrund zu rücken.
Am 16.9 aber meldete sich gewissermaßen das Kapital selbst zu Wort in Form eines Artikels in der Financial Times Deutschland, in der faktisch alle Parteien ziemlich schlechte Noten bekamen bis auf eine. Das waren die Grünen. Sie waren ihre Musterpartei. Solch ein Auftritt kam nicht von ungefähr, wurde doch gleichzeitig im "Handelsblatt" schon seit längerem betont, daß etwa 90% der Unternehmensführer gegen Schröder seien wegen der stagnativen Auswirkungen seiner Regierung auf die gesamte Ökonomie.
Es war für uns auf Grund von Betrachtungen, welche Gruppierungen sich gegenüberliegen, schon mehr oder minder klar, daß das Kapital in seiner Gesamtheit und mitsamt seinen staatlichen Verzweigungen die rot-grüne Koalition durchsetzen würde.

Diese Wahlen sind kein Ausdruck des Willens des Volkes, höchstens in ganz marginaler Form. Sie werden im wesentlichen durch die Propagandaapparate beherrscht und lassen dem Wahlbürger, der erzwungenermaßen in seinem täglichen Arbeitstag und seinen Alltagsgeschäften steckt, der niemals alle die Einzelheiten im Hintergrund verfolgen kann, erstmal keine Chance, all die Dinge, die hinter den Kulissen laufen, zu durchschauen.
Schröder würde auch deswegen die Wahl gewinnen, weil es noch nicht einmal innerhalb des bürgerlichen Systems eine irgendwie nennenswerte Alternative geben würde. Die CDU unter Stoiber paßte sich in sehr vielen Fragen der Schröder-Regierung an; man konnte kaum feststellen, wo es nennenswerte Unterschiede gibt, selbst in solchen Fragen wie den sogenannten erneuerbaren Energien oder der Liquidierung der Atomenergie nicht, die eng mit ökonomischen Stagnation zusammenhängen. Das allerdings würde auch eine prinzipielle Diskussion erfordern. Trotz Rhetorik unterließ die CDU/CSU es, ausreichend und frühzeitig irgendwelche prinzipiellen Fragen selbst auf bürgerlicher Ebene gegenüber der SPD zu stellen. Ein Teil der CDU schielte von Anfang an auf eine große Koalition. Diese Parteien fürchten, daß sie durch einen zu heftigen Wahlkampf selbst Fragen aufrühren, die dann zu einer intensiven Diskussion in der Bevölkerung führen, die dann auch ihre Politik mit hinterfragt. Aus diesem Grunde konnten derartig bankrotte Parteien wie die SPD und die Grünen ihre Regierung fortsetzen. De fakto bildet dies eine Diktatur des Zerfalls, die entsprechende ökonomische Resultate zeitigt.

Deshalb erfüllte sich in der Wahlnacht das, was man erwarten mußte. Es gab den wundersamen Erfolg der Grünen, den niemand richtig erklären kann und der entgegen allen Erwartungen und der Selbsteinschätzung der Grünen selbst steht. Eine Partei, die vieles von dem, was sie vorher gesagt hatte, mit Füßen getreten hat und ihre Mitglieder betrogen hat, wird trotzdem noch mit einem Erfolg belohnt. Bei den Grünen ist das noch extremer als bei der SPD. Deshalb ist es durchaus von Belang, was sich in dieser Wahlnacht getan hat und zutage getreten ist. Derweil die Regierung erwartungsgemäß ihrer ersten Steuer- oder "Spar"programme lanciert, sollten weder der Vorgang, wie diese Regierung dran geblieben ist, noch was sich bei den Wahlen zeigte, vergessen werden.

 

Auffälliges am Wahlabend

Zwei Fragen erfordern das besondere Augenmerk, um das Wahlergebnis auch von seiner zahlenmäßigen Seite in das richtige Licht zu rücken. Dies sind die Frage der Leihstimmen und die Frage der Briefwahlen, die inzwischen auch quantitativ eine außerordentliche Rolle bei diesen Wahlen spielen.

Schon bei den Hochrechnungen fiel auf, daß die ARD um etwa 20.15h einen Schwenk machte. Nachdem sie zuvor der CDU die Mehrheit zugesprochen hatte, fiel auf einmal das Ergebnis erheblich anders aus, die CDU fiel von 39,5 auf 38,8 herunter, das Ergebnis der SPD stieg entsprechend an, was sich im weiteren als ausschlaggebend herausstellen sollte. Man muß vermuten, daß dieser Sprung durch die Hereinnahme der Briefwahlstimmen bei der ARD entstanden ist, vorher war dies wohl nicht in der Hochrechnung erfolgt. Die Briefwähler machen derweil 20% aller abgegebenen Stimmen aus. Bei den Briefwahlen waren in der Vergangenheit immer wieder die meisten Fälle von Manipulation bei Wahlen vorgekommen, und das ist nicht zufällig. Die Auszählung im Wahllokal geschieht vor Zeugen und ist öffentlich, sie wird so vorgenommen, daß eine Manipulation von Stimmen äußerst schwierig ist. Die Briefwahlstimmen werden nicht innerhalb des Stimmbezirks, dem sie zugehören, ausgezählt, obwohl sie dort registriert sind, sondern sie werden in besonderen Briefwahlbezirken ausgezählt. Ihre Auszählung findet also sehr oft im Hinterstübchen statt, wo kaum verschiedene Kräfte kontrollieren.
Es mutet schon merkwürdig an, wenn mehrere Führer der SPD am Wahlabend betonten, sie setzten auf die Briefwahlstimmen, wie das z.B. von Schröder, aber auch von dem - zur Zeit der Wahl - Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Stiegler, zu hören war. Es ist auch ein bemerkenswertes Phänomen, wenn sich die Zusammensetzung der Briefwahlstimmen erheblich von der der übrigen Stimmen unterscheidet. Aufgrund von was haben maßgebliche Leiter der SPD die Einschätzung, daß ihnen die Briefwahlstimmen die Mehrheit im Parlament bringen? Dieser Frage sollte man nachgehen, meinen wir.

Zur Frage der Kontrolle des Ergebnisses sollte man noch Weiteres berücksichtigen:
das konkrete Gesamtergebnis ist nicht wirklich nachprüfbar, weil die Stimmbezirke im vorläufigen amtlichen Endergebnis nicht im einzelnen aufgestellt werden. Im heutigen elektronischen Zeitalter wäre es selbstverständlich, daß das vorläufige amtliche Wahlergebnis spätestens einen Tag nach der Wahl mit allen Einzelergebnissen, die zur Verfügung stehen, d.h. den einzelnen Stimmbezirken, aufgeführt wird und z.B. auf einer CD für alle Bürger gegen ein geringes Entgelt verfügbar ist. Dann kann auch jeder Wahlhelfer nachprüfen, ob die Eintragung auf dieser CD z.B. mit seiner persönlichen Notiz des Wahlergebnisses, das ja im allgemeinen an die Tafel geschrieben wird, übereinstimmt. Ergibt sich hier und da gegenüber dem endgültigen Ergebnis noch, daß hier eine Stimme fehlt und dort eine einzelne Stimme wieder hinzukam, dann wird sich niemand darüber aufregen; ein vorläufiges amtliches Endergebnis kann natürlich in ganz geringfügigen Punkten abweichen. Aber daß dieses vorläufige amtliche Endergebnis gar nicht genau nachvollziehbar ist, daß erst Wochen später ein zurechgeschniegeltes und dann auch noch schwer verfügbares endgültiges Wahlergebnis mit allen Stimmbezirken zur Verfügung steht, ist in der Tat zu wenig.

Die Leihstimmen

Auf fast allen Titelseiten der Zeitungen nach der Wahl wie auch in den Berichten des Fernsehens prangten die "glücklichen Sieger" Schröder und Fischer, und ganz besonders Fischer auf der ersten Seite bzw. im Mittelpunkt der Sendungen. Was hat es mit diesem wundersamen Sieg der Grünen, mit dem niemand rechnete, auf sich? Gab es eine Stimmung in der Bevölkerung, doch Grüne zu wählen? Haben sie unter der Jugend oder anderen Bevölkerungsteilen auf einmal einen Schwung für sich mobilisieren können? Oder haben wir darin zu sehen, was schon ein ZDF-Kommentator am Wahlabend zwischendurch feststellte:

"Beide Parteien, Grüne und FDP, haben von taktischen Wählern profitiert. Wir wissen, daß 30% der Grünen-Wähler sich eigentlich mit einer anderen Partei, nämlich mit der SPD identifizieren. Die haben taktisch gewählt, um diese rot-grüne Koalition über die Grünen zu stärken. Und einen ähnlichen Anteil von 25% etwa, Leihwähler, wenn man so will, sehen wir bei der FDP, taktische Wähler."

Die Sache ist nicht nur eine einzelne Bemerkung, sondern wir finden sie vorbereitet. So heißt es schon in einem Artikel des "Tagesspiegel" v. 15.11. 2001, als es um die Frage der Zustimmung zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr ging:

"Erst allmählich spüren die Einsatzgegner [bei den Grünen] , was Joschka Fischer sowie der Parteiführung schon seit Montag klar ist: Neuwahlen können sich die Grünen nicht leisten - sie würden Anfang 2002 kaum über die Fünfprozenthürde kommen. Denn bei den regulären Wahlen im Herbst dürfte der kleine Koalitionspartner mit Leihstimmen von SPD-Wählern rechnen, die eine Fortsetzung von Rot-Grün wollen. Diese Unterstützung aber würde wegfallen, wenn die Grünen selbst die Koalition sprengen."

Nun, die Grünen haben entsprechend dieser Forderung reagiert, und sie haben nun den Lohn auch für diese Haltung bekommen. In anderen Artikeln ist davon die Rede, daß fast 500.000 Stimmen von eigentlichen SPD-Wählern zu den Grünen gewandert sind, so daß man sich über den "Wahlerfolg" der Grünen nicht zu wundern braucht. Es hat allerdings nichts mit einer gewachsenen Stimmung zugunsten der Grünen zu tun, sondern mit einem taktischen Manöver der SPD.

Die SPD hat massiv Stimmen abgegeben an die Grünen, das dürfte wohl feststehen, und weshalb setzte sie so sehr auf die Briefwahlstimmen? Diese Frage muß man stellen.

In den folgenden Beiträgen werden Zitate aus der Wahlnacht und aus den Presseorganen gebracht, sowie einzelne Informationen, die wir aus anderen Quellen erhalten haben. Wir beabsichtigen auch, eigene Einzelnotizen zur Wahl zu veröffentlichen. Jeder, der weitere Beobachtungen gemacht hat, sei es vor Ort, sei es in der Beobachtung der Medien, vor allem des Fernsehens, hat hier die Möglichkeit, uns diese mitzuteilen, möglichst mit wörtlichen Auszügen und Nennung der Quelle. Wir werden das dann nach kurzer Prüfung ebenfalls auf unsere Homepage stellen, um eine möglichst große Sammlung aller bemerkenswerten Punkte über die Wahl zu bekommen.

Immerhin ist diese Wahl doch etwas sehr Entscheidendes, wir meinen, daß das Zustandekommen einer solchen Wahl auch dieses ganze Land etwas angeht.

Redaktion Neue Einheit

Bemerkenswerte Punkte, Zitate und Meldungen zur Wahl

 

 

www.neue-einheit.com                                      verlag@neue-einheit.com