Der Kongo im Brennpunkt von neokolonialer Ausbeutung und Kämpfen um Einflußsphären - Gegen die EU-Intervention im Kongo

Internet Statement 2003-33

Der Kongo im Brennpunkt von neokolonialer Ausbeutung und Kämpfen um Einflußsphären

- Gegen  die  EU-Intervention  im  Kongo

Die Bundesrepublik hat sich an einer Interventionstruppe im Osten des Kongo beteiligt. Diese Truppen wurden von der UNO erbeten, werden aber, was ein Novum darstellt, direkt unter dem Kommando der EU stehen, also weder NATO- noch Blauhelmtruppen sein. Sie sollen angeblich eine Lücke bis zur geplanten Erhöhung der Monuc-UN-Truppen auf 11 000 Mann im September überbrücken.. Es drängt sich der Eindruck auf, daß die Umformung der europäischen Armeen in "internationale Interventionskräfte", wie sie sich auch in der kürzlich verabschiedeten neuen Militärdoktrin der Bundesrepublik niederschlägt, hier hastig in die Praxis umgesetzt werden soll. So wird denn auch die Teilnahme an der Intervention neben der "humanitären" Rhetorik damit begründet, daß die Bundesrepublik nicht beiseite stehen könne, wenn wichtige europäische


Frühere Artikel zu diesem Thema:


Internet Statement 99/19
Ein wichtiges Dokument aus Afrika erstmals in deutscher Sprache:
Ansprache des Präsidenten der Demokratischen Republik Kongo Laurent-Désiré Kabila vom 21. Januar 1999


 Internet Statement 2001-05
Zum Mord an Laurent D. Kabila
Gegen Imperialismus und Kolonialismus!

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Der im Text erwähnte UNO-Bericht über die Plünderung der Demokratischen Republik Kongo:
Final Report of the Panel of Experts on the Illegal Exploitation of Natural Ressources and Other Forms of Wealth of the Democratic Republic of the Congo
(Oktober 2002)
Achtung, große PDF-Datei!

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Eine umfangreiche deutschsprachige Informationsquelle mit Nachrichten und Links zu vielen beteiligten Kräften ist
www.kongo-kinshasa.de
wenn wir auch die politischen Einschätzungen nicht unbedingt bzw. nicht in allen Fällen teilen.

Partnerstaaten wie vor allem Frankreich, das den Löwenanteil der Soldaten stellt, aber auch Großbritannien und die frühere Kolonialmacht Belgien solch eine militärische Expedition unternehmen. Das gesamte interventionistische Konzept der USA und seine Sekundärausgabe, der EU-Interventionismus, sind ganz grundsätzlich abzulehnen, und so auch im vorliegenden Fall. Worum geht es im Kongo?

Vordergründig soll angeblich ein Konflikt zwischen zwei Volksgruppen, den Hema und den Lendu, befriedet werden, wie unsere Presse vielfach berichtete, um die angebliche Unverzichtbarkeit der Beteiligung zu begründen, aber die Problematik ist in Wahrheit erheblich vielschichtiger. Der Kongo, das drittgrößte Land Afrikas mitten im Herzen des Kontinents, ist in Wahrheit der Schauplatz erbitterter internationaler Rivalitäten um die gewaltigen Naturreichtümer dieses Landes, ein Gebiet, das einer internationalen Plünderung in einem ungeheuren Ausmaß ausgesetzt ist, begleitet von so unerträglichen Zuständen für die dortige Bevölkerung, daß heute manchen sogar die Zeit der blutigen belgischen Kolonialherrschaft mit ihren Strafexpeditionen und abgehackten Händen bei Nichtablieferung des Kautschuk-Solls als eine bessere Zeit erscheint. Dies läuft schon seit Jahren und hat nach verschiedenen Schätzungen schon zwischen 3 und 4 1/2 Millionen Opfer gekostet. Auch die UNO hat ihren Platz in diesen blutigen Vorgängen, der in diesem Artikel noch näher beschrieben wird. Bei der Mission, die auf die Stadt Bunia und einen Streifen von 15 km in der Umgebung beschränkt sein soll, kann von der Beendigung der blutigen Kämpfe und Massaker keine Rede sein, es wird lediglich ein Brückenkopf gehalten. Und die MONUC-Truppen der UNO haben bisher auch nicht allzuviel verhindert.

Hinter dem Rauchvorhang des Bürgerkrieges findet die Ausplünderung der Ressourcen statt

Zum einen geht der aktuelle Konflikt zwischen den Volksgruppen oder Stämmen der Hema und der Lendu in der Ituri-Region, den unsere Presse zur Begründung hervorhob, wirklich auf lange zurückliegende Ursachen zurück, eine Geschichte, wie sie in dieser Region Afrikas in mehreren Ländern zu finden ist: das Hirtenvolk der Hema unterwarf die Ackerbau treibenden Lendu, bildete eine Aristokratie, die die herrschenden Positionen besetzte. Dies hat seine Parallele zum Konflikt zwischen den Tutsis, einem Stamm von Niloten, die vor ca. 400 Jahren einwanderten, und andererseits den Hutus, meist Bauern. Dieser Konflikt spielt in dieser Region bis heute eine große Rolle. Und so werden denn auch die Hema mit den Tutsi verglichen und sind auch mit diesen assoziiert, während umgekehrt die Lendu und die Hutus sich verwandt fühlen.

Während der belgischen Kolonialzeit wurden Lendu zugunsten europäischer Siedler von ihrem Land verdrängt, aber unter dem Mobutu-Regime bekamen nicht sie das Land zurück, sondern die Hema, deren Vertreter z.T. einflußreiche Positionen eingenommen hatten, brachten sich immer mehr in den Besitz dieses und weiteren Landes. Die Lendu wurden vielfach deren Landarbeiter. In der Folge kam es seit den siebziger Jahren periodisch zu bewaffneten Auseinandersetzungen.

Solche Konflikte werden systematisch genutzt, um eine Situation zu schaffen, in der die staatlichen Institutionen und Strukturen sich allmählich auflösen, um die immensen Rohstoffe des Kongo zu plündern. Und so kämpften die Hema dann vor Jahren plötzlich mit modernen Waffen, bezahlt mit Naturschätzen des Kongo, während zumindest am Anfang die andere Seite noch überwiegend mit Speeren und Pfeil und Bogen ausgerüstet war. Dem Vernehmen nach ist inzwischen innerhalb der Hema eine reiche Schicht entstanden, bestimmte Clans, die die Bodenschätze ausbeuten und über die Nachbarstaaten an den staatlichen Institutionen vorbei verhökern, in diesem Fall bevorzugt über Uganda, das dort als Besatzungsmacht aufgetreten ist. Aber auch ein abrupter Wechsel der Seiten ist nicht ungewöhnlich.

Dies ist nur ein Beispiel von einer ganzen Reihe. Eine Reihe von "Befreiungsbewegungen", meist initiiert und gesponsort von den Nachbarländern Uganda und Ruanda, funktioniert nach ähnlichen Mustern. Teilweise reiht sich auf den Landkarten der sogenannten "Befreiten Gebiete" ein Bergwerk an das andere. Die Bedingungen, unter denen dort gearbeitet wird, sind entsprechend. Das geht bis hin zu Zwangsarbeit und Kinderarbeit. Auf solchen Wegen finden große Mengen der Bodenschätze ihren Weg in alle Welt, vor allem Coltan, Kobalt, Diamanten, Edelhölzer und Gold.

Das seltene und wertvolle Mineral Coltan (Tantal-Colombium) spielt dabei seit ein paar Jahren eine besonders wichtige Rolle. Große Mengen der bekannten Welt-Vorräte liegen im Kongo. Das enthaltene Tantal ist wichtig in der Produktion elektronischer Geräte, z.B. Handys oder Spielekonsolen und ersetzt teilweise Platin. Das Pentagon hat es zu einem "strategischen Rohstoff" erklärt. In Zeiten des Handy-Booms um das Jahr 2000 herum kostete ein Pfund dieses begehrten Minerals mehrere hundert Dollar. Jedoch ist in der Zwischenzeit der Weltmarktpreis für Coltan auf einen Bruchteil davon gesunken.. In der Untersuchung "Final Report of the Panel of Experts on the Illegal Exploitation of Natural Resources and Other Forms of Wealth of the Democratic Republic of the Congo", die im Auftrag der UNO von Experten verfaßt wurde, heißt es, daß Coltan mit einem Gehalt von 30 % Tantal für 10 $ angekauft und für 17 $ weiterverkauft wird, und dann lohnt es sich offenbar immer noch, es in Charterflugzeugen über mehrere Zwischenstationen bis nach Kasachstan zu schaffen und dort aufzuarbeiten. Viele Tonnen fanden so ihren Weg zu Abnehmern der Elektronik-Branche. Man kann sich vorstellen, daß es in Zeiten des Hochpreises einen regelrechten "Goldrausch" gegeben haben muß.

Mit den Einnahmen aus dem Handel mit diesem Stoff wurden im Kongo ganze "Rebellenarmeen" finanziert. Das Sinken des Weltmarktpreises führt dann in einem Gebiet, das von solchen Zuständen beherrscht ist, zu noch verheerenderen Folgen: die "Rebellentruppen" und die Okkupanten der Nachbarländer kämpfen gegeneinander um die schrumpfenden Erträge des Raubsystems. Die Truppen ziehen plündernd und vergewaltigend durch das Land, bekanntlich oft Kindersoldaten, denen man einfach ein Gewehr und eine Uniform gibt und eventuell noch Drogen. Ihren Unterhalt verschaffen sie sich durch Ausrauben der Bevölkerung. Und so verlassen die Bauern ihre Felder und suchen im Dschungel Schutz oder versuchen, zu Fuß in andere Regionen zu kommen; die natürlichen Lebensquellen der Menschen werden zerstört, die kriminelle Plünderungswirtschaft dagegen wird zum dominierenden Wirtschaftszweig. Dagegen profitieren internationale Konzerne, teilweise indem sie zunächst regionale Firmen als Strohmänner vorschieben, von den "niedrigen Personalkosten", so formulierte es tatsächlich in zynischer Weise ein Zwischenhändler laut dem oben genannten Report.

In dem Report über die Plünderung der Bodenschätze des Kongo ist eine lange Liste von beteiligten Firmen aus aller Welt aufgeführt. Auch deutsche Firmen sind darunter, so z.B. eine 100 % ige Bayer-Tochter. Manche der größten fehlen aber wahrscheinlich noch, weil sie über Strohmänner arbeiten. Sie machen Profite auf Kosten eines Landes, in dem die Masse der Bevölkerung in Hunger und Elend lebt und in dem in den letzten Jahren Millionen an Bürgerkriegen zugrunde gegangen sind, derweil in den reichen Ländern Handys und Spielekonsolen zu haben sind, Dinge, die für die meisten Kongolesen unerreichbar sind, in denen z.T. die geraubten Rohstoffe stecken. So sieht moderner Neokolonialismus aus.


Kampf um Einflußsphären

Eine weitere Dimension des Konfliktes: Ruanda und Uganda, die die Kämpfe im Kongo immer wieder anheizen und selbst mit Truppen eingreifen, gelten beide heute als Länder mit einem großen Einfluß der USA. Beide standen auch ganz offiziell während des Irak-Krieges auf deren Seite. Dabei hatte in Ruanda ursprünglich Frankreich den dominierenden Einfluß und hatte dort auf die Hutu-Mehrheitsbevölkerung gesetzt und die Besetzung der Führungspositionen aus dieser Volksgruppe gefördert. (In vorkolonialer Zeit dominierten dort die Tutsi.) Als eine Rebellenarmee der als besonders kriegstüchtig geltenden Tutsi unter der Führung des Obersten Kagame, heute Staatsoberhaupt Ruandas, 1990 von Uganda aus eine Invasion Ost-Ruandas startete und dabei die zahlenmäßig überlegenen ruandischen Truppen überwand, stellten sich französische Elitetruppen in den Weg und stoppten sie. (Damals sollen diese Truppen Kagames mit Unterstützung der amerikanischen "Defense Intelligence Army", DIA, operiert haben.) Hier ging es offensichtlich auch darum, welche ausländische Macht den entscheidenden Einfluß haben soll.
Als am 6. April 1994 ein Flugzeug abgeschossen wurde, in dem der ruandische und der burundische Staatschef saßen, beide Hutus, und Tutsi-Rebellen dafür verantwortlich gemacht wurden, brach der abscheuliche Massenmord an den Tutsi in Ruanda los, der zwischen 500- und 800 000 Menschenleben kostete. Die Tutsi-Rebellenarmee, von Rachedurst befeuert, eroberte daraufhin innerhalb von Wochen Ruanda. Die an der Grenze stehenden französischen Truppen griffen unter diesen Umständen nicht wieder zugunsten der Regierung ein. Die USA hatten vorher noch mit ihrem Veto im Sicherheitsrat eine militärische Intervention der UNO verhindert, die vorgewarnt worden war und dieses Mal mit einer Intervention den Massenmord vielleicht hätte zum großen Teil verhindern können. Es war sogar so: Die bewaffneten Einheiten der UNO im Lande wurden kurz vor dem Massenmord reduziert und danach dann wieder aufgestockt. So etablierte sich mit großer internationaler Unterstützung in Ruanda ein Tutsi-dominiertes Regime, obwohl die Tutsi dort nur 14 % der Bevölkerung ausmachen, und die USA lösten Frankreich als dominierende ausländische Macht ab.

Hunderttausende Hutu flohen nun in den Osten des Kongo, vielfach Angehörige der "Interahamwe Milizen", die am Massenmord beteiligt waren, und Teile der unterlegenen regulären Armee, verfolgt von den Streitkräften Ruandas. In der Folge kamen auch Hunderttausende Hutu um, viele gingen auf der Flucht durch den Dschungel zugrunde. Teilweise verbündeten sich einheimische verwandte Volksgruppen mit jeweils den Tutsis oder Hutus. So wurde der ruandische Bürgerkrieg auch auf den Kongo übertragen, und manche Kräfte im Kongo leiten daraus ihre angebliche Legitimation ab. Natürlich gibt es außerdem auch noch einen bewaffneten Widerstand gegen die Invasion und Plünderung des Kongo. Dieser findet zum Teil mit Speeren und Pfeil und Bogen statt, wo er nicht von der Regierung in Kinshasa materiell unterstützt wird. In diesem riesigen Pulverfaß kann ein kleiner Funke eine riesige Explosion auslösen..

Da nun viele der sogenannten "Rebellenbewegungen" im Ost-Kongo von Uganda oder Ruanda gesponsort sind, damit also indirekt auch die USA involviert sind, wobei auch zu berücksichtigen ist, daß mit Sicherheit auch große USA-Konzerne zu den Nutznießern der Plünderung des Kongo gehören, ist also eine maßgebliche Beteiligung französischer Truppen an einer Interventionstruppe in Anbetracht der oben geschilderten Kämpfe um Einflußgebiete nicht ohne eine gewisse Brisanz. Deshalb hatte wohl auch Frankreich auch seine Teilnahme von der vorhergehenden Einverständniserklärung Ugandas und Ruandas abhängig gemacht. Wenn nun die Bundesrepublik in diesen Vorgängen "auch mit dabei" sein muß, und sei es eben nur mit ein paar hundert Mann Hilfspersonal, die vorsichtigerweise außerhalb des Kongo bleiben, kann man ihr die angebliche humanitäre Absicht schlecht abnehmen.


Das rückständige Stammesdenken wurde von Kolonialisten und Neokolonialisten stets gefördert, die Widersprüche ausgenutzt und vertieft

In unseren Medien wird oftmals in einer überheblichen Weise von einer angeblichen "afrikanischen Mentalität" gesprochen und diese für die Grausamkeiten und die Plünderung verantwortlich gemacht. Das soll von der Rolle der Kolonialisten und Imperialisten ablenken. Wie schon gezeigt wurde, haben sich schon früher die Kolonialmächte die Widersprüche zwischen den Stämmen zunutze gemacht und sie weiter vertieft. Schon die Belgier wußten, daß sie "Strafexpeditionen" am besten mit Angehörigen feindlicher Stämme durchführten. Garnicht erwähnt wurde hier bisher der verheerende Sklavenhandel, der auch die Kongoregion in vorkolonialer Zeit heimsuchte, an dem auch europäische Seefahrer, vor allem niederländische und englische, beim Transport in die neuen Kolonien in Amerika oder die Baumwollfelder der amerikanischen Südstaaten sehr gut verdienten. Natürlich wurden auch dabei die Stämme gegeneinander ausgespielt und die Gegensätze vertieft. Viele blutige Rechnungen wurden geschrieben, die auf ihre spätere Begleichung warteten. Aber nicht allein das, es wurden auch in neuerer Zeit politische Kräfte, die einen Weg zur Überwindung des Stammesdenkens wiesen, aus dem Wege geräumt, weil sie dem billigen Zugang zu den begehrten Naturreichtümern behindern.

Als die Kongolesen 1960, bei Abschüttelung der Herrschaft der Belgier, in Gestalt Patrice Lumumbas, des ersten Ministerpräsidenten und seiner Partei eine politische Kraft hatten, die über die verschiedenen Stämme hinweg die Kongolesen mobilisieren und einigen konnte, in einer Zeit, als die anderen Parteien in der Regel Stammesparteien waren, da verbündeten sich die kolonialen Kräfte, die Stammespolitiker und auch die USA gegen sie. Lumumba war bezeichnenderweise populär geworden in einer Region, wo er selbst keinem der großen Stämme angehörte. Auch die UNO, die nach der Entmachtung der belgischen Offiziere durch die kongolesischen Truppen mit einem großen Kontingent einmarschiert war, half schließlich mit bei der Ausschaltung Lumumbas, man sperrte ihm den Zugang zum Rundfunk und zu Flugverbindungen. Als er nach seiner Ausschaltung und schließlich selbst aus dem Kerker noch Massen im ganzen Land mobilisierte, wurde er viehisch umgebracht. Vorher war schon ein Attentatsversuch der CIA mit Gift gescheitert. Nach einer Zeit der Wirren und Sezessionen setzte sich schließlich der "pro-westliche" Oberst Mobutu durch, der in einer späteren Phase dann ein "Kleptokrat" genannt wurde. Aber dieser war eben auch mit der Unterstützung des Westens an die Macht gekommen.

Als schließlich in den neunziger Jahren das Regime Mobutus kurz vor dem völligen Kollaps stand, waren Laurent Désiré Kabila und seine Rebellenbewegung, die seit den sechziger Jahren das Mobutu-Regime bekämpft hatten, in einem Bündnis mit Uganda und Ruanda. Mit der tatkräftigen Hilfe seiner Verbündeten erreichte die Armee Kabilas 1997 die Hauptstadt Kinshasa, die von einer demoralisierten Armee nicht mehr wirksam verteidigt werden konnte. Seine Verbündeten und auch die mit diesen im Bunde stehenden USA glaubten ihn im Griff zu haben und wähnten sich seiner Dankbarkeit sicher. Dem Vernehmen nach hatte er auch zuvor großen amerikanischen Bergbaukonzernen Zusagen bezüglich der Bodenschätze des Kongo gemacht. Als er jedoch an der Macht war, forderte er nach einer Weile die ugandische und ruandische Armee auf, das Land wieder zu verlassen. Er propagierte ein Programm der regionalen Selbstverwaltung und Selbstverantwortung und die Schaffung eines staatlichen Monopols im Handel mit Bodenschätzen und Naturreichtümern. Damit habe er sein Todesurteil gesprochen, bekundeten freimütig ausländische Konzernvertreter.
Seitens Uganda und Ruanda begann eine groß angelegte Invasion, die das halbe Land eroberte. Dabei wurden in den besetzten Gebieten mindestens zwei angebliche Gegenregierungen gebildet. Der Kongo verbündete sich mit Angola, Namibia und Simbabwe, die ebenfalls mit Truppen eingriffen. Ein großer Krieg mit sieben direkt beteiligten Staaten und Millionen von Opfern tobte im Lande, der in unserer Berichterstattung kaum auftauchte. Doch nun hielt die Verteidigung besser stand, und Kabila schaffte es auch, durch Verhandlungen Burundi zu neutralisieren, das auch zeitweilig als Gegner beteiligt war.

Im Januar 2001 wird Laurent-Désiré Kabila in einer Verschwörung, die bis heute nicht völlig aufgedeckt ist, bei einem offenbar professionell aufgezogenen Attentat erschossen. Nach diesem Attentat, fast auf den Tag genau zum 40. Jahrestag der Ermordung Lumumbas, das für den Kongo ein Schockerlebnis darstellte, erwarteten manche, daß nun jede zentrale Regierungsgewalt zusammenbrechen und das völlige Chaos ausbrechen würde. Belgische Fallschirmjäger standen bereit, um bei entsprechenden Vorkommnissen "zum Schutze der Belgier im Kongo" einzugreifen. Drei Rebellenbewegungen schafften für kurze Zeit eine Vereinigung und kündigten die Bildung einer gemeinsamen Gegenregierung an. Man sprach von der Möglichkeit, unter der Leitung eines UNO-Unterhändlers eine provisorische Regierung unter Beteiligung von "Oppositionspolitikern" zu bilden. Zu dieser Zeit waren in unseren Zeitungen die Zeichen kolonialer Begehrlichkeiten zu finden, daß der Kongo doch mit einem neuen kolonialen Patronat besser dran wäre. Der Berliner "Tagesspiegel" überschrieb einen Artikel zum Kongo: "Für einen neuen Kolonialismus". Aber die Regierung in Kinshasa bekam mit der Präsentation seines Nachfolgers Joseph Kabila, Sohn L. Kabilas, der außerhalb von Stammesloyalitäten steht und sich schnell Ansehen verschaffte, die Lage zum Erstaunen vieler Beobachter in den Griff. Offenbar war die kurze Regierungszeit L. D. Kabilas nicht so übel, wie sie von vielen dargestellt wird, sondern hatte trotz der erschwerten Bedingungen einen gewissen Zusammenhalt geschaffen.


Die UNO-Mission und die "Instituitionen der Transition"

Der Kongo wird aber auch noch auf andere Weise in die Zange genommen. Schon zu Zeiten L. D. Kabilas und schon davor drängte die UNO, und darin besonders die USA-Repräsentanten, sogenannte Institutionen des Überganges zu schaffen. L. D. Kabila war diesem "Transitionsprozeß" mit großem Mißtrauen begegnet und wehrte sich auch gegen UNO-Truppen in größerer Zahl. Das trug ihm den Vorwurf ein, er verhindere jegliche Lösung des Problems durch seine mangelnde Kompromißbereitschaft. IWF und Weltbank forderten zu seiner Isolierung auf. Er stimmte zwar einer UNO-Initiative zu, die in diese Richtung ging und die Stationierung von UNO-Truppen vorsah, unterzeichnete das sogenannte "Abkommen von Lusaka", verlangte aber als Vorbedingung der vollen Durchführung den Abzug Ugandas und Ruandas. Der heutige Präsident des Kongo will offenbar mit allen Mitteln die Wirtschaft wieder in Schwung bringen und ausländische Investoren ins Land bekommen. Er zeigte sich von Anfang an verhandlungsbereit, wohl um dem Boykott und der Isolierung des Kongo die Argumente zu entziehen. Nach Jahren des Krieges und der Zerrüttung ist das Land wirtschaftlich am Ende und die Masse der Bevölkerung lebt in Hunger und Elend. Große Teile der Bevölkerung leben nach einer belgischen medizinischen Studie von 1000 Kalorien am Tag und müßten demnach eigentlich verhungern. Dem Kongo wurde jedoch von der UNO wie auch von den USA bedeutet, daß er zunächst eine Reihe von Auflagen zu erfüllen habe, bevor mit nennenswerten Investitionen gerechnet werden könne. Das ist vor allem:

- Alle ausländischen Truppen hätten das Land zu verlassen. (Aber weitere UNO-Truppen sollen ins Land kommen.) Alle ausländischen Truppen verlassen das Land - das hört sich zwar zunächst gut an, aber das bedeutet in der Praxis, daß sich in erster Linie der Abzug seitens der Verbündeten der Regierungstruppen auswirkt, also Angola, Zimbabwe und Namibia, die dem Kongo gegen die Invasion beigestanden hatten, während Uganda und Ruanda über von ihnen gesponsorte Rebellentruppen weiterhin riesige Gebiete kontrollieren und weiterhin jederzeit ein- und ausgehen können. Von den Zentren Ugandas und Ruandas ist diese Region nur einen Katzensprung entfernt, aber die Hauptstadt des Kongo liegt am anderen Ende des Landes, das die Ausmaße Westeuropas hat, aber mit ca. 30 Millionen Einwohnern in weiten Teilen nur dünn oder garnicht besiedelt und unwegsam ist. Bisher stationierte Soldaten der UN-MONUC-Einheiten stolzieren in den Kriegsgebieten herum, ohne gegen die Terrorisierung der Zivilbevölkerung wirksam tätig zu sein.

- Ein sogenannter Transitionsprozeß soll eingeleitet werden. Das heißt, Vertreter der sogenannten "Befreiungsbewegungen", auch wenn sie offen das Geschäft der Invasoren oder die illegale Ausbeutung der Naturschätze betreiben, die sogenannte "nicht bewaffnete Opposition", darunter auch alte Mobutisten oder solche Politiker, die sich mit Mobutu lediglich über die Teilung der Pfründe nicht einigen konnten, also auch potentielle neue "Kleptokraten", teilweise von Imperialisten und Kolonialisten gesponsort -- alle sollen Positionen in Institutionen in einer sogenannten "Übergangsverwaltung" erhalten. Unter der Schirmherrschaft Süd-Afrikas wurden dazu jahrelange und schwierige Verhandlungen geführt, auch weil diese Kräfte sich untereinander im Streit um die Positionen erbittert bekämpfen. Präsident Kabila mußte sich dabei gegen Versuche behaupten, seine Regierung, die einzig legitime des Kongo, einfach als eine Gruppe unter vielen zu behandeln und beiseite zu schieben, was schwer genug gewesen sein muß. Das soll angeblich die Kämpfe beilegen, und mit Hilfe einer großen Zahl von UNO-Truppen sollen dann angeblich neue Kämpfe verhindert und eine neue Regierung gewählt werden. Die Kräfte, die begehrliche Blicke auf die Naturschätze des Kongo werfen und von seiner Plünderung profitieren, sind so gleich zweifach vertreten: über ihren Einfluß in der UNO und über die entsprechenden politischen Kräfte im Lande. Gleichzeitig können sie immer wieder bewaffnete Kämpfe und Massaker anzetteln und jeden Waffenstillstand sprengen, was auch bis heute immer wieder der Fall ist.

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In dieses Netz von Machenschaften und Intrigen steigt die EU-Intervention in Wahrheit ein. Man will offenbar im Rahmen der neuen Interventionspolitik "mit dabei sein", wo es um die Erhaltung neokolonialer Verhältnisse und die Plünderung der Ressourcen geht. Als der Unionspolitiker Pflüger, der schon als ein Verfechter des Irak-Krieges hervorgetreten ist und auch prinzipiell für eine Intervention ist, in einer Fernsehdiskussion gefragt wurde, ob denn nicht der Handel mit aus dem Kongo illegal geraubten Bodenschätzen unterbunden werden müßte und man so eher den Bürgerkrieg eindämmen könne, da sagte er gleich, das gehe doch nicht, dann verlören die Menschen dort ja ihre Arbeitsplätze (!). Das heißt in der Konsequenz, daß die Strukturen der Plünderungswirtschaft erhalten bleiben müssen. Was für eine widerliche Heuchelei und was für ein Zynismus. Die Intervention ist abzulehnen wie der ganze Kurs der internationalen Interventionspolitik. Statt dessen muß die Regierung anerkannt und in ihrem legitimen Streben nach Unabhängigkeit und Kontrolle ihrer Ressourcen unterstützt werden. Der Kongo kämpft einen harten Kampf um das Überleben und die Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Souveränität. Das Volk des Kongo hat dabei unbedingt unsere Solidarität verdient.


Nachtrag: Als dieser Artikel bereits im Großen und Ganzen fertiggestellt war, kamen die Meldungen, daß eine "Übergangsregierung" nach oben beschriebenem Muster nun eingerichtet wurde. Gleichzeitig wurde berichtet, daß bestimmte Oppositionspolitiker, so die UDPS Tshisekedis, eine Partei mit umfangreichen internationalen Verbindungen, die für sich schon mehrfach das Präsidentenamt und die Führung des ganzen Kongo reklamiert hat, nicht teilnehmen. Auch die Kämpfe in den östlichen Gebieten sind nicht wirklich beendet, die Lage ist teilweise weiter unübersichtlich, neue "Rebellengruppierungen" treten auf und die Kampfhandlungen haben soeben auch auf sambisches Gebiet übergegriffen. Zur gleichen Zeit schickt sich der frühere Botschafter der USA im Kongo an, die Führung der UNO-Mission zu übernehmen. Es ist nicht damit zu rechnen, daß nun alles "auf gutem Wege" ist. Die Unruhestifter und Plünderer haben weiterhin die Möglichkeit, ihr Unwesen fortzusetzen, eine "Situation von weder Krieg noch Frieden" zu schaffen, in der sie dann im Trüben fischen können. Die weitere Entwicklung sollte unbedingt im Auge behalten werden.

Wassili Gerhard
3.7.2003


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