Internet Statement 2004-28

 

Gruppe Neue Einheit

Hartmut Dicke

                                                                                                            14.Mai 2004                     

 

Werte Edith Bartelmus-Scholich,

in Beantwortung Deines Briefes vom 15. April möchte ich Dir Folgendes schreiben:

Dir ist bekannt, daß wir Deinen Standpunkt zu Norbert Blüm nicht billigen und Deine Ausführungen zu dieser Sache scharf kritisiert haben und kritisieren. Trotzdem möchte ich auf verschiedene inhaltliche Punkte Deines Briefes eingehen, weil wir grundsätzlich um demokratische Auseinandersetzung und Klärung bemüht sind.
Vorweg einige Bemerkungen zu der unterstellten falschen Angabe bezüglich Deiner Zugehörigkeit oder Nicht-Zugehörigkeit zu einer Organisation. Nirgendwo haben wir behauptet, daß Du Mitglied der MLPD bist. Was eine „einfache Zuordnung von Person und Positionen“ sein soll, finde ich unklar. Die Organisation „Courage“ jedenfalls steht eindeutig in einer sehr engen Verbindung mit der MLPD, und ebenso ist das Pfingstjugendtreffen organisatorisch eng mit der MLPD verbunden. Aufgrund von Angaben im Internet konnten wir sehen, daß Du damit eng in Verbindung stehst. Der Begriff „im Gefüge“ dieser Organisation sich zu betätigen, bedeutet nicht, daß man Mitglied dieser Organisation oder einer Jugendorganisation sein muß, sondern kann auch bedeuten, daß man im organisatorischen Umfeld dieser Organisation tätig ist. Deshalb können wir nicht erkennen, daß wir hier etwas Falsches geschrieben haben. „Umfeld“, „organisatorisches Gefüge“ bezieht sich nur bedingt auf eine Organisation.

Inhaltliche Fragen

Wichtiger aber sind für uns die inhaltlichen Fragen, die sich mit Deinem Brief auftun und auf die ich hier eingehen will. Was ist „Feminismus“? Die Feministinnen gehen von einem grundsätzlichen Widerspruch in gesellschaftlicher Hinsicht zwischen Mann und Frau aus, der zwischen diesen beiden ausgefochten werden muß. Dies halten wir für eine ganz falsche Theorie. Die Frauen können nur durch die Beseitigung des Kapitalismus sich von der Unterdrückung „durch den Mann“ befreien, da die Diskriminierung der Frauen in der Klassengesellschaft verursacht ist. Ein spezifischer „Frauenkampf“ gegen die Männer betreibt unweigerlich Spaltung, weil er von der wirklichen Ursache ablenkt. Letztlich ist in unseren Augen der Feminismus eine bürgerlich-reaktionäre Frauenemanzipationslehre, die das Gegenteil von dem erreicht, was sie vorgibt erreichen zu wollen. Eine linke Attitüde einer solchen Lehre ändert an dem Grundcharakter nichts.

Du schreibst:

„Aufbauend auf den Überlegungen von Rosa Luxemburg ist mir dabei wichtig, den emanzipatorischen Aspekt der sozialistischen Bewegung zu stärken und für einen freiheitlichen, sozialistischen Pluralismus zu werben.“

Beachte:

„..den emanzipatorischen Aspekt der sozialistischen Bewegung“??

Was ist denn dann der nicht-emanzipatorische Aspekt der sozialistischen Bewegung ? Du unterstellst doch, daß in der sozialistischen Bewegung eine Nicht-Emanzipation, jedenfalls auf bestimmten Gebieten, existiert, und daß man  infolgedessen zusätzlich noch den emanzipatorischen Aspekt  stärken müsse. Darin liegt wiederum feministische Ideologie, die unterstellt, daß es einen prinzipiellen gesellschaftlichen Widerspruch zwischen Mann und Frau gibt, der nur durch einen spezifischen Kampf der Frauen überwunden werden kann.


Was soll der „doppelte Paradigmenwechsel“ sein? Das bleibt in Deinem Brief weitgehend unklar. Der Begriff Paradigmenwechsel ist ein typischer Begriff, wie er in den achtziger Jahren geprägt wurde, als die ganze bürgerliche und pseudolinke Welt von irgendwelchen Paradigmenwechseln sprach und damit meinte, daß der Widerspruch zwischen Bourgeoisie  und Proletariat dem Gestern angehöre und jetzt neue Widersprüche kommen würden. Neue, idealistische Lehren von Gesellschaften stünden auf der Tagesordnung, und all die übrigen Sachen wie Marxismus-Leninismus seien ein Plunder von gestern! Massenhaft wurde damals eine solche Phraseologie angewendet, ohne daß man näher spezifiziert hat, was man damit meinte. Wir hingegen meinten und meinen, daß man immer noch im Zeitalter des Imperialismus lebt, und daß sich das in der heutigen Zeit sogar besonders deutlich zeigt. Alle Umstürze, die es in der Sowjetunion oder in China gegeben hat, haben nichts an dieser grundlegenden Tatsache geändert, im Gegenteil, sie fordern nur zu neuem Kampf heraus, und das Wüten des Kapitalismus zeigt als Lehre für die überwiegende Mehrheit der Menschheit, was man in Zukunft zu machen hat.

„Ich würde nun so weit gehen, auch die kapitalismuskritischen Strömungen der Christen, in der christlich-sozialen Bewegung einzubeziehen, denn aus einer hinreichenden Kenntnis der katholischen Soziallehre möchte ich behaupten, dass dort zum Kapitalismus grundlegende Widersprüche bestehen.“

Da stellt sich aber die Frage, was für grundlegende Widersprüche das sind. Der Katholizismus ist eng mit der alten Sklavenhaltergesellschaft und  der damals am Ausgang der Antike beginnenden feudalen Gesellschaft verbunden. Er ist an der Grenze dieser beiden Epochen entstanden. Mit der feudalen Gesellschaft, die dann über mehr als tausend weitere Jahre in Europa herrschte, war dieser Katholizismus aufs engste verbunden. Der Kapitalismus hat diese feudale Gesellschaft aufgelöst und zerstört, und die katholische Lehre hat Opposition gegen diesen Kapitalismus hin und wieder betrieben, aber aus der Sicht der alten Gesellschaft, die durch diesen Kapitalismus zerstört wurde. Und das ist das Wichtigste an der ganzen Sache. Das ist uns, den Marxisten-Leninisten, die davon ausgehen, daß der Kapitalismus progressiv ist gegenüber den Feudalismus, zutiefst zuwider, wir sagen nämlich, daß wir von einer neuen Warte den Kapitalismus bekämpfen und mit ihm alle vorherigen alten Ausbeutergesellschaften.
Uns stört auch gerade an Blüm und anderen Kräften der sog. christlich-sozialen Bewegung, daß sie immer daran gearbeitet haben, den Zusammenhang der Arbeiterklasse zu unterminieren, den Arbeiter dahin zu erziehen, eine kleinbürgerliche Existenz zu führen und sich mit ihr zufrieden zu geben. Gerade aber dieser Weg eines Teils der Arbeiterklasse in der Bundesrepublik steht heute vor seinem Bankrott, denn wenn man den Klassenzusammenhang und die Kampffähigkeit wegwirft und sich auf eine bürgerliche Existenz im Kapitalismus einrichtet, dann ist man letztlich auch dem Kapital ausgeliefert. Das spürt gerade jetzt ein Großteil der Arbeiter und wird ein noch größerer Teil in der Zukunft spüren. Deswegen ist die katholische Soziallehre für uns nicht ein irgendwie nennenswerter Bündnispartner. Vielleicht gibt es Berührungspunkte an dieser oder jener Einzelfrage. Das kann aber nicht beseitigen, daß sie dem grundsätzlichen Unterfangen einer marxistisch-leninistischen Bewegung, aber auch einer demokratischen Bewegung widerspricht. Sie muß mit ihr notwendigerweise kollidieren. Der Katholizismus kann auch keine wirkliche Demokratie entwickeln, dem widerspricht seine Substanz. Deswegen ist es für uns sehr verwunderlich, daß Frauenorganisationen, die mit der MLPD in einer engen Beziehung stehen, ausgerechnet mit der christlich-sozialen Frauenbewegung ein Bündnis eingehen,  noch mehr sogar, sich zu gemeinschaftlichen Dachverbänden zusammenschließen.
Ich möchte aber noch etwas Anderes anführen, was mir im Zusammenhang mit dem sog. doppelten Paradigmenwechsel auffällig erscheint. Parteien wie etwa SPD und  DKP waren es nämlich, die in den 80er und 90er Jahren nicht zuletzt auch solche Strömungen der sog. Alternativideologie und des Feminismus aktiv gestützt haben – aber das ist kein Beweis für eine breite akzeptierbare Richtung. Der Imperialismus greift nämlich wesentlich aufgrund seiner internationalen Ausbeutung nicht nur zum Mittel der Täuschung, sondern auch zum Mittel der Korruption von wesentlichen Teilen des Kleinbürgertums, aber auch der Arbeiterklasse. Seit über hundert Jahren ist das ein elementares Latein des Marxismus-Leninismus. Lenin ganz besonders hat dies in seiner Behandlung der Frage der Arbeiteraristokratie ausgeführt.( s. „Der Imperialismus und die Spaltung des Sozialismus“, s. das Vorwort zur deutschen Ausgabe des Imperalismus-Textes und  viele andere Schriften.)

Frauenemanzipation in diesem Land kann es doch nur da geben, wo man von diesen falschen, von imperialistischer Korruption beherrschten Elementen, wie sie für die SPD und zumindest für einen Teil der DKP typisch waren, sich distanziert. Von der MLPD ist uns zumindest in neuerer Zeit keine Kritik an diesen Richtungen bekannt. Eine Zusammenführung solcher Frauen aus SPD, DKP und MLPD und der „Feministischen Partei“ muß nicht bedeuten, daß dies eine Form von revolutionärem Bündnis ist, wenn sie unter einem solchen Vorzeichen steht, wie hier genannt. In unseren Augen ist die Kritik am Feminismus eine der Voraussetzungen für ein revolutionäres Bündnis unter Frauen.
Außerdem gibt es auch noch viele andere Fragen. Z. B. fiel uns an dem Verband „Frauen und Mädchen für Frieden. Brot und Rosen“ auf, daß er praktisch nur aus Friedens-Phraseologie besteht. Können denn aber Frauen nur „Frieden“ vertreten, Frieden und noch einmal Frieden? Wir meinen, daß Frauen mitkämpfen und keineswegs nur Frieden vertreten sollten, sondern eben Klassenkampf.
Was die „ökologische“ Richtung angeht, so war sie davon geprägt, die überdimensionalen Gefahren eines Weltuntergangs durch Umweltschäden auszumalen und die Behandlung dieser  Gefahren als über den Klassen stehend darzustellen. In Übereinstimmung mit den Marxisten der früheren Epochen sind wir der Ansicht, daß so etwas kritisiert werden muß. Wir haben z.B. auch die Anti-AKW-Bewegung kritisiert, die in dieser Weise typische Elemente der revisionistischen Bewegung und der sog. Atomangst, die von Mao Zedong in aller Deutlichkeit kritisiert wurde, nicht nur übernimmt, sondern sie sogar auf die Spitze treibt.
Wenn wir von Demokratie reden, dann meinen wir, daß die Elemente der Rationalität, der Diskussion und der Verbreitung der Wissenschaften auf dem Gebiet der Natur wie auf dem der Gesellschaft Vorrang haben. Wir greifen nicht notwendig jemanden an, wenn er/sie gläubig ist, aber fördern diese Anschauung nicht, wir halten sie für seine oder ihre Privatsache. Demokratische Bewegungen sollten deshalb die Religion aus sich heraushalten und dazu sagen, daß dieses die Menschen trennende Element, die unterschiedlichen Religionen, in den Hintergrund gedrängt werden muß. Weiter muß es auch Raum geben, sich auf der Basis der naturwissenschaftlichen und geschichtlichen Argumente mit dem tatsächlichen Gehalt einer Religion und ihrer materiellen Entstehung auseinanderzusetzen und somit die Auflösung der Religionen zu betreiben.

Schließlich und endlich:
Es geht hier nicht um „Feindbilder“. Der Begriff „Feindbild“ geht davon aus, daß es sich um ein „Bild“ oder eine Vorspiegelung handelt. Es gibt aber jede Menge Einflüsse des Imperialismus innerhalb der Arbeiterklasse selbst. Der Imperialismus muß auch bei diesem Eindringen  in die Arbeiterklasse bekämpft werden, das ist ein ganz reales Problem. Wenn wir also innerhalb der Arbeiterklasse und ihrer Parteien einen scharfen und deutlichen Kampf führen, so entspricht das der realen Lage, und es ist auch absolut nichts Neues, denn dieser „Kampf zweier Linien“, wie man ihn früher schon nannte, ist eine Sache, die schon einhundertfünfzig Jahre währt. Konstruktiv kann nur das sein, was sich den realen Widersprüchen stellt. Der Widerspruch zwischen Bourgeoisie und Proletariat ist einer, den man nicht in dem heutigen Leben ignorieren kann, er ist grundlegend. Dieser Einwurf von Dir geht daher unbedingt in die falsche Richtung, dient der Verschleierung.

Mit  bestem Gruß, ich hoffe Du störst Dich nicht an unserer offenen Sprache

Hartmut Dicke

 

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