Internet-Statement 2004-35

 


Notizen zur Rohstoff- und Energieknappheit


In der letzten Zeit häufen sich die Meldungen über die zunehmende weltweite Rohstoff- und Energieknappheit. Um einem in Deutschland verbreiteten Mißverständnis vorzubeugen: es handelt sich nicht um die Erschöpfung der natürlichen Vorkommen, die den Ökologisten zufolge zwar schon mehrfach hätte eintreten müssen, aber auch diesmal wieder auf sich warten läßt, sondern um Begleitumstände eines großen Wirtschaftswachstums. Nicht Naturgrenzen machen sich hier bemerkbar, sondern die Unfähigkeit des Kapitalismus, seine eigene Entwicklung vorauszusehen, geschweige denn für die Fundamente der eigenen Expansion vorausschauend zu sorgen. [1] Auch politische Faktoren dürften eine Rolle spielen.

Heute bringt ein Blatt wie die „Zeit“, die früher nicht gerade zu den Kritikern der Weisheiten vom Ende des Wachstums gehörte,  interessante Analysen. Unter dem Titel „Gier nach Erz und Öl - Die riesige Nachfrage aus China hebt die Weltmarktpreise für Rohstoffe dauerhaft an“ (Nr. 22/ 2004) heißt es:

„Auch das ist Globalisierung. Nicht nur Zinn, fast sämtliche Rohstoffe saugt China mittlerweile von den Märkten – und treibt die Weltmarktpreise hoch. Kupfer, das in Waschmaschinen, Radios oder Kabeln steckt, kostet fast 70 Prozent mehr als vor einem Jahr. Blei, etwa für Autobatterien, ist um zwei Drittel teurer geworden; Nickel, das vor allem der Stahlveredelung dient, um fast 40 Prozent. Für eine Tonne Eisenerz mussten im April knapp 76 Dollar gezahlt werden, gut 20 Dollar mehr als im Durchschnitt 2003. Kesselkohle kostet doppelt so viel wie vor Jahresfrist. Erdöl ist um 9 Dollar je Barrel teurer geworden. Selbst Stahlschrott ist auf einmal ein rares und deshalb teures Gut. „So etwas“, sagt Albrecht Kormann, Hauptgeschäftsführer der Düsseldorfer Wirtschaftsvereinigung Stahl, „habe ich noch nie erlebt.“
Tatsächlich sorgt Chinas Rohstoffhunger auch in Deutschland regelrecht für Ausnahmezustände. Vor kurzem noch unvorstellbar: Nicht jeder, der Stahl kaufen will, kommt an das vermeintliche Allerweltsprodukt heran – und wer bei der Beschaffung erfolgreich war, bleibt auf den hohen Preisen oft genug sitzen. Die mächtige Autoindustrie, Hauptkunde der mittelständischen Metallbetriebe, will die gestiegenen Preise einfach nicht akzeptieren, die Zulieferer können ihre höheren Kosten also nicht weitergeben. Bis zu 40000 Arbeitsplätze, heißt es in der Branche, stehen deshalb auf dem Spiel. Das K-Wort macht die Runde: Katastrophe.“

Die „Zeit“ nimmt Abstand von den Prophezeiungen der Erschöpfung der Rohstoffe:

„Zu so viel Ärger hätte es nicht kommen müssen – erst recht nicht wegen einer vermeintlichen Rohstoffknappheit aufgrund steigender Nachfrage aus China. Zwar gehen die Energierohstoffe, vor allem Erdöl, absehbar zur Neige; nach und nach müssen an seine Stelle deshalb erneuerbare Energien treten. Metalle indes lagern immer noch reichlich im Erdboden. Obwohl die Weltbevölkerung seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs mehr Rohstoffe verbraucht hat als in der gesamten Menschheitsgeschichte zuvor, sei ‚auch langfristig keine Verknappung in Sicht’, sagt Markus Wagner von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe.
Tatsächlich haben sich alle Unkenrufe über die bevorstehende Erschöpfung der Rohstoffe als falsch erwiesen. 1972 veröffentlichte der Club of Rome seine berühmte Studie über die Grenzen des Wachstums. Dort heißt es, dass die bekannten Zinnvorräte bei konstantem Jahresverbrauch in 17 Jahren erschöpft sein würden, die Zinkvorräte in 23 Jahren. Mittlerweile sind mehr als 30 Jahre vergangen, doch Zinn und Zink sind reichlicher vorhanden als 1972 – obwohl der Verbrauch immens gewachsen ist.
Dass die Metalle trotzdem teurer geworden sind, liegt an ihrer mangelnden technischen Verfügbarkeit. Der Grund dafür: Während der langen Jahre der Rohstoffbaisse verloren die Bergwerksgesellschaften die Lust am Investieren. 1997 gaben sie noch 5,2 Milliarden Dollar aus, 2002 nur noch 1,9 Milliarden Dollar – so wenig wie nie seit Ende der siebziger Jahre. Das Erstaunliche: Niemand der vermeintlichen Experten ahnte, welche Rolle China schon bald auf den internationalen Rohstoffmärkten spielen sollte. Der chinesische Rohstoffhunger sei ‚allgemein unterschätzt’ worden, heißt es kleinlaut in einer Analyse der Dresdner Bank.
Mittlerweile investieren BHP Billiton, Anglo American, Rio Tinto, Companhia Vale do Rio Doce und die Hand voll anderer Rohstoffkonzerne zwar wieder mehr. Weil der Bau neuer Bergwerke aber rund fünf Jahre dauert und die vorhandenen Gruben ausgelastet sind, kommen auf die Verbraucher vorerst dürre Jahre zu. Die Weltwirtschaft zahle jetzt ‚den Preis für übermäßige Investitionen in Informationstechnologie auf Kosten von Bergbau und Grundstoffindustrie’, heißt es in einer Analyse von neun europäischen Konjunkturinstituten.“

Es sind allerdings nicht allein die hier genannten Faktoren, die solche Krisenerscheinungen hervorbringen. Was aber jedenfalls unübersehbar ist: die weltweite Produktion wächst weiter; im größten Land der Welt, China, wächst sie weiter geradezu stürmisch, auch in anderen Länder wie Indien, dem zweitgrößten, scheint eine stärkere Industrialisierung und Modernisierung als bisher bevorzustehen, und das bringt auch in vielen weiteren Ländern zusätzliche Impulse.


Am Beispiel der Stahlindustrie:

Es ist kein Wunder, daß in den letzten Jahren die Welt-Stahlproduktion sich mehrfach stark erhöht hat und für die nächsten Jahre weitere Sprünge vorausgesagt werden. 2003 betrug sie ca. 900 Mio. to, für 2004 werden 960 Mio. to vorausgesagt, in wenigen Jahren sollen es über 1100 Mio. Tonnen werden. Zum Vergleich: während der 90er Jahre stagnierte sie im Bereich der 750-780 Mio. Tonnen. (s. z.B. www.stahl-online.de). Das sind Steigerungen von 25% in wenigen Jahren und möglicherweise bald 50%.

Ein Seitenblick auf die Stahlindustrie Deutschlands zeitigt das einigermaßen erschütternde Ergebnis, daß trotz des weltweiten Stahlhungers hier die Produktion (um die 45 Mio. to jährlich) offenbar nicht gesteigert werden kann, selbst wenn man es jetzt wollte: Management und Politik haben bspw. mit der Stillegung von Kokereien [2] gerade erst dafür gesorgt, daß Koks zu ca. 30% importiert werden muß. Da der Weltmarkt für diesen Rohstoff jedoch bereits fast ausverkauft ist und sogar noch engere Verhältnisse drohen, kann nicht nur der Stahlexport nicht gesteigert werden, obwohl die weltweite Nachfrage da ist, sondern es wird die Stahlproduktion hier wahrscheinlich sogar zurückgehen. Die „Zeit“ erwartet bereits negative Auswirkungen auf die Automobilproduktion und den Maschinenbau, das Rückgrat des sog. „Exportweltmeisters Deutschland“ – und all das bei einer bereits erdrückenden Arbeitslosigkeit im Lande. Wenn man außerdem beobachten muß, daß weder die Qualität noch die Preisgestaltung der deutschen Automobilkonzerne dazu geeignet sind, die sog. Exportweltmeister-Stellung gegenüber den industriellen Anstrengungen an vielen anderen Stellen der Welt noch lange Zeit zu behaupten, dann kann man nur von einer schiefen Bahn sprechen, auf der sich hier noch vieles weitere nach unten bewegen wird.

Inzwischen ist Brasilien dabei, die deutsche Stahlproduktion in den Schatten zu stellen, und über China schreibt die „Zeit“:

„Am erstaunlichsten aber ist Chinas Dominanz als größter Verbraucher – und Hersteller – von Stahl. Kein Grundstoff, mit Ausnahme von Erdöl, war und ist heute noch für die Entwicklung von Industriegesellschaften so wichtig wie Stahl. Und dabei setzt China neue Maßstäbe: 2003 war es das erste Land der Industriegeschichte, das in einem Jahr mehr als 200 Millionen Tonnen Stahl produzierte. Das entspricht fast einem Viertel der Weltproduktion und ist mehr, als die beiden größten Industrienationen, die USA und Japan, im gleichen Jahr gemeinsam herstellten.“
....
„Beispiel Hebei: Die für chinesische Verhältnisse mittelgroße Provinz bei Peking, in der 65 Millionen Menschen leben, steigerte ihre Stahlproduktion mit Hilfe von heimischer Kohle bis zur Jahrtausendwende langsam auf jährlich 20 Millionen Tonnen. Dann explodierte der Ausstoß 2003 auf 50 Millionen Tonnen. Von dem nötigen Eisenerz wurde bereits mehr als die Hälfte aus Australien und Brasilien importiert. Eine Wende ist nicht in Sicht.“

Eine einzige Provinz in China produziert also mittlerweile mehr Stahl als ganz Deutschland und hat innerhalb weniger Jahre sich darin um 150% gesteigert.

 

Soziale und politische Aspekte der gegenwärtigen industriellen Entwicklung

Sozialisten sind der Ansicht, daß der kapitalistische Boom immer auch zur Steigerung der ökonomischen Krise führt. Wir wissen auch, daß es starke Kräfte im internationalen Kapitalismus gibt, die Expansionen wie die gegenwärtige sehr negativ betrachten und daran arbeiten, ihr ein Bein zu stellen, ihr u.U. sogar mit Gewaltakten größten Ausmaßes, Kriegen etc. entgegenzutreten. Sie fürchten, daß Vorgänge wie die moderne Industrialisierung Ostasiens, selbst unter der heutigen kapitalistischen Herrschaft, vielfältige  Kräfte schaffen, die sie nicht mehr kontrollieren können, seien es große soziale Bewegungen, seien es ganz neue Konkurrenzverhältnisse in der internationalen Ökonomie..

Daß die ökonomische Entfaltung unter kapitalistischen Bedingungen vonstatten geht, bringt ungeheure Härten für die Werktätigen mit sich und ist ein von der kapitalistischen Krisenhaftigkeit eingeschränkter Prozeß mit vielen Rückschlagen. In China ist sie zudem durch eine herrschende Schicht geprägt, die das frühere sozialistische System umgestürzt hat, eine besonders brutale  Ausbeutung und politische Unterdrückung der chinesischen Werktätigen praktiziert und auch von daher selbst ein Hindernis der Weiterentwicklung bildet.

Trotzdem muß die große historische Vorwärtsbewegung in der industriellen Entwicklung gesehen werden, die sich unter unseren Augen abspielt. Im Gegensatz zu Auffassungen, die den Kapitalismus allein als den Motor der ökonomischen Entwicklung sehen, legen wir allerdings Wert auf die Feststellung, daß dabei auch ganz andere Kräfte am Wirken sind, die mit dem Klassenkampf, mit der Entwicklung der Kultur und dem Entwicklungsdrang der Völker und Nationen zu tun haben. Dies kann hier nur angedeutet werden. Die großen sozialistischen und antikolonialen Revolutionen des 20. Jahrhunderts, namentlich die sowjetische und die chinesische, waren jedenfalls die entscheidenden Durchbrüche, die die heutigen Fortschritte vieler großer und kleiner Nationen gerade in Asien erst ermöglicht haben, auch wenn diese derzeit auf dem kapitalistischen Wege vonstatten gehen.


Energiehunger und Öko-Politik

In einem Artikel der Financial Times London, „Asia’s race to meet energy demand“ v. 11.5.2004, spricht man von „Chinas Hunger nach Energie, um die größte industrielle Revolution der Geschichte anzutreiben“:

„ ‚Der Energieverbrauch ist symptomatisch für das Emporkommen wirtschaftlicher und politischer Macht,’ sagt S. Chander, ein Experte für Energie und Infrastruktur an der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB). ‚China hat sich aufgerichtet.’

Das rasche Wachstum des Energieverbrauchs ist ein asienweites Phänomen. Indien erreicht starkes ökonomisches Wachstum und benötigt immer größere Energieressourcen. Man erwartete, daß das Wachstum in den sich entwickelnden Volkswirtschaften Ost- und Südasiens und der pazifischen Region sich auf 6,8% beschleunigen wird, nach 6,3% im Jahre 2003, sagt die ADB. Japan, dessen Wirtschaft sich nach Jahren der Stagnation erholt, bleibt einer der größten Energiekonsumenten der Welt und konkurriert zunehmend mit China um den Zugang zu Naturschätzen.

Die Auswirkungen des steigenden Energiebedarfs Asiens reichen weit, von Stromausfällen in Shanghai bis zu einem steilen Anstieg der Kohlepreise der Welt, der so weit entfernte Länder wie Australien, Polen und Südafrika berührt. Die Schiffahrt profitiert von der hohen Nachfrage nach Frachtleistungen, während Umweltschützer von den Aussichten auf mehr Umweltverschmutzung und globale Erwärmung entsetzt sind.

Die Hersteller von Kernkraftwerken in den USA, Kanada und Frankreich sehen die besten Chancen seit Jahren für den Verkauf ihrer Erzeugnisse an asiatische Unternehmen; Geschäftspartner in der Branche LNG (verflüssigtes Naturgas) sehen ähnliche Chancen, weil Energieimporteure die Abhängigkeit vom Öl zu verringern suchen und eine Diversifikation zu sauberen Energiequellen betreiben.

Von Moskau nach Tokio und von Washington nach Abu Dhabi setzen sich Diplomaten mit ‚Pipeline-Politik’ auseinander, dem Ergebnis asiatischer Versuche, die Abhängigkeit vom mittelöstlichen  Öl und Gas zu verringern, indem man sich nach Zentralasien, Sibirien und dem russischen Fernen Osten wendet.“ (meine Übs.)

Was von diesen Meldungen in beklemmender Weise negativ absticht, ist allerdings die ökonomische Entwicklung in Deutschland. Hier wird offenbar der Stahlindustrie und weiteren Branchen der Strick um den Hals gelegt und weiter dran gezogen, hier wird im Angesicht einer Welt, die jeder frei verfügbaren Kilowattstunde Strom hinterherjagt und zu Kraftwerksinvestitionen größten Ausmaßes gezwungen ist, die Kerntechnik auf den Aussterbeetat gesetzt. Man hat sich dazu verstiegen, dem Gesamttrend mit Windmühlen und Jauchegruben entgegenzutreten [3] , und die diplomatischen Spitzenvertreter dieses Landes setzen weiterhin die Trittinsche Leichenbittermiene auf und versuchen, auf internationalen Konferenzen imperialistisch-reaktionäre Mehrheiten für das weltweite Verbot der Kernenergie und großer Staudämme zusammenzubekommen, eine Niedertracht, mit der sie die Entwicklung jedoch nicht abbiegen können. [Das Auftreten Deutschlands auf der Johannesburg-Konferenz
- Forderung nach Verbot von Kernenergie und großen Wasserkraftanlagen
]

Der Energiehunger der Menschheit bricht mit Macht durch. Er ist nichts weiter als ein Aspekt  des Entwicklungshungers. Etwas Menschenfeindlicheres als diese Politik der deutschen SPD-Grünen-Regierung läßt sich überhaupt nicht vorstellen. Wenn man die Brutalitäten der USA gegenüber dem irakischen Volk und anderen mitansehen und entsetzt fragen muß, zu welchen Tiefen des Abstieges in die Barbarei die hauptsächlichen militärischen Bündnispartner dieses Landes fähig sind, dann müssen wir uns auch fragen, ob nicht unsere  „Friedensfürsten“ in Regierung und Kapital eine in ihren Auswirkungen nicht weniger zerstörerische Politik vertreten, wenn sie auch mehr mit Öko-Erpressung denn direkt mit kriegerischen Mitteln einherkommt. Diese Richtung stellt sich der Entwicklung der großen Mehrheit nach außen wie nach innen fanatisch entgegen.


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Diese Fragen können die Arbeiter, Angestellten und Arbeitslosen unseres Landes selbstverständlich nicht kalt lassen. Nicht nur wegen der einfachen und völlig berechtigten Frage, wieso ihre Arbeitslosigkeit und die Miesigkeit der Jobs immer größer werden sollen, wenn sie doch auf der Grundlage ihrer technischen und produktiven Fähigkeiten  einen deutlichen Beitrag zu dieser weltweiten Entwicklung  leisten und selbstverständlich auch an der ökonomischen Entfaltung teilhaben könnten, wie widersprüchlich das unter den Bedingungen der kapitalistischen Auspressung auch vor sich gehen mag. Auch aus tiefergehenden Gründen sind diese Fragen für sie von Interesse, denn sie weisen nicht nur in einen enormen kapitalistischen Boom, wenigstens auf bestimmten Gebieten, hinein, sondern sie weisen auch über den Kapitalismus hinaus, der hierzulande in dieser perfiden Weise ihre Existenzgrundlage immer mehr beschneidet.  In Ost- und Südasien wächst jetzt eine sehr große Klasse von Lohnabhängigen heran, mit einem modernen industriellen Proletariat als Kern,  die zum Teil für die internationalen Unternehmen, die mehr und mehr Produktion und andere Tätigkeiten dorthin verlagern, zum Teil auch für die neuen Kapitalisten, die zunehmend von diesen Ländern aus die eigenen Märkte und den Weltmarkt für sich erobern wollen, schuften.  Hunderte Millionen Menschen, gerade auch der größten Nation der Welt, Chinas, und anscheinend auch bald Indiens, der zweitgrößten, sowie weiterer Länder werden zu Trägern großer Teile  der modernen internationalen Ökonomie. Wie sie die Auseinandersetzung mit dem Kapitalismus führen, das wird die soziale Entwicklung entscheidend mit prägen, nicht nur in ihren eigenen Ländern.  Mit Sicherheit entstehen so erneut wesentliche Kräfte, denen das kapitalistische Korsett, die Diktatur des internationalen Finanzkapitals und überhaupt die kapitalistische Produktionsweise in der weiteren Entwicklung nicht mehr entsprechen können, und die ein großes Potential in sich tragen, dem arroganten Kapitalismus erneut mit der sozialistisch-revolutionären Herausforderung, und zwar auf einer moderneren gesellschaftlichen Grundlage als dies im 20. Jahrhundert der Fall war, gegenüberzutreten.

Der Arbeiterbewegung in unserem Land wie auch anderen europäischen Ländern, die vom Kapital sehr wahrscheinlich noch weiter in die Ecke getrieben würde, wenn sie allein auf sich gestellt bliebe, eröffnen sich neue Möglichkeiten, wenn sie  Verbindungen dorthin wie auch in alle anderen Teile der Welt im Sinne des Internationalismus in Angriff nimmt.  

 Es ist wirklich nicht mehr zu tolerieren, daß ein Land wie Deutschland unter dem Diktat seiner Politikerkaste und Konzerne immer weiter in den ökonomischen Abbau getrieben wird, und dies umso tiefer, je stärkere positive Impulse die internationale Entwicklung eigentlich mit sich bringt, zumindest zeitweilig. Viele deutsche Konzerne, mit Siemens voran als abscheulichem  Beispiel, aber auch viele andere, die hier die ständig wachsende Arbeitslosigkeit mit verursachen und den Jugendlichen schnöde erklären, an Arbeitskräftenachwuchs bestehe hierzulande eben von ihrer Seite aus kein Bedarf mehr, behaupten, sie würden ja dafür international wachsen, bspw. durch ihre Niederlassungen und Beteiligungen in China und anderswo, aber mit der weiteren ökonomischen Entleerung müsse die deutsche Bevölkerung sich abfinden, ein paar Minijobs werde es ja geben, und im übrigen „profitiere“ sie auch mit von den internationalen Gewinnen dieser Firmen.  Solche Konzepte sind nicht nur eine existentielle Kampfansage an die Mehrheit im Lande, sondern stellen selbst vom kapitalistischen Standpunkt aus gedankliche Fehlleistungen dar, die das Mißmanagement, wie es im Falle der deutschen Stahlindustrie an den Tag tritt, zum allgemeinen Prinzip erheben. Die internationale kapitalistische Konkurrenz, die Zuspitzung der politischen und militärischen Gegensätze zwischen den Mächten wird solche Kapitale als erste fressen, die mit der eigenen nationalen Produktionsbasis und der Bevölkerung Schlitten fahren zu können glauben, ganz auf die Seite der brutalen internationalen Ausbeutung treten und sich daraus Extraprofite für die politische Ruhigstellung an der Heimatfront erhoffen, die es offenbar nicht mehr fertigbringen, geschichtlich, politisch-militärisch zu denken und die Bodenlosigkeit ihrer Vorstellungen zu spüren. Dies stellt eine zusätzliche Gefahr für die arbeitende Bevölkerung dar.

Der „Zeit“-Artikel bringt auch ein interessantes Zitat, wie gewisse Kräfte in China die Entwicklung Deutschlands sich wünschen:

„In China ist man sich dessen bewusst. ‚Die Industrien wandern vom Westen hier her’, beobachtet Professor Shen von der Peking-Universität. Damit sei eine ‚gewaltige Umverteilung der Ressourcen’ verbunden. Für Shen kein Grund zum Verzweifeln: ‚Wer weiß, vielleicht braucht Deutschland keine Kohle- und Stahlindustrie mehr.’
Als Chinese lässt sich das leicht sagen. Doch für Jörg Wuttke, den Vorsitzenden der Deutschen Handelskammer in China, steckt dahinter eine eher bedrohliche Botschaft. „Wenn ich alles in China kaufe, kenne ich zwar keine Rohstoffknappheit mehr“, sagt Wuttke. „Aber womit handeln wir Deutschen dann? Mit Birkenstock-Sandalen?“

Die Äußerung des chinesischen Professors signalisiert, daß auf der kapitalistischen Basis in China auch arrogante Supermachtansprüche entstehen. Der Idee, wesentliche Basisproduktionen anderer Länder gänzlich nach China zu verlagern, muß entschieden widersprochen werden. Die Arbeiterbewegung in Deutschland, Europa und anderswo, aber auch in China selbst hat kein Interesse an solchen Entwicklungen, die den Internationalismus schädigen und auch die Unabhängigkeit der verschiedenen Länder untergraben. Wir haben schon vor langer Zeit darauf hingewiesen, daß die jetzigen Machthaber Chinas in dieser eigensüchtigen Weise die Tendenz zur Entindustrialisierung Deutschlands wie auch anderer Länder unterstützen und der ökologistischen Politik beispringen.  Die Niedertracht der führenden Kräfte der deutschen Bourgeoisie gegenüber den anderen Völkern wie auch dem eigenen findet hier ein Gegenstück von gleicher Qualität.

Walter Grobe,
Juni 2004

 


 

[1] Das „Handelsblatt“ glaubte es nicht unterlassen zu dürfen, mitten in der praktischen Widerlegung der Wachstums-Ende-Ideologien ihnen doch Anhänglichkeit zu bezeugen. In einem Artikel v. 29.3.04 „Explodierende Rohstoffpreise gefährden den Aufschwung“ wird zwar klar gesagt, daß die Knappheit durch mangelnde Investitionen und Explorationen im Rohstoffbereich zu erklären ist, aber doch auch die Rettung der Lehren des „Club of Rome“ versucht. Dieser habe „schon im Jahr 1972 vor dramatisch steigenden Rohstoffpreisen und Versorgungsengpässen gewarnt. Die zentrale These der Experten: Die Weltwirtschaft wird wegen mangelnder Rohstoffreserven spätestens zu Beginn des 22. Jahrhunderts ihre Wachstumsgrenzen erreichen.“  Man behält also eine propagandistische Rückversicherung, sollte die Schrumpfpolitik des Kapitalismus eines Tages doch wieder stärker angesagt sein.

[2] Über den Abriß der Kokerei Kaiserstuhl in Dortmund, 1992 als modernste Anlage der Welt mit Kosten von 1,2 Mrd. DM errichtet und bereits 2000 stellgelegt, heißt es in einer Mitteilung auf einer damit befaßten website:

„Große Teile der Kokerei sind inzwischen abgerissen und nach China verschifft worden. In Deutschland gibt es nur noch 5 Kokereien, die den deutschen Markt mit 8,6 Millionen Tonnen Koks versorgen. Deutschland importiert derzeit bis zu 4 Millionen Tonnen Koks und ist damit einer der größten Importeure. Aus diesem Grunde leidet die Industrie besonders stark unter der gegenwärtigen Marktlage: Koks ist knapp geworden! Aufgrund ihres Wirtschaftsbooms drosselt China die Koksausfuhren - der Kokspreis ist enorm gestiegen.
Allein in den zurückliegenden 6 Monaten haben sich die Preise des von den Elektrostahlwerken benötigten Schrotts um etwa 50% und der in den Hütten verarbeiteten Eisenerzen um rund 25% erhöht. Die Koksprobleme sind hausgemacht - die Knappheit im Lande und die vor wenigen Jahren noch unvorstellbar hohen Kokspreise sind das Ergebnis einer bewußt in Kauf genommenen Abhängigkeit von wenigen ausländischen Produzenten.
Da es etwa sieben Jahre dauert, um eine neue Kokerei zu bauen, hat die Dillinger Hütte beispielsweise die ostfranzösische Kokerei Carling erworben (Kapazität 1 Millionen Tonnen), weil die Versorgung aus der eigenen Kokerei nicht ausreicht. 
Die Kokerei Kaiserstuhl könnte man jetzt gut gebrauchen, um eine Verbesserung der Marktversorgung in vielerlei Hinsicht zu fördern. Zu spät...“     ( www.dubtown.de/kokerei_kaiserstuhl.htm)

[3] „Das Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG) führt gegenwärtig bei Stahlunternehmen zu Zusatzbelastungen von jährlich bis zu mehr als 5.000 Euro pro Arbeitsplatz. Dabei wird die Industrie relativ stärker belastet als die privaten Haushalte (Bild 26). Die steigenden Mehrkosten aus dem EEG schaden durch die Zunahme der Windenergieanlagen (Bild 27) unserer Wettbewerbsfähigkeit am Weltmarkt ganz massiv.

Bundesumweltminister Jürgen Trittin behauptet, die Mehrkosten aus dem EEG lägen rechnerisch bei maximal 0,18 Cent je Kilowattstunde. Diese Zahl ist falsch (Bild 28). Denn die Stahlunternehmen zahlen heute mit über 0,4 Cent je Kilowattstunde schon mehr als das Doppelte. Das entspricht Strompreissteigerungen von 10 bis 12 Prozent. Bis zum Jahr 2010 muss sogar mit Aufschlägen von 0,9 Cent je Kilowattstunde, d. h. mehr als 20 Prozent gerechnet werden. Die energieintensiven Unternehmen brauchen eine Belastungsbegrenzung.

Außerdem argumentiert Trittin mit weiteren falschen Zahlen. In einer Debatte im Deutschen Bundestag zu den Auswirkungen des EEG am 31. Januar behauptet er, von 13 Mio Tonnen Stahlproduktion in Deutschland ging 1 Mio Tonnen in Windkraftanlagen. Das wären fast 8 Prozent. Tatsächlich werden in Deutschland aber jährlich, wie bereits gesagt, etwa 45 Mio Tonnen Rohstahl produziert. Etwa 2 Prozent oder 750.000 Tonnen werden davon in Windkraftanlagen verwendet. Die Impulse des Windkraftbooms für die Stahlindustrie sind längst nicht so bedeutend,  wie offenbar suggeriert werden soll.“
(Aus einem Artikel unter www.stahl-online.de/medien_lounge/medieninformationen/handelsblatt_tagung.htm)

 

 

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-- Diskussion zu Grundsatzfragen --
Über technische Entwicklung und Marxismus
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Das Auftreten Deutschlands auf der Johannesburg-Konferenz
- Forderung nach Verbot von Kernenergie und großen Wasserkraftanlagen

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Die Bedeutung des sogenannten Konsenses über die Stillegung der Kernenergie Memorandum von Hartmut Dicke vom 7.Juli 2000

Unsere Position zum Kampf gegen soziale Entrechtung (sog. Hartz-Politik)
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