Internet Statement 2006-77

 

Zu dem Energiegipfel und den sogenannten Argumenten des Herrn Gabriel

 

8.Oktober 2006       

 

Die Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstützt schon seit dem vergangenen Wahlkampf den Stillegungsbeschluß gegen die Kernenergie und führt die Politik Schröders auf fast allen Gebieten fort. Die Frage der Kernenergie spielt in der Frage der Verlagerungen und der Liquidation der Existenzgrundlagen von Millionen von Arbeitern, Angestellten, Technikern, Ingenieuren und der Existenz von vielen Unternehmen eine grundlegende Rolle. Angela Merkel wollte dieses Thema ursprünglich sogar aus dem sogenannten Energiegipfel heraushalten. Aber international entwickelt sich die Kernenergie weiter, und es wird immer deutlicher, daß der sogenannte Konsensbeschluß nicht haltbar ist, es sei denn man steht auf dem Standpunkt der bewußten Zerstörung des ganzen Landes.

 

Der Kanzler, der diesen Stillegungsbeschluß der Kernenergie in die Wege geleitet hat, sitzt heute als faktischer Agent Putins als führender Funktionär in der Gas- und Pipeline-Gesellschaft und predigt unverhohlen die Abhängigkeit vom russischen Erdgas. Die Umstände sind so kraß, wie es extremer gar nicht sein könnte.

 

 In den Energiekonzernen, die indirekt oder direkt an dem Konsensbeschluß mit Schröder beteiligt waren, merken heute viele, daß die Zuckerstange, die Schröder ihnen gereicht hat – nämlich maximale Extraprofite zu bekommen und faktisch die Monopolstellung zu behalten – eine gefährliche Leimrute für sie selbst ist. Daß die Technik, die hier im Lande stillgelegt wird, groß ins Ausland exportiert werden kann, wie manche sich das vorgestellt haben mögen, kann niemand glauben. Gegenwärtig mögen RWE, E.on usf.  gewaltig Reibach machen, der ihnen noch von der Schröder-Regierung und fortgesetzt von der sog. großen Koalition zugeschanzt wurde. Auf Dauer wird diese Politik ihre eigene Stellung untergraben. Zahlreiche Techniker, Ingenieure und verantwortliche Leute in den Energiekonzernen sind gegen den Stillegungsbeschluß und möchten ihn am liebsten aufheben.

 

In dieser Situation tritt Gabriel am 7.Oktober im Fernsehen auf, um noch einmal seine sogenannten Argumente zu bringen. Und am Beispiel der ARD kann man sehen, wie sehr die Medien diese „Argumentation“ unterstützen. Da wird von einem Kernkraftwerk Biblis gesprochen, als wäre das etwas, was außer gelegentlichen Störfällen kaum von sich reden gemacht habe, und übersehen, daß Biblis der Grundpfeiler der Energieversorgung in Hessen ist. Nur völlig demagogische, ja parasitäre Institutionen können solche Art Beiträge verfassen wie z.B. in den Tagesthemen vom 7. Oktober.

 

Es kommen solche „Argumente“ wie: auch Uran müsse importiert werden. Aber Gabriel kennt natürlich genau die Tatsachen. Er weiß, daß der Import und die Lagerung von Uran aufgrund der geringen Quantitäten, mit denen gearbeitet wird, überhaupt gar kein Problem darstellt, abgesehen von dem Fakt, daß wir selbst auch Uran im eigenen Land im Boden besitzen. Der Anteil des Urans an den Kosten der Atomenergie ist viel geringer als der von Öl- und Gas bei der Energieerzeugung mit diesen Rohstoffen..

Gabriels Lieblingsargument aber ist, daß die extrem hohen Energiekosten in diesem Land, die fast die gesamte Bevölkerung und einen Großteil der Unternehmen würgen, auf dem Oligopol der Energiekonzerne beruhen. Und da muß man zurückfragen: und wer hat dieses Oligopol der Energiekonzerne gestützt? Es gab keine Regierung, die so stark die Handvoll der ganz großen Konzerne und Bankenkonsortien unterstützt hat, wie die sogenannte rot-grüne Regierung. Deren Motto war es, die ärmere Bevölkerung möglichst ganz verarmen zu lassen, die Mittelschichten abzuschöpfen und die mittleren Unternehmen zu schröpfen und zu vernichten zugunsten des ganz großen Bankkapitals.

Der sogenannte Konsensbeschluß von 2000 und 2002 war nichts anderes, als daß mit den Energiekonzernen vereinbart wurde: die Atomenergie wird langsam abgebaut, dafür könnt ihr euer Monopol behalten und ungeniert die Preise diktieren. Das heißt, die gleichen Leute wie Gabriel sind in Wirklichkeit an diesem Oligopol beteiligt und diese sogenannte Argumentation ist ein nichts.

 

Darüber hinaus binden gerade solche Leute wie Gabriel, aber auch Merkel, dieses Land an einen wirklichen Energiemonopolisten an, der von seinem Energiemonopol rücksichtslos Gebrauch macht – und das ist Rußland. Unverhohlen verkündet Schröder, daß man sich besonders eng an russisches Gas anbinden solle, dessen Lobbyist er unmittelbar geworden ist. Und was die Sache der Kernenergie angeht, so liegt die Sache in punkto Rußland doch so klar wie Nichts auf der Hand. Der Tschernobyl-Vorfall wurde seinerzeit genutzt, um in Deutschland die Kernenergie zu stoppen. Das gleiche Land, das die Verantwortung dafür trägt, denkt gar nicht daran, die Kernenergie einzustellen. Rußland, der Nachfolgestaat, will das Gas exportieren und seine eigene Kernenergie entwickeln.

An der gesamten Anti-AKW-Bewegung der 70er und 80er Jahre waren die DKP und verschiedene andere Kräfte, die in einer engen Verbindung mit der sogenannten Friedenspolitik der damaligen Sowjetunion standen, beteiligt. Also war auch die Sowjetunion darin involviert. Ohne die sogenannten linken Kräfte hätte es diese breite Kampagne nie gegeben. Und heute macht ein ehemaliger Offizier des KGB an der Spitze des russischen Kapitalismus mit dem Energiemonopol Politik und nutzt den Umstand der Demontage der Kernenergie in Deutschland skrupellos für seine eigenen Interessen aus.

Jeder Mensch, der auch nur ein bißchen politische Fakten sehen will, kann sehen, daß hier in anderen Ländern Kampagnen zur Liquidierung der Kernenergie gestartet wurden, die in diesem umfassenden Ausmaß nur Auswirkungen auf Mitteleuropa – Deutschland und Österreich – hatten, während umgekehrt diese Länder wie die Sowjetunion und in einem anderen Fall die USA ihr Atommonopol fröhlich weiter entwickeln. So naiv kann man gar nicht sein, als daß man solche Zusammenhänge übersehen oder mißinterpretieren könnte. Hier liegt Käuflichkeit in der Politik vor, das muß klar gesagt werden.

 

Die gesamte Anti-AKW-Bewegung kann nicht von dem abhängigen Status der Bundesrepublik Deutschland losgelöst werden, der sich bis zum heutigen Tage in aller Deutlichkeit in der Alltagspolitik bemerkbar macht.

 

Auf der Konferenz der G8 im Sommer kam es zu folgender Konstellation, an die man immer wieder erinnern muß: von den 8 Staaten treten 7 für Kernenergie ein, nur Deutschland muß dagegen opponieren, und die Kanzlerin ist mit voll dabei. Die Bundeskanzlerin kann sich dabei bei den politischen Kräften auf eine breite Front stützen. Fast die ganze sogenannte Linke nimmt an der Anti-AKW-Kampagne teil. Von den Parteien im Parlament treten die SPD, selbstverständlich die Grünen, die PDS und größere Teile von CDU und CSU gegen die Kernenergie auf und machen die Blockadepolitik mit. Die FDP hat sich zumindest in der Vergangenheit auch an der Anti-Atompolitik beteiligt. Und schließlich stehen auch die neofaschistischen Parteien und Gruppierungen wie NPD auf seiten der Anti-AKW-Kampagne. Also könnte man sagen, die Bundeskanzlerin kann sich auf eine breitestmögliche Einheit im Lande stützen. Diese breitestmögliche Einheit der politischen Kräfte im Lande steht im widersprüchlichen Verhältnis zu der sehr breiten Entwicklung für die Kernenergie international auf der Welt. Aber nicht nur das, sie steht auch im Widerspruch zu einem wachsenden Meinungswandel in unserer Bevölkerung selbst, die ihre Erfahrungen macht, mit der SPD und den Grünen, und die nicht übersieht, was sich international tut.

 

Was sind das für politische Kräfte, die dieses Land regieren?

 

Es ist das politische System in der Bundesrepublik Deutschland, das die Bevölkerung niedertrampelt, das rücksichtslos die Entwicklung des ganzen Landes behindert, nicht nur in der Frage der Kernenergie, sondern auch in vielen anderen Fragen. Und die schwächliche und ärmliche Opposition der CDU gegen bestimmte Punkte dieser Blockade ist so schwach, daß sie das nicht aufhalten können, selbst wenn sie die Bundeskanzlerin stellen. Und aus dieser Konstellation müssen Schlußfolgerungen kommen, man braucht eigene Kräfte dagegen. Der Wert der großen Koalition besteht darin, daß sie zeigt, wie im Grunde genommen das ganze Regime diese Bevölkerung erpreßt, unterdrückt, schädigt und sie ihrer Rechte beraubt. Dieses prinzipiell zu behandeln, wird noch mehrfach notwendig sein.

 

Zu den Erzählungen des Herrn Gabriel gehört auch: wir hätten doch bisher noch Kernenergie und trotzdem seien die Strompreise hoch. Zum einen macht der Atomenergieanteil 30% aus, und er vergißt eben den Punkt, daß sie selbst die Strukturen der Hochpreispolitik und der hohen Netzgebühren mit unterstützt haben. Schließlich aber sind bereits 2 Kernkraftwerke geschlossen worden, wofür wir täglich zahlen müssen, obwohl diese beiden Werke noch 20-30 Jahre weiter Strom hätten produzieren können. Und dann redet er von Alternativen wie Wind- und Sonnenenergie oder kleinen Wasserkraftwerken, die in Wirklichkeit steuerfinanzierte Pseudoinvestitionen sind, die eine Raubpolitik gegenüber der Bevölkerung darstellen und weiter verschärfen werden.

Schließlich gewinnen auch die großen Strommonopole selbst aus den sogenannten alternativen und erneuerbaren Energien. Sie beteiligen sich nämlich an den steuerfinanzierten Projekten, Windparks und ähnlichem, und können so eine große Menge an Subventionen einstreichen. Die Gesamtheit der Subventionen für „alternative Energien“, die die Bevölkerung über die Stromgebühren bezahlen, beträgt bereits über 8,8 Mrd. Euro pro Jahr.

 

Deswegen muß klargestellt werden: Die Verlängerung der Laufzeit des Blocks A des Kernkraftwerkes in Biblis, das 60% der Stromversorgung von Hessen trägt, ist als Sofortmaßnahme selbstverständlich. Darüber hinaus muß der sogenannte Konsensbeschluß verschwinden. Es muß Aufklärung her, wie es dazu kommen konnte, daß Jahrzehnte lang die Menschen gegen diese moderne Energieform agitiert werden konnten, derweil sie auf internationaler Ebene sich weiter entwickelte und heute ein völlig unhaltbarer Widerspruch entstanden ist.

 

 

Redaktion Neue Einheit -hd

 

 

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Die Bedeutung des sog. Konsenses über die Stillegung der Kernenergie
Memorandum von Hartmut Dicke

7. Juli 2000

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zur Frage der Kernenergie