Internet Statement 2007-82

 

Ein weiterer deutlicher Fall:
Der Verfassungsschutz-Skandal in NRW

Zum Thema Neonazis und Staat


Walter Grobe, 29.09.2007

Am 11.9.07 war auf Indymedia ein hochinteressanter Beitrag zu lesen, der einige Enthüllungen der letzten Zeit über die Tätigkeit des Verfassungsschutzes von NRW in der Neonazi-Szene zusammenfaßte.

Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz arbeitete diesen Berichten zufolge seit Jahren mit einem Hochkriminellen aus dem Neonazi-Milieu von Dortmund und Lünen zusammen. Dieser Mensch, dessen Name mit Sebastian Seemann angegeben wird, ist offenbar in drei Bereichen aktiv: Drogenhandel, Prostitution und Waffenschmuggel, Organisation der Neonazi-Szene und Verfassungsschutz, dem er, wie es heißt, als Spitzel dient.
Offenbar ist dem nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz dieser Mensch so wichtig, daß Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden gegen ihn durch den Verfassungsschutz mittels Warnungen an Seemann unterlaufen wurden.
Die Sache kam durch einen Strafprozeß in Dortmund an die Öffentlichkeit. Hier wurde ein junger Mann, der anscheinend ebenfalls dem Neonazi-Milieu angehört, zu 8 Jahren Gefängnis verurteilt, weil er mit einer Pistole bewaffnet eine Plus-Filiale in Dortmund-Brechten überfallen und einen arabischstämmigen Kassierer so schwer verletzt hatte, daß dieser beinahe gestorben wäre. Im Prozeß gab er an, zu dem Überfall von Seemann angestiftet und mit der Waffe ausgerüstet worden zu sein. Er habe diesem 17.000 Euro Drogengeld geschuldet und daher den Überfall versucht. In den Prozeßakten sollen sich deutliche Hinweise auf die Zusammenarbeit des Seemann mit seinem V-Mann-Führer im nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz befinden, aber auch auf weitere Verfassungsschutz-Agenten in der Neonazi-Szene der Region. Die Rede ist von 5 bis 6 Leuten, mitunter auch von bis zu zwölf.
Zum engeren Bekanntenkreise des Seemann soll nicht nur der Verurteilte, sondern bspw. auch ein gewisser Michael Berger gehört haben, ein Rechter, der im Jahre 2000 in Dortmund drei Polizisten ermordet hatte, anschließend sich selbst, und schon damals den Verdacht erregt hat, seinerseits mit dem Verfassungsschutz zusammenzuhängen. Es wird vermutet, daß die Polizei mit den Informations-Lecks über die VS-connections hier versucht, einen Gegenschlag gegen den Verfassungsschutz zu landen.

Sebastian Seemann gehörte offenbar zu den maßgeblichen Organisatoren der Neonazi-Aktivitäten in NRW. Er betätigte sich bspw. in Belgien und den Niederlanden in dem sog. Blood-and-Honour-Netzwerk und soll dessen Strukturen in der BRD, wo es verboten ist, aufgebaut haben. Diese Kreise verfügen bzw. verfügten in Belgien und den Niederlanden über erhebliche Waffenlager und gute Kontakte zu Armeekreisen.
So weit eine Zusammenfassung aus den vorliegenden Medienberichten.


Seit langem setzt sich unsere Gruppe publizistisch mit dem Neonazi-Unwesen auseinander. Wir sind immer dafür eingetreten, das entschiedene Nein zu diesen politisch höchst schädlichen Umtrieben mit der Frage nach ihren Hintergründen und Hinterleuten im Staat zu verbinden. Ohne das Interesse bestimmter Teile des Staatsapparates und der bürgerlichen Parteien an der Existenz einer derartigen Neonazi-Szene, an einem gewissen Maß Provokationen und Verbrechen und entsprechender (auch internationaler) Medienpräsenz sind diese Strukturen nicht denkbar. Ohne die organisierende Tätigkeit von Typen wie Seemann, die vom Verfassungsschutz beschützt werden und deren Tätigkeit dem Verfassungsschutz bekannt ist – um nicht zu sagen: vom Verfassungsschutz angeleitet wird -, hätte das Treiben noch viel weniger Masse, als ihm derzeit zugemessen wird. Die gesamte Geschichte der Neonazi-Organisationen seit Jahrzehnten ist geprägt von der Tatsache, daß wesentliche Kader beim Verfassungsschutz tätig sind. Diese Verknüpfung hat ein derartiges Ausmaß, daß das Bundes-Verfassungsgericht im Jahre 2003 den Verbotsantrag der Schröder-Fischer-Regierung bekanntlich mit der Begründung ablehnte, der Staat könne nicht in einem Verbotsprozeß gegen die NPD sowohl als Ankläger wie als Angeklagter auftreten; ohne daß der Verfassungsschutz seine zahlreichen Spitzel aus der NPD zurückziehe, sei an einen Prozeß nicht zu denken.

Nicht weniger interessant als diese Staats-Connection der Neonazis ist das Verhalten der meisten Gruppen, die sich als „Antifa“ bezeichnen. In den Aufrufen dieser Kreise wird die innere Verquickung staatlicher Stellen wie VS & Co. mit dem Treiben der Neonazis so gut wie nie zum Thema gemacht. Sie möchten es gern so hinstellen, als sei die Neonazi-Szene etwas von selbst, spontan in der Bevölkerung Entstehendes, als seien eben massive nazistische Tendenzen in der Bevölkerung vorhanden, die vorrangig bekämpft werden müßten. Daß es in den herrschenden Kreisen aber durchaus Neigungen und Programme gibt, so etwas, das in der Bevölkerung in Wirklichkeit keineswegs besonders beliebt ist, zu fördern und hochzuspielen, um bestimmte eigene üble Ziele durchzusetzen, diese Fragestellung ist bei der sog. Antifa noch nie populär gewesen. Ein Antifaschismus aber, der sich weigert, diese Umtriebe zum Thema zu machen, die den Neonazis als Hintergrund und Stütze dienen, begünstigt nicht nur diese, sondern auch die entsprechenden Machenschaften im Staat, bspw. in den Geheimdiensten.

Es gibt unter Jugendlichen eine Art verzweifelter Dreinschlägermentalität, die mit der Perspektivlosigkeit der Jugend in dieser kapitalistischen Gesellschaft zusammenhängt. Sie hängt auch mit den Verbrechen gegen die eigene Nation zusammen, die die Politikerkaste des Staates BRD sich leistet, und manche Jugendliche werden von dem Eindruck der Opposition angezogen, die die Neonazis demgegenüber zu erwecken versuchen. In Wirklichkeit gibt es keinerlei politische Konzeption bei den Ultrarechten, und der Verfassungsschutz desjenigen Systems, das sie zu bekämpfen vorgeben, zieht in Wirklichkeit auch bei ihnen die Strippen. Wie verlogen wirken die Reaktionen, die Indymedia aus Neonazikreisen gegenüber dem Fall Seemann zu berichten weiß. Wollen Neonazis ernsthaft so tun, als sei die Aufdeckung der Tätigkeit des Verfassungsschutzes bei ihnen eine totale Überraschung? Als werde ihnen jetzt erst klar, was bspw. die Praxis des Genannten, allen möglichen Leuten in ihrer Szene Waffen anzubieten, zu bedeuten hatte?

Aber wenn es um Verlogenheit geht, sollte man auch die zuständigen NRW-Regierungsstellen, bspw. den Innenminister Ingo Wolf (FDP), keinesfalls vergessen. Wie schreibt dieses Ministerium so schön:

„Innenministerium NRW und Ministerium für Schule und Weiterbildung - 27.04.06

Jugendkongress gegen Rechtsextremismus - Innenminister Wolf:
Dortmunder Jugendliche wollen mehr tun gegen rassistische Hetze, ausländerfeindliche Parolen und rechtsextremistische Propaganda. Rund 150 Schülersprecher, Klassensprecher und Schülerzeitungsredakteure besuchen deshalb heute in Dortmund den Jugendkongress "Wir im Revier: für Demokratie - gegen Rechtsextremismus", den das Innen- und das Schulministerium gemeinsam mit der Stadt Dortmund veranstalten. "Die Dortmunder Jugendlichen setzen ein klares Zeichen für eine weltoffene Stadt, in der Menschen mit unterschiedlichen Religionen, Hautfarben und Kulturen friedlich miteinander leben", erklärte NRW-Innenminister Dr. Ingo Wolf heute (27.4.) zur Eröffnung der Veranstaltung. "Der Jugendkongress liefert für Schulen und Schülerinnen und Schüler eine Fülle von Anregungen, wie man Aufklärung über rechtsextremistische Propaganda auch z.B. über die Schülerpresse interessant gestalten kann", sagte Schulministerin Sommer.“

Der Innenminister auf beiden Seiten – während er Schüler für den Kampf gegen die Neonazis anzuspornen vorgibt, organisieren Hochkriminelle unter der Aufsicht eben seines Ministeriums die Neonazis und lassen sich von ihrem beamteten Agentenführer vor eventuellen Schwierigkeiten mit Polizei und Staatsanwaltschaft behüten.

Es nimmt ja niemanden Wunder, wenn weder Neonazis noch der Innenminister über die Rolle des Verfassungsschutzes gern reden wollen – aber weshalb tut das auch die sog. Antifa nicht?
Dieselbe Frage richtet sich faktisch auch an fast alle offiziellen Organisationen wie SPD und Kirchen, auch die offizielle Linke, wenn sie gegen das Neonazitum sich äußern.


Die Bevölkerungspolitik der Bundesrepublik Deutschland und der Popanz des Neonazismus

Es wird in der linken Presse zwar gelegentlich erwähnt, daß der bürgerliche Staat in Deutschland und anderswo grundsätzlich ultrarechte Bestrebungen unterderhand fördert und sich in Reserve hält. Es ist auch gut, einmal anzugreifen, wie systematisch Behörden in Dortmund und im Ruhrgebiet offenbar an solchen Machenschaften beteiligt sind. Grundsätzlich wollen Staat und Kapital für politische Krisensituationen ein kriminelles, ein Terrorpotential gegenüber revolutionären Bewegungen, Persönlichkeiten und Organisationen in der Hinterhand halten. Aber es gibt auch noch andere wichtige Zusammenhänge, die grundsätzlich umgangen werden. Einen davon möchte ich hier einmal ansprechen:

Es gibt bspw. eine deutliche Beziehung zwischen der demografischen Politik aller offiziellen Parteien, der Politik in der Bevölkerungsfrage, und der Aufrührung von Neonazi-Phänomenen. Diese Politik hat das makabre Kennzeichen, vor allem der arbeitenden Bevölkerung, der deutschstämmigen wie auch den seit längerem Zugewanderten, den eigenen Nachwuchs materiell zu erschweren und zu vermiesen. Seit Jahrzehnten wachsen die Schwierigkeiten hauptsächlich für die Arbeiter und Angestellten der unteren Einkommensgruppen, Kinder aufzuziehen, zu erziehen und ihnen bei der Erschließung beruflicher Chancen behilflich zu sein. Gleichzeitig wurde und wird noch immer auf unterschiedlichen Kanälen eine Mentalität der individuellen Selbstverleugnung und eine Mentalität des nationalen Selbsthasses genährt, die in dieselbe Richtung wirken. Während aus derartigen Gründen über Jahrzehnte ein gewaltiger Bevölkerungsschwund und eine Tendenz zur Überalterung sich entwickelt haben, wurden von allen Parteien und Regierungen viele Millionen Menschen aus teilweise sehr unterschiedlichen Kulturen hereingezogen, was den Rückgang einstweilen noch irgendwie kompensiert. Es ist für jeden modernen Menschen in allen Ländern heute eigentlich selbstverständlich, daß die Bevölkerung des eigenen Landes durch Zuwanderer ergänzt und bereichert wird, das gilt auch für unser Land. Aber mit der Zuwanderung werden von den hier herrschenden Kreisen auch ganz andersartige Ziele verknüpft. Während ein Teil der Zuwanderer sich erfolgreich integriert, oft gegen alle möglichen Schikanen des deutschen Staates und der Reaktionäre der Herkunftsnationen, wurde vom Staat im Gegensatz zu seinen üblichen Bekenntnissen zur Integration in der Praxis die Bildung von reaktionären Separatgesellschaften lange Zeit nicht nur toleriert, sondern regelrecht gefördert. Sitten und Strukturen aus rückständigen Ländern, die für eine moderne demokratische Gesellschaft eine regelrechte Provokation und eine Bedrohung darstellen, durften sich mit Hilfe und in Gestalt der reaktionärsten Vertreter (z.B. die „Grauen Wölfe“ oder Islamisten aus verschiedenen Ländern) hier ausbreiten und aktiv werden, um die eigenen Landsleute in antidemokratischem Sinne zu kontrollieren und sie von einer erfolgreichen Integration in die moderne Gesellschaft fernzuhalten, aber auch um Sammelpunkte finsterer Hetze gegenüber der demokratischen Entwicklung der gesamten Gesellschaft zu bilden.

Jahrzehntelang hieß es gegen jeden, der diese Politik kritisieren wollte, er sei ein Rassist und Ausländerfeind. Es kann jedoch niemanden wundern, wenn z.B. manche politische völlig unerfahrene deutsche Jugendliche angesichts des Verhaltens bestimmter Ausländerkreise Abneigung und sogar Haß pauschal gegenüber anderen Nationen äußern. Das ist kurzsichtig und einseitig, denn in allen Nationen gibt es die Spaltung zwischen Reaktionären und Fortschrittlichen, und die Frage muß lauten, wer in der Zuwanderungspolitik systematisch die Reaktionäre bevorzugt und sie relativ ungehindert gegen die Mehrheit gewähren läßt. Bspw. Islamisten, dieses abstoßende Milieu, in dem das weibliche Geschlecht von vornherein erniedrigt wird, diese arroganten Chauvinisten und Rassisten, die unser Land ganz selbstverständlich als ein Gebiet betrachten, in dem sie ihre reaktionäre Herrschaft auszudehnen gedenken. Niemand anderes als unser Staats- und Parteienapparat, als unser Kapitalismus selbst haben das getan und tun das weiter, die damit seit langem schmutzige Ziele verfolgen, die Bevölkerung zu lähmen und zu spalten. Sie sind die Initiatoren und Organisatoren dieser Entwicklung und sind damit selbst verantwortlich auch für Fehlentwicklungen bis hin zum Rassismus unter deutschen Jugendlichen. Wie die Enthüllungen über den NRW-Verfassungsschutz zeigen, fördern sie diese sogar wissentlich.
(Für eine umfassendere Analyse der „Ausländerfrage“, wie wir sie sehen, kann man bspw. den Artikel von Hartmut Dicke, Die Verhandlungen der Europäischen Union mit der Türkei – Symptomatisches über Machtverhältnisse und ihr Ursprünge, IS 2005-81 und IS 2006-104) heranziehen)

Jeder kennt solche Sätze wie: ‚der Rassismus in Deutschland kommt aus der Mitte der Gesellschaft’. Das ist eine These, die Grüne oder SPD fast in ihrer Gänze vertreten, und zumindest wichtige Kreise der übrigen Parteien ebenfalls. Mit derartigen üblen Verdrehungen und falschen Anklagen wollen sie alle sich gegen die Kritik an ihrer Politik abschirmen. Während sie selbst unterderhand alle möglichen Spielarten des Rassismus dulden und sogar fördern, klagen sie die Bevölkerung an, die in Wirklichkeit nach wie vor wenig dahin tendiert.

Übrigens gibt es von daher auch bei solchen ach so demokratischen Parteien wie SPD und Grünen ein schmutziges Interesse an der Existenz einer kriminellen Neonaziszene. Das sollte man nicht weniger beachten als die Verbindungen, die manche Konservative und Rechte direkt zu Nazis haben. Einem Staat, der seiner Bevölkerung elementare Forderungen verweigert, muß nichts so gerufen kommen wie solche Neonazis, die Probleme der Bevölkerungsentwicklung in eine ultrarechte und ins Kriminelle hinüberspielende Richtung umzusetzen versuchen.

Wenn aber seit langem auch eine antifaschistische Szene, die sich als „autonom“ versteht, in ihren Veröffentlichungen sich darin gefällt, die Regierungspropaganda noch zu toppen und sich mit Vorliebe darüber zu verbreiten, daß man von der deutschen Bevölkerung sowieso etwas Anderes als Nazitum nicht erwarten könne, dann haben wir hier kein wirkliches Vorgehen gegen den Faschismus, sondern eine Rollenverteilung, wie sie politische Intriganten des herrschenden Systems gern sehen. Mit Parolen wie „Deutschland Verrecke!“ wird hier auch geradezu daran gearbeitet, Jugendliche in die Arme der Neonazis, die scheinbar dagegenhalten, zu treiben.


Neonazis und Antideutsche – ein schmutziges Spiel mit verteilten Rollen

Auch wenn die meisten Menschen, die sich im Kampf gegen das Neonazitum engagieren, etwas Anderes wollen, ist der Gegensatz zwischen Neonazis und dieser Art von Antifa in Wirklichkeit nur sehr relativ. Die einen geben den Vorwand dafür, die Bevölkerung als potentiell neonazistisch zu verleumden, damit Regierung und Kapital ihr noch mehr antun können, und die anderen hauen genau in diese Regierungskerbe noch hinein. Wacht mal langsam auf, Leute, wenn Ihr meint, mit dieser Art von Antifa-Politik etwas gegen Rechts zu bewirken! Eines Tages könnte sehr wohl von den herrschenden Kreisen in diesem Lande ein offener Rechtsschwenk, ein tatsächliches faschistisches oder faschistoides Regime in diesem Lande versucht werden unter dem Vorwand, daß jetzt Schluß gemacht werde mit der Verletzung der nationalen Gefühle in der Bevölkerung und mit einer Linken, die da mitgemacht habe. Spätestens dann wird man die Frage nach der Mitverantwortung einer derartigen „Antifa“-Politik nicht mehr abweisen können. Aber es ist besser, sich Gedanken zu machen, bevor es so weit kommt und solange man es verhindern kann.

Ein Beispiel aus Dortmund

Am 1. Mai 2007 organisierten Antifa-Kräfte in Dortmund eine Gegendemo gegen einen Neonazi-Aufmarsch. Während dieser mit verlogenen antikapitalistischen Losungen auftrat, verbreitete die Antifa unter den zahlreich erschienenen Jugendlichen, die etwas gegen die Neonazis tun wollten, eine wüste „antideutsche“ Propaganda, in der die deutsche Nation insgesamt als heimlicher Rassistenmob bespien wurde. Zwar versuchte der Aufruf mit manchen Sätzen an revolutionäre internationalistische Gefühle zu appellieren, die wir teilen, aber wenn gleichzeitig empfohlen wurde, sich auf die USA und Israel zu stützen, kann da ja wohl Einiges nicht stimmen. Angesichts einer derartigen Propaganda kann man nur zum Schluß kommen, daß der Verfassungsschutz hier offenbar auf beiden Seiten den Ton angab, bei den Schreibern der Antifa und den Neonazis, einmal abgesehen von den Kreisen in den USA und Israel, denen an einer derartigen Hetze ebenfalls gelegen ist. In einer derartigen Pseudokonfrontation kann nie etwas herauskommen, was der Gesellschaft oder den auf beiden Seiten beteiligten Jugendlichen irgend etwas bringen würde. Man kann keinen Schritt weiterkommen, wenn man sich nicht schwerpunktmäßig mit den wirklichen Mächten und Machthabern unserer Gesellschaft, natürlich auch der internationalen Gesellschaft, mit ihrer Politik und ihren Intrigen konfrontiert.

Bei der antifaschistischen Gegendemo vom 1. Mai 07 haben wir ein Flugblatt mit einer Zusammenfassung unserer Ansichten zu der Nazifrage verbreitet („Ein paar Sätze zu den hintergründigen Beziehungen der Neonazis zu Staat und Kapitalismus“); nunmehr erfolgen die krassen Aufdeckungen im Falle Seemann – NRW-Verfassungsschutz. Da bleibt auch den Antifa-Autoren anscheinend momentan nichts übrig, als auch einmal ein Wörtchen über die Verfassungsschutz-Hintergründe der Neonazis zu verlieren. Die Autoren des Indymedia-Artikels präsentieren das Bild eines kleinen Graffito „Kein NS ohne Verfassungsschutz“. Aber man sehe sich einmal die Schlußfolgerungen an, die sie am Ende empfehlen:

„Und die AntifaschistInnen?
A) Sollten publizistisch dagegen halten – gegen diese Pressekampagne aus Düsseldorf und gegen die Schere im Kopf, die das Denken so vieler JournalistInnen und Presseorgane ausmacht.
B) Angesicht der Tatsache, dass die Naziszene im Pott für ihre Anti-Antifa Kampagne die nötigen Waffen und Sprengstoffe bekommen hat – angesichts dessen sollten sie sich „warm anziehen“ und dagegen halten!“

Was soll das heißen? Wenn die Landesregierung die Verantwortung für ihren Verfassungsschutz und seine Taten ableugnet, muß man natürlich dagegen halten. Aber was die ‚Schere im Kopf’ betrifft (gemeint ist die Selbstzensur von Journalisten, die bestimmte heiße Themen sich selbst verbieten): da sollte sich die Antifa doch erst mal an den eigenen fassen. Es waren bürgerliche Medien, die schon wochenlang vor Indymedia sich mit dem aktuellen Skandal befaßt haben, und schon seit mindestens 15 Jahren ist unter Linken unser Artikel von 1992 „Neonazismus und Staat“ verbreitet worden (mehrere andere in diesem Sinne folgten), während für die Antifa das Thema „Der Staat hinter den Neonazis“ anscheinend bis zum 11.9. 2007 grundsätzlich der besagten Schere zum Opfer gefallen war. Wenn aber die Antifa nun andeuten will, daß man sich bewaffnen solle, so ist das im Zeichen einer Politik, die selbst an der Strippe des Staates geht, eine makabre Aufforderung. Soll etwa so etwas wie Bandenkrieg resultieren, aus dem der Staat erst recht den Nutzen verschärfter Repression ziehen würde? Demokratische Gegengewalt, die zur Selbstverteidigung gegen Faschismus in der Tat legitim ist, erfordert eine klare Feindbestimmung und ein politisches Konzept, das von den Massen getragen werden kann, und da findet man bei der Antifa leider alles andere, nur das nicht.



Mit „gääähn“ zeichnete jemand seine Zuschrift zu dem Indymedia-Artikel. Er/sie schreibt, zu Recht enttäuscht von dem Schluß:

„Die Schwäche des Artikels ist die Schlussfolgerung. Trotz aller gesammelten Informationen fällt die Reaktion am Ende eher enttäuschend aus. Was sollten Antifaschisten und -innen tun?

- anerkennen, dass Faschos im Dienste des Staates stehen und der Staat diese benutzt, um linke Protestbewegungen zu bekämpfen, auch mit kriminellen Methoden. Faschos übernehmen die Drecksarbeit für den Staat, auch wenn sie mit links klingenden Parolen hausieren gehen.

- das Verbot aller faschistischen Organisationen fordern, sowie von Parolen wie "ruhm und ehre der waffen-ss". Rassistische Äußerungen müssen unter Strafe gestellt werden!

- eine umfassende antifaschistische Aufklärung an den Schulen! Es kann nicht sein, dass viele Jugendliche Faschos anhand ihrer Äußerlichkeiten nicht als solche wiedererkennen, wenn sie nicht vorher von Antifa-Gruppen dafür sensibilisiert worden sind.

In anderen Ländern ist die Zusammenarbeit zwischen Geheimdiensten und faschistischen Kriminellen und Mördern schon etwas länger bekannt: Eine öffentliche Debatte muss her, denn selbst Antifa-Gruppen sind da sehr schlecht informiert!“
[originale links entfernt, W. Gr.]

Ein paar Punkte sollte man unserer Meinung nach da noch hinzunehmen:

- Diskutieren und öffentlich aufklären, wie der Staat nicht nur Neonazis, sondern auch einen antifaschistischen Kampf in seinem Sinne beeinflussen kann, nämlich so, daß er die Rolle des Staates beharrlich außen vor läßt,

- diskutieren und öffentlich aufklären, wie die Neonazis auf eine völlig verdrehte und rassistische, ins Nichts führende Weise in der Bevölkerungsfrage herumrühren,

- diskutieren und Konzepte entwickeln, wie die große Mehrheit in diesem Land, einschließlich der demokratisch eingestellten Mitbürger ausländischer Herkunft, sich gegen Massenarbeitslosigkeit, Entrechtung der Jugend, gewollte Entindustrialisierung und die Beschneidung der Möglichkeiten, Kinder bekommen und aufziehen zu können, wehren kann.

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Neonazismus und Staat
NEUE EINHEIT-Extrablatt Nr. 19, Dezember 1992:

Die Verhandlungen der europäischen Union mit der Türkei
Symptomatisches über Machtverhältnisse und ihre Ursprünge (I)

Hartmut Dicke
24.Oktober 2005

Die Verhandlungen der europäischen Union mit der Türkei
Symptomatisches über Machtverhältnisse und ihre Ursprünge (II)

Hartmut Dicke
23. Dezember 2006