Internet Statement 2007-82
Ein
weiterer deutlicher Fall:
Am 11.9.07 war auf Indymedia ein hochinteressanter Beitrag zu lesen, der einige Enthüllungen der letzten Zeit über die Tätigkeit des Verfassungsschutzes von NRW in der Neonazi-Szene zusammenfaßte. Der nordrhein-westfälische
Verfassungsschutz arbeitete diesen Berichten zufolge seit Jahren mit
einem Hochkriminellen aus dem Neonazi-Milieu von Dortmund und Lünen
zusammen. Dieser Mensch, dessen Name mit Sebastian Seemann angegeben
wird, ist offenbar in drei Bereichen aktiv: Drogenhandel, Prostitution
und Waffenschmuggel, Organisation der Neonazi-Szene und Verfassungsschutz,
dem er, wie es heißt, als Spitzel dient.
Nicht weniger interessant als diese Staats-Connection der Neonazis ist das Verhalten der meisten Gruppen, die sich als „Antifa“ bezeichnen. In den Aufrufen dieser Kreise wird die innere Verquickung staatlicher Stellen wie VS & Co. mit dem Treiben der Neonazis so gut wie nie zum Thema gemacht. Sie möchten es gern so hinstellen, als sei die Neonazi-Szene etwas von selbst, spontan in der Bevölkerung Entstehendes, als seien eben massive nazistische Tendenzen in der Bevölkerung vorhanden, die vorrangig bekämpft werden müßten. Daß es in den herrschenden Kreisen aber durchaus Neigungen und Programme gibt, so etwas, das in der Bevölkerung in Wirklichkeit keineswegs besonders beliebt ist, zu fördern und hochzuspielen, um bestimmte eigene üble Ziele durchzusetzen, diese Fragestellung ist bei der sog. Antifa noch nie populär gewesen. Ein Antifaschismus aber, der sich weigert, diese Umtriebe zum Thema zu machen, die den Neonazis als Hintergrund und Stütze dienen, begünstigt nicht nur diese, sondern auch die entsprechenden Machenschaften im Staat, bspw. in den Geheimdiensten. Es gibt unter Jugendlichen eine Art verzweifelter Dreinschlägermentalität, die mit der Perspektivlosigkeit der Jugend in dieser kapitalistischen Gesellschaft zusammenhängt. Sie hängt auch mit den Verbrechen gegen die eigene Nation zusammen, die die Politikerkaste des Staates BRD sich leistet, und manche Jugendliche werden von dem Eindruck der Opposition angezogen, die die Neonazis demgegenüber zu erwecken versuchen. In Wirklichkeit gibt es keinerlei politische Konzeption bei den Ultrarechten, und der Verfassungsschutz desjenigen Systems, das sie zu bekämpfen vorgeben, zieht in Wirklichkeit auch bei ihnen die Strippen. Wie verlogen wirken die Reaktionen, die Indymedia aus Neonazikreisen gegenüber dem Fall Seemann zu berichten weiß. Wollen Neonazis ernsthaft so tun, als sei die Aufdeckung der Tätigkeit des Verfassungsschutzes bei ihnen eine totale Überraschung? Als werde ihnen jetzt erst klar, was bspw. die Praxis des Genannten, allen möglichen Leuten in ihrer Szene Waffen anzubieten, zu bedeuten hatte? Aber wenn es um Verlogenheit geht, sollte man auch die zuständigen NRW-Regierungsstellen, bspw. den Innenminister Ingo Wolf (FDP), keinesfalls vergessen. Wie schreibt dieses Ministerium so schön:
Der Innenminister auf beiden Seiten – während er Schüler für den Kampf gegen die Neonazis anzuspornen vorgibt, organisieren Hochkriminelle unter der Aufsicht eben seines Ministeriums die Neonazis und lassen sich von ihrem beamteten Agentenführer vor eventuellen Schwierigkeiten mit Polizei und Staatsanwaltschaft behüten. Es nimmt ja niemanden
Wunder, wenn weder Neonazis noch der Innenminister über die Rolle
des Verfassungsschutzes gern reden wollen – aber weshalb tut das auch
die sog. Antifa nicht?
Es wird in der
linken Presse zwar gelegentlich erwähnt, daß der bürgerliche
Staat in Deutschland und anderswo grundsätzlich ultrarechte Bestrebungen
unterderhand fördert und sich in Reserve hält. Es ist auch
gut, einmal anzugreifen, wie systematisch Behörden in Dortmund
und im Ruhrgebiet offenbar an solchen Machenschaften beteiligt sind.
Grundsätzlich wollen Staat und Kapital für politische Krisensituationen
ein kriminelles, ein Terrorpotential gegenüber revolutionären
Bewegungen, Persönlichkeiten und Organisationen in der Hinterhand
halten. Aber es gibt auch noch andere wichtige Zusammenhänge, die
grundsätzlich umgangen werden. Einen davon möchte ich hier
einmal ansprechen: Jahrzehntelang
hieß es gegen jeden, der diese Politik kritisieren wollte, er
sei ein Rassist und Ausländerfeind. Es kann jedoch niemanden wundern,
wenn z.B. manche politische völlig unerfahrene deutsche Jugendliche
angesichts des Verhaltens bestimmter Ausländerkreise Abneigung
und sogar Haß pauschal gegenüber anderen Nationen äußern.
Das ist kurzsichtig und einseitig, denn in allen Nationen gibt es die
Spaltung zwischen Reaktionären und Fortschrittlichen, und die Frage
muß lauten, wer in der Zuwanderungspolitik systematisch die Reaktionäre
bevorzugt und sie relativ ungehindert gegen die Mehrheit gewähren
läßt. Bspw. Islamisten, dieses abstoßende Milieu, in
dem das weibliche Geschlecht von vornherein erniedrigt wird, diese arroganten
Chauvinisten und Rassisten, die unser Land ganz selbstverständlich
als ein Gebiet betrachten, in dem sie ihre reaktionäre Herrschaft
auszudehnen gedenken. Niemand anderes als unser Staats- und Parteienapparat,
als unser Kapitalismus selbst haben das getan und tun das weiter, die
damit seit langem schmutzige Ziele verfolgen, die Bevölkerung zu
lähmen und zu spalten. Sie sind die Initiatoren und Organisatoren
dieser Entwicklung und sind damit selbst verantwortlich auch für
Fehlentwicklungen bis hin zum Rassismus unter deutschen Jugendlichen.
Wie die Enthüllungen über den NRW-Verfassungsschutz zeigen,
fördern sie diese sogar wissentlich. Jeder kennt solche Sätze wie: ‚der Rassismus in Deutschland kommt aus der Mitte der Gesellschaft’. Das ist eine These, die Grüne oder SPD fast in ihrer Gänze vertreten, und zumindest wichtige Kreise der übrigen Parteien ebenfalls. Mit derartigen üblen Verdrehungen und falschen Anklagen wollen sie alle sich gegen die Kritik an ihrer Politik abschirmen. Während sie selbst unterderhand alle möglichen Spielarten des Rassismus dulden und sogar fördern, klagen sie die Bevölkerung an, die in Wirklichkeit nach wie vor wenig dahin tendiert. Übrigens gibt es von daher auch bei solchen ach so demokratischen Parteien wie SPD und Grünen ein schmutziges Interesse an der Existenz einer kriminellen Neonaziszene. Das sollte man nicht weniger beachten als die Verbindungen, die manche Konservative und Rechte direkt zu Nazis haben. Einem Staat, der seiner Bevölkerung elementare Forderungen verweigert, muß nichts so gerufen kommen wie solche Neonazis, die Probleme der Bevölkerungsentwicklung in eine ultrarechte und ins Kriminelle hinüberspielende Richtung umzusetzen versuchen. Wenn aber seit langem auch eine antifaschistische Szene, die sich als „autonom“ versteht, in ihren Veröffentlichungen sich darin gefällt, die Regierungspropaganda noch zu toppen und sich mit Vorliebe darüber zu verbreiten, daß man von der deutschen Bevölkerung sowieso etwas Anderes als Nazitum nicht erwarten könne, dann haben wir hier kein wirkliches Vorgehen gegen den Faschismus, sondern eine Rollenverteilung, wie sie politische Intriganten des herrschenden Systems gern sehen. Mit Parolen wie „Deutschland Verrecke!“ wird hier auch geradezu daran gearbeitet, Jugendliche in die Arme der Neonazis, die scheinbar dagegenhalten, zu treiben.
Auch wenn die meisten Menschen, die sich im Kampf gegen das Neonazitum engagieren, etwas Anderes wollen, ist der Gegensatz zwischen Neonazis und dieser Art von Antifa in Wirklichkeit nur sehr relativ. Die einen geben den Vorwand dafür, die Bevölkerung als potentiell neonazistisch zu verleumden, damit Regierung und Kapital ihr noch mehr antun können, und die anderen hauen genau in diese Regierungskerbe noch hinein. Wacht mal langsam auf, Leute, wenn Ihr meint, mit dieser Art von Antifa-Politik etwas gegen Rechts zu bewirken! Eines Tages könnte sehr wohl von den herrschenden Kreisen in diesem Lande ein offener Rechtsschwenk, ein tatsächliches faschistisches oder faschistoides Regime in diesem Lande versucht werden unter dem Vorwand, daß jetzt Schluß gemacht werde mit der Verletzung der nationalen Gefühle in der Bevölkerung und mit einer Linken, die da mitgemacht habe. Spätestens dann wird man die Frage nach der Mitverantwortung einer derartigen „Antifa“-Politik nicht mehr abweisen können. Aber es ist besser, sich Gedanken zu machen, bevor es so weit kommt und solange man es verhindern kann.
Am 1. Mai 2007 organisierten Antifa-Kräfte in Dortmund eine Gegendemo gegen einen Neonazi-Aufmarsch. Während dieser mit verlogenen antikapitalistischen Losungen auftrat, verbreitete die Antifa unter den zahlreich erschienenen Jugendlichen, die etwas gegen die Neonazis tun wollten, eine wüste „antideutsche“ Propaganda, in der die deutsche Nation insgesamt als heimlicher Rassistenmob bespien wurde. Zwar versuchte der Aufruf mit manchen Sätzen an revolutionäre internationalistische Gefühle zu appellieren, die wir teilen, aber wenn gleichzeitig empfohlen wurde, sich auf die USA und Israel zu stützen, kann da ja wohl Einiges nicht stimmen. Angesichts einer derartigen Propaganda kann man nur zum Schluß kommen, daß der Verfassungsschutz hier offenbar auf beiden Seiten den Ton angab, bei den Schreibern der Antifa und den Neonazis, einmal abgesehen von den Kreisen in den USA und Israel, denen an einer derartigen Hetze ebenfalls gelegen ist. In einer derartigen Pseudokonfrontation kann nie etwas herauskommen, was der Gesellschaft oder den auf beiden Seiten beteiligten Jugendlichen irgend etwas bringen würde. Man kann keinen Schritt weiterkommen, wenn man sich nicht schwerpunktmäßig mit den wirklichen Mächten und Machthabern unserer Gesellschaft, natürlich auch der internationalen Gesellschaft, mit ihrer Politik und ihren Intrigen konfrontiert. Bei der antifaschistischen Gegendemo vom 1. Mai 07 haben wir ein Flugblatt mit einer Zusammenfassung unserer Ansichten zu der Nazifrage verbreitet („Ein paar Sätze zu den hintergründigen Beziehungen der Neonazis zu Staat und Kapitalismus“); nunmehr erfolgen die krassen Aufdeckungen im Falle Seemann – NRW-Verfassungsschutz. Da bleibt auch den Antifa-Autoren anscheinend momentan nichts übrig, als auch einmal ein Wörtchen über die Verfassungsschutz-Hintergründe der Neonazis zu verlieren. Die Autoren des Indymedia-Artikels präsentieren das Bild eines kleinen Graffito „Kein NS ohne Verfassungsschutz“. Aber man sehe sich einmal die Schlußfolgerungen an, die sie am Ende empfehlen:
Was soll das heißen? Wenn die Landesregierung die Verantwortung für ihren Verfassungsschutz und seine Taten ableugnet, muß man natürlich dagegen halten. Aber was die ‚Schere im Kopf’ betrifft (gemeint ist die Selbstzensur von Journalisten, die bestimmte heiße Themen sich selbst verbieten): da sollte sich die Antifa doch erst mal an den eigenen fassen. Es waren bürgerliche Medien, die schon wochenlang vor Indymedia sich mit dem aktuellen Skandal befaßt haben, und schon seit mindestens 15 Jahren ist unter Linken unser Artikel von 1992 „Neonazismus und Staat“ verbreitet worden (mehrere andere in diesem Sinne folgten), während für die Antifa das Thema „Der Staat hinter den Neonazis“ anscheinend bis zum 11.9. 2007 grundsätzlich der besagten Schere zum Opfer gefallen war. Wenn aber die Antifa nun andeuten will, daß man sich bewaffnen solle, so ist das im Zeichen einer Politik, die selbst an der Strippe des Staates geht, eine makabre Aufforderung. Soll etwa so etwas wie Bandenkrieg resultieren, aus dem der Staat erst recht den Nutzen verschärfter Repression ziehen würde? Demokratische Gegengewalt, die zur Selbstverteidigung gegen Faschismus in der Tat legitim ist, erfordert eine klare Feindbestimmung und ein politisches Konzept, das von den Massen getragen werden kann, und da findet man bei der Antifa leider alles andere, nur das nicht.
Ein paar Punkte sollte man unserer Meinung nach da noch hinzunehmen: - Diskutieren und öffentlich aufklären, wie der Staat nicht nur Neonazis, sondern auch einen antifaschistischen Kampf in seinem Sinne beeinflussen kann, nämlich so, daß er die Rolle des Staates beharrlich außen vor läßt, - diskutieren und öffentlich aufklären, wie die Neonazis auf eine völlig verdrehte und rassistische, ins Nichts führende Weise in der Bevölkerungsfrage herumrühren, - diskutieren und Konzepte entwickeln, wie die große Mehrheit in diesem Land, einschließlich der demokratisch eingestellten Mitbürger ausländischer Herkunft, sich gegen Massenarbeitslosigkeit, Entrechtung der Jugend, gewollte Entindustrialisierung und die Beschneidung der Möglichkeiten, Kinder bekommen und aufziehen zu können, wehren kann. |
Neonazismus
und Staat Die
Verhandlungen der europäischen Union mit der Türkei Die
Verhandlungen der europäischen Union mit der Türkei |