Die Propagandakampagnen des Westens – wechselnd zwischen Provokation und AnbiedereiDie Angst des Kapitalismus vor sozialer Unruhe im Westen wie in China
Walter Grobe, 17.5.08China und Myanmar/Birma stehen derzeit im Blickpunkt der ganzen Welt. Große Landstriche sind von verheerenden Naturkatastrophen betroffen, die Zahlen der Toten gehen in die Hunderttausende, die der Verletzten und ins Elend gestürzten in die Millionen. Weitere schwere Folgen wie Hunger und Seuchen drohen und sind in ihrem Ausmaß noch garnicht abzuschätzen. Wir können nicht mehr tun als dem birmesischen und dem chinesischen Volk unser Mitgefühl und unsere Solidarität auszusprechen.
Wir hoffen, daß der Kampf gegen die Katastrophenfolgen möglichst wirksam geführt und von internationaler Solidarität gestützt wird. Allerdings sollten dabei politische Fragen nicht ausgespart werden wie z.B. nach der Rolle der betreffenden Regierungen bei der Vorbeugung gegen solche Naturkatastrophen wie Erdbeben und verheerende Stürme und nun auch im weiteren beim Kampf gegen die Folgen. Es gibt massive substantielle Kritik an der birmesischen Militärjunta, der das Wohl der eigenen Bevölkerung offenbar weitgehend gleichgültig ist, aber auch an der chinesischen Regierung und Bürokratie, die von Korruption zerfressen sind. Das kann uns nicht gleichgültig sein, zumal solche dunklen Verhältnisse es gerade sind, an denen unsere eigenen Regierungen und Medien einhaken, um ihrerseits Handhaben für stärkeren Einfluß in Ländern wie Birma/Myanmar und auch solchen relativ mächtigen Staaten wie China zu finden, ihre eigenen Absichten zu beschönigen, Selbstgerechtigkeit zu verbreiten und Interventionen bis hin zu Kriegen vorzubereiten.
Im Folgenden möchten wir auf einige Hintergründe der westlichen Propagandakampagnen zu China und Birma eingehen.
Mitte März begann eine sog. Tibet-Kampagne in westlichen Staaten, mit der fast ununterbrochen mehrere Wochen lang über die Bildschirme und Zeitungs-Titelblätter die Öffentlichkeit heimgesucht wurde. Es wurde so dargestellt, als unterdrücke der chinesische Staat in der Provinz („Autonomes Gebiet“) Tibet, die eigentlich auch nur gewaltsam okkupiertes Territorium sei, friedliche Demonstranten, die für die Rechte der Tibeter einträten. In verschiedenen westlichen Staaten wurden bei der Passage der olympischen Fackel Auftritte von „Tibet“-Aktivisten für die Medien inszeniert, die trotz ihrer geringen Zahlen angeblich auch von großen Polizeiaufgeboten nicht im Zaum gehalten werden konnten. Auf diese Weise sollte eine Vorbereitungsphase der Olympischen Spiele zu einer Bühne für zweifelhafte Partialinteressen und eine provokatorische Kampagne mit Heimat im Weißen Haus umfunktioniert werden. Als ob man „Tibet“ zu einer Frage von Weltbedeutung hochspielen könnte, so agierten diese Medien wochenlang.
Kaum zwei Monate später herrscht in nicht wenigen Beiträgen derselben Medien fast der gegenteilige Ton gegenüber China: die Regierung wird mit Lob bedacht wegen ihrer angeblich volksfreundlichen und wohlorganisierten Erdbebenhilfe und der sog. Öffnung ihrer Berichterstattung für die Welt, während ein Dalai Lama sich derzeit mit zweitrangigen Gesprächspartnern im Westen begnügen muß. Gleichzeitig läuft jedoch weiter eine andere, wiederum höchst aggressive Kampagne, in der der Militärjunta Birmas (Myanmars) die Öffnung ihres Landes für sog. Hilfsmaßnahmen aufgezwungen werden soll, bis hin zur Drohung mit Militärintervention in diesem Land. Die birmanische Junta ist ein enger Bundesgenosse Chinas, und bisher wurde China immer vorgeworfen, daß nur seine schützende Hand der Militärjunta das Überleben ermögliche. Diese Kampagne richtet sich im Kern gegen China, dessen Regierung man doch gerade hofiert. Westliches Militär in Birma wäre eine kaum verhohlene Stützpunktnahme an der südwestlichen Grenze Chinas.
Die Tibet-Kampagne hatte nach einigen Wochen schon einen Dämpfer bekommen, wahrscheinlich auch deshalb, weil es von chinesischer Seite einige unangenehme Reaktionen gab. Die chinesische Regierung veröffentlichte Dokumente über die Unruhen in Lhasa und anderswo, wonach es mit Morden und Brandstiftungen tibetischer Separatisten gegen chinesischstämmige Bürger begonnen hatte, die die Regierung zum Eingreifen zwangen. Sie erinnerte auch daran, daß nach allgemeinen völkerrechtlichen Gesichtspunkten Tibet Teil Chinas war und ist, daß es keinen einzigen Staat auf der Welt gibt, der dies bestreitet oder offizielle Beziehungen zur sog. tibetischen Exilregierung des Dalai Lama unterhält. Dann kamen auch Analysen, daß die Unruhen offenbar in 2007 im Weißen Haus im Gespräch mit dem Dalai Lama und anderen beschlossen worden waren; man wollte die Aufmerksamkeit der Welt für China als Gastgeber der Olympischen Spiele nutzen, um die sog. Tibetfrage hochzuspielen und etwas gegen China in die Hand zu bekommen. Die auch von französischer Seite mitbetriebene Hetze bekam die treffende Antwort, daß mit dem gleichen Recht China künftig die Abspaltung Korsikas von Frankreich befürworten könne. Es gab Hinweise, daß die Proteste gegen die Tibet-Heuchelei des Westens keineswegs nur von der chinesischen Regierung, sondern auch von vielen Chinesen, auch im Ausland, vehement unterstützt wurden und diesen vermehrt die Augen über den Charakter der westlichen Führungen öffneten. Nun kamen Repräsententen im Westen stärker zu Wort, die die olympischen Zeremonien nicht in Frage gestellt haben wollten. Überraschend wurde recht positiv über das chinesische Propagandaunternehmen berichtet, die olympische Fackel auf den höchsten Berg der Welt, den Chomolungma (Mt. Everest) zu tragen, der auf der Grenze zwischen der chinesischen Provinz Tibet und Nepal liegt.
Die Lobhudelei für den Dalai Lama ist in der Tat eine Absurdität wie wenige sonst. Dieser Herr, zeitweise von Bush, Merkel und anderen mit höchsten Ehren empfangen, ist geübt darin, mit salbungsvollem und ach so friedlichem Auftreten zu verdecken, daß die mönchische Theokratie, für die er steht, ein brutales System der Leibeigenschaft, der extremen Armut und Rückständigkeit war. Das wirft, nebenbei bemerkt, auch ein Licht auf die Politik dieser „aufgeklärten“ Führer des Westens. Die große Mehrheit der Tibeter verdankt der chinesischen Regierung unter Mao Zedong die Befreiung aus diesen archaischen Verhältnissen und die Öffnung zur Welt. Und wenn der Dalai Lama immer wieder behauptet, er sei gar nicht für die Abspaltung Tibets von China, sondern nur für mehr Autonomie, so tut er das zur Täuschung. In Wirklichkeit ist er ein Instrument der USA und anderer, die durchaus mit Plänen spielen, den tibetischen Separatismus zur Unruhestiftung in China und zum Vorwand für imperialistische Kriege zu nutzen – und nur weil derzeit darüber noch nicht offen gesprochen werden darf, macht der Dalai Lama zur Zeit den Leisetreter in puncto Separatismus.
Die inneren Verhältnisse unter dem heutigen kapitalistisch-revisionistischen System Chinas sind in der Tat auch nicht so, daß die Bevölkerung keinen Grund zu Opposition und Widerstand hätte. Zweifellos gibt es auch in Tibet berechtigte Interessen der Bevölkerung, der tibetisch- wie der chinesisch-stämmigen, die von dieser Regierung mit Füßen getreten werden. Aber die Politik des Dalai Lama und seiner westlichen Hintergrundkräfte ist ja wohl das letzte und kann die Verhältnisse nur reaktionär und provokatorisch zuspitzen.
Militärisch in Birma intervenieren?
Dann kam die Zyklon-Katastrophe in Birma, und schon wieder waren unsere Medien mit einer Kampagne beschäftigt, die alle anderen Themen erschlagen sollte. Alles wurde auf die Behauptung zugespitzt, das birmanische Regime lasse keine Hilfe ins Land, gebe die eigene Bevölkerung dem Tode preis, sodaß diese durch massive westliche Intervention vor der birmanischen Junta gerettet werden müsse; schließlich hieß es seitens bestimmter Leute ganz offen, der Westen müsse notfalls militärisch in das Land eindringen, um seine Hilfslieferungen ins Ziel zu bringen.
Die Verlogenheit dieser Kampagne kennt keine Grenzen. Die Vertreter des heutigen kapitalistischen Weltsystems, das eh für große Teile der Weltbevölkerung Elend bedeutet und mit Ökowahn und Lebensmittelkrise eine zusätzliche Ausweitung des Hungers mit sich bringt, haben es gerade nötig, mit einem moralischen Finger auf das Versagen der Regierung in Myanmar/Birma zu zeigen. Solche Regime wie die birmanische Militärdiktatur waren und sind den westlichen Führungsmächten wie USA etc. eigentlich immer als enge Verbündete gut, solange sie sich ihnen unterordnen. Nur wenn sie in der internationalen Politik einmal auf der falschen Seite stehen, wird beredte Klage in unseren Medien erhoben – die birmanische Junta ist derzeit bekanntlich eng mit dem chinesischen Regime verbündet; stellte sie sich mehr dem Westen zur Verfügung, dann würde die Kritik an den inneren Verhältnissen Birmas sicher von denselben Politikern und Medien stark gedämpft, die heute als die Ankläger sich aufspielen. Dem birmanischen Volk wäre durch einen außenpolitischen Seitenwechsel allerdings wohl kaum geholfen.
Die Junta ist in der Tat ein Feind des eigenen Volkes. Es gibt Berichte, denen zufolge der indische Wetterdienst 2 Tage zuvor vor dem Zyklon gewarnt haben soll, ohne diese Junta zur Vorsorge veranlassen zu können.
Als Schaumkrone der hochgepeitschten Wellen der Empörung des Westens über die birmanische Junta stellten sich interessanterweise in diesem Lande der Verteidigungsexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Gert Weisskirchen, und das Vorstandsmitglied der Partei Die Linke, Wolfgang Neskovic, Mitglied im sog. Parlamentarischen Kontrollgremium für die Geheimdienste und in dieser Funktion eine Verbindungsperson seiner Partei zu inneren Kreisen der Macht, zur Verfügung. Sie forderten, noch radikaler und eindeutiger als mancher andere Politiker im Westen, mit militärischen Kräften sich gewaltsam gegen den Widerstand der Junta Einlaß in Birma zu verschaffen, angeblich um zu helfen. Dafür sei es sogar denkbar, die UN, in der China mit Sicherheit gegen ein „humanitäres“ Kriegsführungsmandat sich stellen würde, einfach links liegen zu lassen. Beide haben inzwischen versucht, diese Äußerungen nachträglich zu mildern.
Man kann solche extremistischen Hetzparolen nicht einfach abtun als angebliche Meinungen Einzelner oder Ausrutscher. Dahinter steckt mehr. Die Idee, mit westlichen militärischen Kräften, die nach Lage der Dinge letztlich von den USA gestützt und koordiniert werden, nach Birma hineinzugehen, ist gleichbedeutend mit weiteren Versuchen, in Nachbarländern Chinas militärisch Fuß zu fassen und China weiter militärisch zu umkreisen. Das hat mit humanitärer Hilfe so viel zu tun wie der Hitlersche Überfall auf Polen mit einer angeblichen Hilfe für die deutsche Minderheit, es gehört vielmehr zu den langfristigen Vorbereitungen eventueller Kriege unter der Führung der USA gegen China. Diese Ideen sind nicht im Kopf eines Weisskirchen oder Neskovic entstanden, sondern sie entstammen politischen „Optionen“, die dort seit langem gepflegt und verfolgt werden.
China, der Westen und die Gefahren für den Weltkapitalismus.
Die Frage des Verhältnisses zu China erregt in der Tat im Weltkapitalismus tiefe Unruhe und Besorgnis, weil sie mit der eigenen Überlebensfrage eng verbunden ist. China ist nicht nur in mancher Beziehung, wirtschaftlich und mlitärisch gesehen, eine mögliche kommende Supermacht und ein gefährlicher Konkurrent, der die gesamte internationale Konstellation erschüttern kann, China ist nicht nur u.a. ein möglicher Verbündeter der USA gegen andere Staaten, bspw. gegen Rußland, sondern auch ein möglicher Kriegsgegner der USA und anderer Mächte, China ist vor allem eine wahrscheinliche Quelle großer sozialer Unruhe, künftiger Explosionen gegen den Kapitalismus. Nach dem Umsturz des Sozialismus in China Ende der 70er Jahre hat sich ein System entwickelt, das nur dem Namen nach noch sozialistisch, in Wirklichkeit ein revisionistisch-kapitalistisches System neuer Ausbeuterklassen ist, das die eigene Bevölkerung vor allem auf dem Lande massivst entrechtet und verarmt hat, das hunderte von Millionen chinesischer Bürger zu Löhnen von ein oder zwei Dollar pro Tag in Weltmarktfabriken preßt und dem internationalen Kapitalismus ein Dorado der Ausbeutung über die letzten Jahrzehnte hin zur Verfügung gestellt hat, wie es in diesem Ausmaß noch keines in der Geschichte gegeben hat. Dieser Goldgrube der internationalen Ausbeutung, die lange Zeit politisch beherrschbar erscheinen mochte, bildet eine der wichtigsten Grundlagen der Profitsteigerungen des internationalen Kapitalismus der letzten Jahrzehnte wie auch der darauf gestützten hochgetriebenen Finanzspekulation, die auf ihre Weise ebenfalls die Brüchigkeit des Kapitalismus in der letzten Zeit deutlich genug zur Erscheinung bringt und viele Menschen über den Kapitalismus aufklärt. Sollte in China die soziale Unruhe zunehmen, sollten sich ernsthafte Widerstandsfronten gegen die internationale Ausbeutung und das revisionistische Regime entwickeln, dann stünden nicht nur die chinesische Regierung, sondern auch der Weltkapitalismus vor größten Problemen.
Daher überlegt man im Westen seit langem auf der einen Seite, wie das chinesische Regime in seiner Ordnungsfunktion für das internationale Kapital zu stützen wäre, andererseits - wenn es diese Funktion nicht mehr zureichend wahrnimmt oder seinerseits den Westen zu sehr attackieren sollte, wenn es expansiv das internationale kapitalistische Gefüge zu sehr durcheinanderzu bringen drohen sollte -, wie man die chinesische Frage durch Eingriffe ins Innere in den Griff bekommen könnte. Man versucht, den westlichen Einfluß auf soziale Bewegungen in China zu stärken, man erwägt auch die Ruinierung Chinas durch Abspaltungen von Teilen, bis hin zur Rückkehr zu den alten halbkolonialen Bedingungen, als China in mehrere zerstrittene Provinzen unter diversen Warlords geteilt war, die in den Diensten verschiedener Imperialisten wie der USA, Japans etc. standen. Vor den Konsequenzen größter Zerstörungen, großer Kriege, Massenmorde schreckt man in solchen Überlegungen nicht zurück, wie es für das Kapital eben typisch ist.
Solche „Szenarien“ der weiteren Entwicklung, die den inneren Kreisen des internationalen Kapitalismus entwickelt werden, sind der Hintergrund von Äußerungen wie denen von Weisskirchen/Neskovic. Nebenbei bemerkt zeigen sie erneut, daß die USA-Ultrareaktion und die faschistische Kriegstreiberei im Westen überhaupt nicht nur, wie eigentlich längst bekannt, in der SPD fest verankert sind, sondern auch in solchen Organisationen wie der sog. Linkspartei Exponenten und Maulwürfe unterhalten.
Aber die Fragen der sozialen Unruhe beschränken sich ja nicht auf China. Auch in unserem Land schwinden die sog. Selbstverständlichkeiten der kapitalistischen Ordnung, fragen sich viele Menschen, was sie eigentlich davon haben, wenn es auf den entscheidenden Gebieten seit Jahrzehnten stetig bergab geht, die Reallöhne ebenso sinken wie die Kinderzahlen, die Aussichten für die Jugend sich ständig verdüstern. Als vor wenigen Wochen, kurz vor der Birma-Krise, CDU-Kreise um den Abgeordneten Schockenhoff und Innenminister Schäuble erneut einen Vorstoß zur Erleichterung des Bundeswehreinsatzes in inneren Unruhen und äußeren Kriegsabenteuern unternahmen, mit dem Konzept eines sog. Nationalen Sicherheitsrates, und in einem Atemzug über den Anschluß an die sog. Raketenabwehr der USA für Europa eine engere Anbindung an die US-Militärmacht empfahlen, war das aus Sicht dieser Herrschaften nur folgerichtig und dringlich.
Das Kriegsabenteuer im Ausland hatte für das Kapital schon immer die Funktion, auf die inneren Verhältnisse ablenkend, chaotisierend und gleichzeitig repressiv-disziplinierend einwirken zu können.
Die SPD und andere Parteien haben den Vorschlag zum Nationalen Sicherheitsrat erst einmal scheinbar streng abgelehnt. Dabei muß man allerdings fragen, wieviel diese Opposition wert ist, wenn gleichzeitig SPD-Leute selbst die imperialistische Aggression fordern, wenn man daran denkt, daß es SPD und Grüne waren, die 1999 den ersten imperialistischen Aggressionskrieg der Bundesrepublik (unter der Führung der USA) durchgesetzt und 2001 nach Afghanistan geblasen haben, wenn die SPD selbst die soziale Verschärfung mit vorantreibt wie durch die weitere Senkung von Hartz-IV-Sätzen und selbst die geringste Entlastung des Normalverdieners bei den Steuern ablehnt.
Interessant ist auch, wie die soziale Realität der Bundesrepublik von der Koalitionsregierung der Unionsparteien und der SPD entgegen dem allmählichen Aufkommen von Unruhe im Innern gerade in den letzten Wochen in fantastischer Weise schöngeredet wird. Diese Regierung redet von „Haushaltskonsolidierung“, von „Vollbeschäftigung“, die sich ankündige, von einem angeblichen „Ende der Lehrstellenlücke“, als hätte sie nicht mehr alle Tassen im Schrank . Diese Tiraden zeigen allerdings, woher für diese Herrschaften die dunklen Wolken herkommen. Sie fürchten konkret die Entstehung deutlicherer Kritik, die auch in Richtung der Infragestellung des Kapitalismus sich entwickeln könnte; daher versuchen sie, den Spießbürger durch selbstzufriedene Schönmalereien am politischen Abdriften zu hindern, und bereiten gleichzeitig die verschärfte Repression nach innen sowie weitere Kriegsabenteuer nach außen vor.
Von der Abspaltungskampagne gegen China zur Stützung seines Regimes
Der Tonwechsel gegenüber China bedarf noch näherer Betrachtung. Schon unmittelbar nach dem Erdbeben wurde interessanterweise die „Offenheit“ seiner Berichterstattung und der Zugänge für ausländische Helfer besonders herausgestellt – ironischerweise durch unsere Medien, die selbst seit zwei Monaten mit provokatorischer Hetzpropaganda wieder einmal lebhaft an die sog. Gleichschaltung erinnern. So wird derzeit z.B. der chinesische Regierungschef Wen Jibao plötzlich als wahrhaft volksverbunden porträtiert; er sorge sich um die Erdbebengebiete, er sei fast wie der sehr populäre frühere Ministerpräsident Zhou En-lai [1] , und man fragt sich: ist das dasselbe Regime, das soeben noch wegen angeblicher annexionistischer Gewalttaten in Tibet mit Olympiaboykott und Abspaltung Tibets bedroht wurde? Aber es gibt eine Erklärung: in China ist die Regierung dabei, wegen schwerer Mitschuld an den Erdbebenverwüstungen noch deutlicher als bisher in die Kritik zu geraten. Schulbauten sollen zusammengestürzt sein, weil sie zu schlecht gebaut waren; überhaupt rückt die verbreitete Korruption des Regimes in den Mittelpunkt, die bspw. durch Verstöße gegen bauliche Erdbebenvorsorge am Ausmaß der Verluste mindestens mitschuldig sei. Auch sollen die allgemeinen ökonomischen Krisenerscheinungen bereits zugenommen haben. Der Vorsitzende der revisionistischen Kommunistischen Partei Chinas, Hu Jintao, soll bezeichnenderweise gefordert haben, im Kampf gegen die Erdbebenfolgen vor allem auf die „soziale Stabilität“ zu achten, d.h. darauf, daß die Kritik an Partei und Regierung nicht politisch brisant wird. Anscheinend teilen derzeit bestimmte Kräfte im Westen diese Sorge und versuchen nun ihrerseits in einer auffallenden Wende, dem chinesischen Regime beizuspringen, wenigstens für den Moment. Die in der Erdbebenkatastrophe zutage tretende Kluftzwischen dem revisionistischen Regime und den Volksmassen wird umgelogen in eine Annäherung. Soziale Unruhe in China, vielleicht kombiniert mit aufkommender Unruhe in den eigenen Ländern, das möchten sie auf gar keinen Fall zulassen.
Es wurde übrigens an höheren Stellen nun auch Ablehnung gegenüber Anstößen zu militärischem Vorgehen gegen Birma laut, sicher auch mit Rücksicht auf die chinesische Regierung; allerdings mehr aus pragmatischen Gründen als aus Prinzip – man habe nicht genügend Kräfte; das würde derzeit einen schlechten Eindruck machen etc., in der UNO opponierten China, Indien und andere wichtige Staaten. Schon diese lahme Form der Distanzierung weist allerdings darauf voraus, daß dergleichen wiederkommen wird.
In den Äußerungen zu China ein Schwenk von ganz schwarz zu fast rosig; im Falle Birma das Hochkochen extremistischer Interventionspläne, aber gleichzeitig Anbiederei an China, das als eigentliche Schutzmacht der birmanische Junta gilt - die Kampagnen laufen im Zickzack, aber sie haben einen Generalnenner und man sollte ernst nehmen, was darin zutage tritt. Sie zeigen, daß „der Westen“ hochnervös ist. Vieles weist darauf hin, daß bspw. in Ländern Europas eine Intensivierung der sozialen Kämpfe und der grundsätzlichen Kritik am Kapitalismus bevorsteht, die den Kampf für die sozialistische Umwälzung neu inspirieren könnte. Dagegen sucht der Kapitalismus sich mit Rüstung nach innen und außen, mit Provokationen und Propagandakampagnen, die die Realität zunehmend leugnen, zu wehren. Aus dieser Lage können schwerste internationale reaktionäre Zusammenstöße entstehen, gewollt oder ungewollt. Ein Kommentar wie dieser soll die Wachsamkeit schärfen helfen. Nur neue kämpferische soziale Bewegungen, nur der Klassenkampf kann dem entgegenwirken, und dieser kann auch nur im internationalen Zusammenschluß auf die Dauer genügend Kraft entwickeln.
[1] Weil es denn nicht anders geht, läßt man in Gestalt dieses Politikers sogar positive Reminiszenzen an die frühere kommunistische Epoche unter Mao Zedong zu, freilich nicht ohne die Hetze in anderer Form weiterzuführen – der gute Zhou En-lai sei ein Antipode des bösen Mao Zedong gewesen. In Wirklichkeit war er einer der engsten Mitarbeiter Mao Zedongs, auch in Zeiten der Kulturrevolution.
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