Internet Statement 2005-102

 

Rückblick auf 2005

Sich auf den Klassenkampf im eigenen Land werfen!“ lautete der Aufruf unserer Organisation zum neuen Jahr 2005, das sich nicht gerade arm an politischer Bewegung zeigen sollte, und in dem auch unsere eigene Tätigkeit, u.a. mit über einhundert publizierten Beiträgen, darunter einige von prinzipiellem Charakter für die Entwicklung der kommunistischen Bewegung, sich deutlich weiter gesteigert hat. Der neue Jahreswechsel ist ein Anlaß, die Frage zu stellen, inwieweit wir damit richtig gelegen haben und auch selbst dieser Forderung gerecht geworden sind.

Das Jahr 2005 hat offensichtlich eine große Zunahme von Widerstand der Arbeiter und Angestellten in unserem Land gegen die Betriebsschließungen und Massenentlassungen hervorgebracht. Kaum eine Woche verging, in der nicht neue Angriffe des Kapitals auf die Arbeitsplätze und die Arbeitsbedingungen gemeldet wurden, aber auch die Streiks und Protestaktionen wurden immer häufiger und auch intensiver, in bestimmten Fällen konnte die Schließungsabsicht vereitelt werden. Allerdings stehen bislang diese Kämpfe, soweit wir aus direkter Erfahrung oder über die Medien darüber Kenntnis haben, noch immer unter den negativen Leitlinien der Gewerkschaftsführungen, die sich weiterhin weigern, betriebsübergreifende solidarische Aktionen zu organisieren, und noch immer jeden Betrieb für sich allein sterben lassen. Auch die Praxis, den betroffenen Kolleginnen und Kollegen mit vorübergehenden finanziellen Vorteilen aus sog. Sozialplänen eine Kompensation für die Hinnahme des weiteren Abbaus vorzuspiegeln und überhaupt es so hinzustellen, als könne man keinen Widerstand organisieren, der das Kapital zwingt, wurde bisher noch nicht wesentlich erschüttert.

Jedoch äußerte sich Widerstand gegen die Politik der weiteren ökonomischen Aushöhlung des Landes auch in anderen Bereichen der Gesellschaft und in anderen Formen und führte zu massiven politischen Turbulenzen und Änderungen.

Der Schröder-Fischer-Regierung, die die ökonomische Liquidation, die Politik der Freisetzung und Entrechtung der Arbeitenden radikaler als jede andere bürgerliche Strömung verkörperte, versetzte am 22. Mai die Wahl in Nordrhein-Westfalen einen Schlag, den sie nicht mehr verdauen konnte. Binnen vier Monaten folgten das Ausscheiden der grünen Partei aus der Bundesregierung und der Abgang Schröders. Am 1. Januar 2005 hatte unser Aufruf, für den Sturz dieser Regierung zu kämpfen, die politischen Notwendigkeiten und die Stimmung der Mehrheit auf den Punkt gebracht, mehrere Monate bevor sie sich in dieser Weise niederschlugen. Trotz teilweise schon dubioser Manöver bei den Konservativen, die die angesagte Niederlage der rot-grünen Koalition bei der Bundestagswahl noch fast in eine eigene Niederlage verwandelt hätten und in eine große Koalition mündeten, trotz aller reaktionären Züge und Maßnahmen, die für die Konservativen unvermeidlich typisch sind, wurde die Weiterführung der provokativsten Gesetzespläne der rot-grünen Koalition wie z.B. des sog. Anti-Diskriminierungsgesetzes unmöglich, und der Angelpunkt der ökonomischen Liquidation, der sog. Ausstieg aus der Kernenergie, wird seitdem nun immer stärker aus verschiedenen Kreisen attackiert, obwohl er im Koalitionsvertrag vermeintlich festgeschrieben wurde. Wichtigen Vertretern aus CDU und CSU wie auch bestimmten Gewerkschaftsführern bleibt angesichts der katastrophalen Energieunsicherheit und Energieverteuerung, den unmittelbaren Auswirkungen dieser Politik gegen die Kernenergie, die den industriellen Abbau noch beschleunigen müssen, nichts anderes mehr übrig.

Wir haben immer gesagt, daß der Kern der ökologistischen Politik, der Kern gerade auch der Politik gegen die Kernenergie, Klassenkampf ist. Reaktionärste Kreise versuchen seit Jahrzehnten zu verhindern, daß der Kapitalismus überhaupt noch durch eine Arbeiterbewegung in Frage gestellt werden kann, und schrecken auch nicht davor zurück, in bestimmten dafür 'anfälligen' Ländern die moderne Industrie selbst soweit zu vermindern, daß es, nach ihren Vorstellungen, allein schon quantitativ kaum noch eine durchsetzungsfähige Arbeiterbewegung geben könne. Durch die internationalen Entwicklungen und die inzwischen enormen Möglichkeiten der Produktionsverlagerungen sehen sie sich begünstigt, und die Bemäntelung ihres Klassenkampfs mit angeblichen Bemühungen um den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen wird von fast allen Medien betrieben und noch immer von fast allen Organisationen mit linkem Anspruch gedeckt. Es ist unvermeidlich, daß breiteste Kreise der Gesellschaft von diesem reaktionären Extremismus mit betroffen werden und sich zu wehren haben. Auch darin wirkt der Klassenkampf, und solche Regungen sind für die Interessen der arbeitenden Klasse günstig.

Für unsere Gruppe rücken seit mehreren Jahren die Anstrengungen zur Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen zersplitterten kommunistischen und revolutionären Organisationen immer stärker in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. Sie nutzt alle sich bietenden Ansätze zur praktischen Zusammenarbeit, und sie arbeitet gleichzeitig an den geschichtlichen Fragen, in denen die heutige Zersplitterung und Marginalisierung der Bewegung im Lande wie international letztlich wurzeln.
Im Jahre 2005, zum Teil schon seit Ende 2004, sind zu Fragen der Geschichte der Sowjetunion, zur Auseinandersetzung zwischen Stalin und Trotzki, zur Rolle der Komintern beim Kampf gegen den Nazifaschismus, zur Stellung, die die Sowjetunion 1939 gegenüber Nazideutschland eingenommen hat, zum Gehalt der Politik der KPChinas unter Mao Zedong, zur Substanz des Revisionismus, zur Rolle des Atomwaffensperrvertrages usf. eine ganze Reihe von Untersuchungen und Darlegungen von uns herausgebracht worden. Wir suchen damit weiterhin alles uns Mögliche zur anstehenden Herausarbeitung von gemeinsamen revolutionären Positionen für die Zukunft beizutragen und sind trotz der Ignoranz, die bestimmte Organisationen wie die MLPD und ganze Strömungen wie die aus dem modernen Revisionismus herkommenden uns gegenüber einstweilen noch demonstrativ an den Tag legen, überzeugt, daß diese Beiträge gelesen werden und auf die Dauer ihre Wirkungen sich nicht mehr unter der Decke halten lassen.

Wir nehmen dabei nicht für uns in Anspruch, solche Fragen bereits erschöpfend und allseitig richtig behandeln zu haben. Dazu fähig wären, soweit das überhaupt möglich ist, nur Kooperationen zwischen den verschiedenen Richtungen und Ländern, in die alle ihre Erfahrungen und Kritiken einbringen können, und solche Ansätze gibt es bisher weiterhin viel zu wenig. Dabei kann es aber letztlich nicht bleiben, und wir werden solche Fragen unsererseits weiter vertiefen und fordern weiterhin alle, die sie betreffen, zur Diskussion und Kooperation auf.

RedakNE – wgr
31.12.2005

 

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