Internet Statement 2005-82

 

Über die Verhandlungen zur Großen Koalition

Endlich Schluß mit der Liquidationspolitik!

27.10.05               

Gegenwärtig gehen alltäglich die Meldungen über die Verhandlungen zur Großen Koalition über alle Medien. Dabei wird die Sache zunächst so diskutiert, daß man über diese oder jene Wege Steuern erhöhen, Abgaben vermehren solle, eventuell irgendwo Subventionen streichen soll. ’Das Loch muß gestopft werden’, ist der Grundsatz, der unterbreitet wird, und das könne man nur entweder durch Ausgabenkürzungen oder durch Vermehrung von Einnahmen. Dabei bleibt außen vor, wer denn verantwortlich für dieses Loch ist. Es existieren sieben Jahre Schröder-Fischer-Regierung, die dieses Erbe hinterlassen hat. Davor war auch schon ein Loch da, hinterlassen durch die Kohl-Regierung, aber der radikale Absturz der ganzen Ökonomie, der unter der Schröder-Fischer-Regierung entstanden ist, lastet auf dieser Partei, die hier jetzt als Juniorpartner weitermachen und sich der Verantwortung entziehen kann. Das ist das erste Moment, das bei den Koalitionsverhandlungen nicht vergessen werden darf.

Wer hat denn noch vor kurzem behauptet, daß die Politik der Schröder-Regierung ein ökonomischer Erfolg sei, der mit Leichtigkeit in den Aufschwung der Zukunft führen werde? So hieß es doch noch vor wenigen Monaten - und jetzt diskutiert die SPD darüber, wie sie das Riesenloch, das Desaster auf die Bevölkerung verteilt. Das alleine zeigt schon den Betrug.

Eine der wesentlichen Fragen ist und bleibt die Frage der Kernenergie. Sie ist engstens mit den jahrzehntelangen Verlagerungen der Produktion aus dem Lande hinaus verknüpft. In dieser Frage will die SPD, jetzt auch ohne die Grünen im Nacken, vertreten: ’Atomausstieg ist mit der SPD nicht verhandelbar’. Sie verbindet die Frage des sog. Atomausstieges mit ihrer Existenz.
Sie versucht also mit allen Mitteln die Liquidationspolitik, die zum Sturz der Schröder-Regierung geführt hat, in der Großen Koalition weiter durchzusetzen. In dieser Hinsicht muß sie also auch weiterhin genauso bekämpft werden. Dabei gibt es in der CDU/CSU selbst genug Kräfte, die an dieser Liquidationspolitik festhalten oder sie nur minimal korrigieren wollen.

Hinter alledem wird leicht vergessen, was für ein reaktionäres Zeug die CDU/CSU in der Tasche hat, z.B. den Bundeswehreinsatz im Inneren – die CDU/CSU will sich offenbar auf größere Auseinandersetzungen im Lande vorbereiten, denn in Katastrophenfällen kann die Bundeswehr auch jetzt schon ohne Probleme eingesetzt werden, und gegen den massenfeindlichen sog. Terrorismus, wie er gegenwärtig auf der Welt immer wieder zu sehen ist, verfügt der Staat durch den Bundesgrenzschutz sowieso schon über ausreichende Kräfte. Die Kontrolle gegenüber der gesamten Bevölkerung soll gemeinschaftlich von CDU/CSU und SPD gestärkt werden. Es gehen also ohnehin erhebliche Gefahren von der Großen Koalition aus.

Die Frage aber, ob die SPD ihren sog. Konsensbeschluß erhalten und überhaupt ihre üble Politik in die neue Phase retten kann, bleibt trotzdem von existentieller Bedeutung für dieses Land, weil die Produktionsverlagerungen für die Arbeiterklasse wie für die breite Mehrheit der Werktätigen insgesamt zur Kernfrage überhaupt geworden sind.
Die CDU/CSU verhandelt ohnehin nicht über die prinzipielle Beseitigung des Konsensbeschlusses, sondern nur über eine Aussetzung desselben in der Hoffnung, daß sich vielleicht in der Zukunft weitere Änderungen ergeben. Aber selbst dem stellt sich die SPD fanatisch entgegen. In der Tat ist die Akzeptanz der Kernenergie trotz der jahrzehntelangen Kampagne gegen sie in den letzten Jahren gestiegen. Viele Menschen sehen, daß sie unentbehrlich ist.

Und die Lehren der internationalen Ökonomie sind ja auch unübersehbar. Weltweit wird die Kernenergie weiter ausgebaut. Alles Gerede davon, daß man mit weniger Energieverbrauch auf der Welt auskommen könne und müsse, hat sich als ein leerer dummer Schall erwiesen. Der Primärenergieverbrauch ist so hoch wie nie zuvor. Die Industrialisierung Chinas, Indiens und weiterer Staaten auf der Welt erheischt mehr Energie, als man es sich vor dreißig Jahren überhaupt hat vorstellen können. Alle Ideen, man könne mit Windmühlen und Alternativproduktion die Welt umgestalten, haben sich als hirnrissiges Zeug erwiesen. Deshalb muß mit diesen Strömungen, die in der Vergangenheit Illusionen geweckt und Unsinn in einigen Köpfen verankert haben, aufgeräumt werden. Er ist ein Hemmnis für die gesamte Entwicklung. Eine revolutionäre Partei kann auch nicht annähernd diese Denk- und Handlungsweisen überhaupt akzeptieren.

Nun hat die Gewerkschaft IGBCE, sogar zusammen mit der Ver.di-Gewerkschaft, und zusammen mit mehreren großen Energiemonopolen aus ökonomischen Gründen eine Revision des bestehenden Konsensbeschlusses verlangt, in Richtung einer Verlängerung der Laufzeiten. „Mehr Realismus in der Energie- und Umweltpolitik erforderlich“ heißt ihr Papier. Aus ihm geht hervor, daß selbst unter der Bedingung, daß sie alle Vorgaben wie die sog. Orientierung auf alternative Energien, die Orientierung auf sog. Energie-Effizienz, das Energie-Einspeisungsgesetz und ähnliches akzeptieren, sie doch zu dem Schluß kommen, daß zumindest für eine Zwischenzeit die Ausweitung der Kernenergie unvermeidlich ist. Auch dieses Papier, das absolut nicht von einem revolutionären Standpunkt aus geschrieben ist, zeigt, daß das Abrücken von dem sog. Konsensbeschluß unvermeidlich ist. Und wie ist die Reaktion in der Öffentlichkeit? Wütend werden die Vertreter, die dieses Papier verfaßt haben, angegiftet. Die SPD erklärt öffentlich: ’Atomausstieg ist mit der SPD nicht verhandelbar’. Die IG Metall-Führung legt sich in einer besonderen Weise ins Zeug, um die Ausrichtung auf Windmühlen- und Ökoenergie zu erhalten. Völliger Wahnwitz, völliger Verrat an den Interessen der Mitglieder der Metallarbeitergewerkschaft ist das! Und derweil die Diskussion in den letzten Tagen schon existierte, mußten wir beobachten, daß die großen Massenmedien, das Fernsehen, die Boulevardpresse, die die breite Bevölkerung erreichen, diesen Punkt noch nicht einmal öffentlich diskutierten. Nur nicht an der ganzen Sache rühren! Nur nicht an den ganz zentralen Punkten zerren - das ist ihre Devise. Erst jetzt, nach einigen Tagen, kommt es unvermeidlich an die Oberfläche.

Ja, die ganze Frage der Energieversorgung und der Produktionsverlagerungen muß diskutiert werden, die ganze Frage der Ausrichtung der Ökonomie und der Wahnwitz der Verhetzung der eigenen Produktionsgrundlagen, wie sie hier seit der Mitte der siebziger Jahre stattgefunden hat. Dieser heiße Punkt muß berührt werden, auch wenn dies keine Einzige der bürgerlichen Parteien anstrebt.

Der sog. Energiekonsens war ein Vertrag zwischen einer Regierung und den großen Energiekonzernen mit dem Inhalt, daß sie die sog. Anti-AKW-Bewegung akzeptieren und die Abwicklung der Kernenergie über einen längeren Zeitraum betreiben, und umgekehrt ihnen von seiten der Schröder-Regierung im Jahre 2000 die Monopolstellung und eine Energie-Hochpreispolitik garantiert werden (s. dazu: Der sog. Konsens über den Ausstieg aus der Kernenergie). Dieser Konsens, der ein Würgeeisen gegen die gesamte Ökonomie ist, muß weg.

Und es ist auch interessant, wie die SPD, die die Aufhebung der Arbeitslosenhilfe beschlossen hat, faktisch einen öffentlichen Rentenbetrug fordert und ihre Zustimmung zu den extremsten asozialen Programmen gibt, nun frank und frei erklärt: Atomausstieg ist für die SPD nicht verhandelbar. Ja, er hängt mit der Essenz der Politik der SPD in den letzten 30 Jahren zusammen, deswegen werden solche Töne geschwungen, obwohl sie vollkommen anachronistisch sind. Die Verirrungen der Anti-AKW-Kampagne müssen als der Kernpunkt der gesamten antiindustriellen Kampagne zunichte gemacht werden in diesem Land, sie muß aufgearbeitet werden.

Wenn es jetzt sogar heißt: ’gefährdet die Auseinandersetzung über die Kernenergie die Koalitionsgespräche?’ dann muß man sagen: dann soll sie sie doch gefährden! Soll doch die SPD notfalls zu neuen Neuwahlen antreten, dann wird man ja in der Zwischenzeit das ganze Ausmaß ihrer Politik auch in der Öffentlichkeit erfassen. Dafür war die Zeit vor der letzten Wahl leider zu kurz. Und man wird sich auch mit den reaktionären Vorhaben der CDU/CSU, die zumindest zur Hälfte die Grundsätze des sog. Atomausstieges akzeptiert und Reaktion auf anderen Gebieten forciert, auseinandersetzen können.

Rund herum entwickelt sich die Kernenergie, auch in den europäischen Staaten, wir haben fünf Millionen Arbeitslose infolge der Deindustrialisierungpolitik, in Wirklichkeit sind es sieben bis acht Millionen, eine unbekannte Zahl menschlicher Schicksale ist damit verknüpft. Ein Teil der Jugend wird nach wie vor abgeschrieben und schon, bevor das Berufsleben beginnt, ins Abseits gedrängt – aber die SPD hält an ihrer Anti-Kernenergie-Haltung wie an einer Idiotie fest. Und die Führung der IG Metall ergänzt dann, man solle an einem Programm „für einen Energiemix der Zukunft“ festhalten. Was sollen diese Zukunftsformen der Energie sein? Die Windmühlenflügel, die Wolfgang Rhode vom IG Metall-Vorstand als Errungenschaft schätzt? Oder die Sonnenenergie, die mit 44 Cent pro Kilowattstunde derzeit subventioniert wird? Oder Holzschnitzelkraftwerke, die von den Grünen und von SPD-Leuten propagiert werden? Wenn die Kernenergie die „Wiederaufnahme alter Szenarien“ darstellt, dann ist es also so, daß China, Indien, Brasilien, Finnland, Frankreich, die Ukraine, Rußland, sogar schließlich die USA, auf die ’rückwärtsgewandten’ Energieformen setzen, während die Deutschen mit Holzschnitzelkraftwerken die Progressivität vertreten. Na gute Nacht, da hat das Kolonialdenken schon um sich gegriffen.

Dies muß in unversöhnlicher Weise bekämpft werden! Auch hier müssen endlich die Kollegen der IG Metall auftreten und das absurde Ökoprogramm der IG Metall beseitigen.

Redaktion Neue Einheit
27.10.05

 

 

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Der sog. Konsens über den Ausstieg aus der Kernenergie
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