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Statement 2006-24
Zu
dem Mordfall des kleinen Christian
Richter schließt den
Anwalt der Eltern des ermordeten Kindes vom Prozeß aus
- Bestätigung der Entscheidung
durch das Kammergericht am 16. März 2006
27.3.06
Ende August 2005 löste ein Mordfall an einem siebenjährigen
Schüler in Berlin und darüber hinaus im ganzen Bundesgebiet
Empörung aus und erregte außerordentliches Interesse.
Wieder einmal war ein jugendlicher schwerer Straftäter, der schon
eine Bewährungsauflage hatte, nach einem weiteren "Fast"-Mord
- er hatte einen anderen jungen Mann in Beteiligung mit anderen ins Koma
geschlagen - nicht in Haft genommen worden, sondern wurde freigelassen.
Dieser Täter hatte etwas später, wie es heißt "aus
Frust", den siebenjährigen Christian S. aus Berlin-Schönow
in bestialischer Weise erschlagen und ihn in perverser Weise mißbraucht.
Das Verhalten des Bereitschaftsrichters, der diesen dringend zu vermutenden
Täter freigelassen hat, war Gegenstand öffentlicher Kritik.
Davor stellte sich die Justizsenatorin Karin Schubert und auch Organe
des Deutschen Richterbundes, die noch die Stirn hatten, anläßlich
dieses Falles zu betonen, der Gesetzgeber habe für die Freiheitsentziehung
bei Jugendlichen hohe Hürden gelegt, als wenn diese Hürde bei
derartigen Jugendlichen nicht längst erreicht ist.
Die Rechtfertigerei durch bestimmte politische Kreise und Behörden
stach damals schon ins Auge. Es gibt eine bestimmte Klientel in diesem
Land, und dazu zählt auch eine bestimmte Sorte von Straftätern,
die sich in brutaler Weise an Erwachsenen und Kindern vergreifen, und
dabei immer wieder auf eine merkwürdige Schonung von seiten der Justizorgane
stoßen.
Wie wir schon in einem früheren
Beitrag betont haben, steckt in diesen Verhaltensweisen durchaus eine
Methode, es ist Drohung, es ist Einschüchterung, es ist ein Element,
das zersetzend in der Gesellschaft wirkt und bestimmte Kreise deckt.
Jetzt hat der Richter, der sich mit dem Fall befaßt, unter Verhöhnung
des Opfers, den Anwalt der Eltern aus der Teilnahme an der Gerichtsverhandlung
ausgeschlossen. Die Eltern legten großen Wert auf die Teilnahme
durch einen Anwalt ihrer Wahl, weil sie sich selbst ersparen wollten,
alle Einzelheiten der totalen Mißhandlung und perversen Verbrechen
an ihrem Kinde zuhören zu müssen. Der Richter betrachtet es
als sein "Ermessen", den Anwalt der Eltern auszuschließen.
[1] Dies hat erneut zu großer Unruhe über
die Justiz geführt, zu Fragen dazu, aber die Justiz macht weiter.
Es ist so, als hätten sie gehört, daß es Kritik an ihrem
Verhalten gibt. Und jetzt sagen sie, 'dann zeigen wir euch, daß
wir erst recht so handeln können'. Es gab da schon vergleichbare
Fälle in der jüngsten Vergangenheit.
Es ist aber die Frage, ob das wirklich alles ist. Man darf nicht vergessen,
daß in der gleichen Zeit, als diese Tat am 27. August 2005 begangen
wurde, ein sogenanntes "Folsom"-Festival
des Feierns von Perversitäten gewisser Kreise auf der Tagesordnung
in Berlin stand, und der Regierende Bürgermeister dieser Stadt diesem
"Folsom"-Festival ein Grußtelegramm schickte. In diesen
Kreisen gibt es durchaus so etwas wie die ausgiebige Darstellung von Lustmorden
und anderer größter denkbarer Bestialitäten [2].
Diese Dinge werden aber ausgeklammert in der öffentlichen Behandlung.
Und es geht hier bei dem ganzen Fall nicht nur um einen Einzelfall, nicht
nur um einen Fall von Verhöhnung von Opfern. Hier ist die
Rede davon, wie z.B. von Vertretern des "Weißen Ringes",
daß Täterschutz vor Opferschutz geht. Wie oft ist das schon
gesagt worden, und dennoch wird es weiter praktiziert! Das heißt
doch, es wird bewußt so gehandelt.
Es ist also so, wie ein anderer Beamter zitiert wird, noch einmal am
22. Februar dieses Jahres, "der kleine Junge könnte noch
leben, wenn die Justiz nicht so gedankenlos gearbeitet hätte, sie
trifft eine große Mitschuld", und jetzt macht die Justiz
in der gleichen Weise weiter. Der Anwalt, der im Februar von der Verhandlung
ausgeschlossen wurde, hat beim Kammergericht versucht, dagegen Beschwerde
einzulegen. Das Kammergericht Berlin hat aber aus formalen Gründen
die Ausschließung des Anwalts des Opfers bestätigt.
[3]
Redak NE
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[1] Im
"Inforadio" wurde am 16.3.06 berichtet, daß bei der Gerichtsverhandlung
zwar dieser Anwalt ausgeschlossen ist, eine Reihe anderer Personen etwa
aus den juristischen Kreisen aber, trotz der Nichtöffentlichkeit
der Verhandlung im Jugendfall, als Publikum im Saal sitzen darf.
[2]
Wie auch schon
in der Analyse etwa der Ansichten des Rosa
von Praunheim, der zu den "wohlgeachteten Bürgern"
von Berlin, mit guten Beziehungen zu den Medien, gehört, dargelegt
worden ist.
[3]
Verwiesen wird dabei auf die Paragraphen §
48 Abs.1 und Abs.2 Satz 1 Jugendgerichtsgesetz (JGG) sowie auf §
406 g Strafprozessordnung (StPO).
Pressezitate
zu dem Mordfall an dem kleinen Christian
Berliner Morgenpost, 31.8.05
"Der Fassungslosigkeit folgte im Mordfall Christian
Schaldach das Entsetzen. Fassungslos nahm die Öffentlichkeit die
brutalen Details des Verbrechens an dem siebenjährigen Jungen zur
Kenntnis. Entsetzen kam auf, als bekannt wurde, daß Keith M. erst
vor wenigen Wochen nach einer brutalen Tat zunächst von der Polizei
festgenommen und dann von einem Haftrichter wieder auf freien Fuß
gesetzt wurde.
Der Fall reiht sich ein in eine ganze Liste von Vorfällen, die
die rechtliche Problematik im Umgang mit jugendlichen Intensivtätern
aufzeigen. Immer wieder passiert es, daß jugendliche Serientäter
auch nach zehnten oder gar zwanzigsten Festnahme von Haftrichtern wieder
in die Freiheit entlassen werden. Der Öffentlichkeit fehlt für
dieses Vorgehen jedes Verständnis, Politiker und Experten liefern
sich regelmäßig heftige Debatten. Die setzten auch gestern
wieder ein.
….
Karin Schubert (SPD) sagte in der Abendschau des RBB, die Entscheidung
des Richters sei nach den "Regeln der Gesetze nicht zu beanstanden."
Letztendlich sei eine solche Tat nicht zu verhindern. Untersuchungshaft
sei auch keine Strafhaft. Keith M. hatte die Tat für die er damals
in Haft war gestanden, deshalb habe es keinen Grund gegeben ihn bis
zur Verhandlung in Haft zu halten.
Auch ein Sprecher des Deutschen Richterbundes verteidigte
die Entscheidung des Haftrichters: 'Der Gesetzgeber hat für die
Freiheitsentziehung bei Jugendlichen hohe Hürden festgelegt.'"
Die Welt, 22.Feb.2006
"Weber hält das für nicht nachvollziehbar:
'Das ist ein zögerliches Vorgehen auf Kosten der Angehörigen
des Opfers.' Auch juristisch seien die Bedenken des Vorsitzenden Richters
nur schwer nachvollziehbar. Mehrere Oberlandesgerichte hätten in
diesem Punkt anders entschieden. Zudem gebe es bisher kein einziges
Revisionsverfahren, das sich auf die Beiordnung eines Zeugenbeistandes
während des gesamten Prozesses stütze.
Der Mord an dem Kind hatte in der Hauptstadt eine Diskussion über
den Umgang mit jugendlichen Intensivtätern ausgelöst. Innensenator
Ehrhart Körting (SPD) hatte in diesem Zusammenhang strengere Gesetze
zum Schutz vor Gewalt gefordert. Der mutmaßliche Mörder von
Christian Sch. war trotz eines Haftbefehls wegen eines brutalen Übergriffs
auf einen Bundeswehrsoldaten auf freiem Fuß gewesen."
Berliner Morgenpost, 22.Feb.2006
„André Rauhut, Chef der Mordkommissionen:
'Die Tat hat unser ganzes Dezernat sehr bewegt. Auch der Umstand, daß
nach dem Angriff auf den Soldaten keine Untersuchungshaft angeordnet
worden war.' Ein anderer Beamter wird noch deutlicher: 'Der kleine Junge
könnte noch leben, wenn die Justiz nicht so gedankenlos gearbeitet
hätte. Sie trifft eine große Mitschuld.’ “
Berliner Zeitung, 25.2.2006
"Das Gericht lehnte es ab, dass während des
Prozesses neben den Eltern des getöteten Kindes ein Anwalt ihres
Vertrauens sitzen darf. Die Begründung: Es sei weder eine juristische
noch eine psychologische Betreuung von Nöten.
Das Gericht hätte auch anders entscheiden können. Zwar ist
eine Nebenklage in Prozessen gegen Jugendliche nicht zulässig,
aber es liege im Ermessen der Richter, wen sie als Zuhörer während
einer nicht öffentlichen Verhandlung in ihrem Sitzungssaal dulden,
sagte ein Justizsprecher.
Die Eltern seien psychisch schwer angegriffen und es wäre eine
große Erleichterung für sie, eine Vertrauensperson in ihrer
Nähe zu wissen, sagt Regina Geis von der Opferschutzorganisation
Weißer Ring, die die Eltern betreut. Falls Vater und Mutter des
ermordeten Jungen die Verhandlung nicht mehr ertragen würden, könnten
sie den Saal verlassen und ihr Anwalt würde ihnen später berichten,
was passiert sei.
Es leuchtet nicht ein, warum seine Anwesenheit stören sollte. Er
hat in einem Jugendstrafverfahren ohnehin keinerlei Möglichkeit,
in den Verhandlungsverlauf einzugreifen, er kann lediglich zuhören.
Zudem haben andere Gerichte schon sensibler und mutiger im Interesse
von Opfern entschieden als die 30. Große Strafkammer. So gestattete
das Oberlandesgericht in München in einer Entscheidung vom Dezember
2002 ausdrücklich, dass einem Opfer in einem Jugendstrafverfahren
sogar eigens ein Anwalt auf Kosten der Landeskasse zur Seite gestellt
wurde. Zur Begründung hieß es, dass Opfer jugendlicher Gewalttäter
"in gleichem Maße schutzwürdig" seien wie andere
Tatopfer. Die Eltern des getöteten Christian müssten ihren
Anwalt allein bezahlen, wenn nicht der Weiße Ring diese Kosten
übernommen hätte.
Der 16-jährige Angeklagte räumte am Freitag über seinen
Anwalt die Taten ein. Als Motiv nannte er "Frust". Unter anderem
hatte er Streit mit seiner Freundin. Neben dem Mord an Christian wirft
ihm die Staatsanwaltschaft weitere Taten vor. So soll er mit einem Komplizen
einen Bundeswehrsoldaten durch Schläge und Tritte schwer verletzt,
sich "aus sexuellen Motiven" einem zwölfjährigen
Mädchen genähert und während der Haft randaliert haben.
Der Anwalt der Eltern, Roland Weber, will nun erreichen, dass er wenigstens
ab dem nächsten Verhandlungstag, dem 17. März, im Gerichtssaal
Platz nehmen darf. Er hat noch am Freitag gegen die Entscheidung der
Richter Beschwerde beim Kammergericht eingelegt."
Meldung gmx.de, 24.Feb.06:
"Christian sei durch Tritte und Schläge mit
einem Ast getötet worden
Doch das Gericht lehnte den Antrag auf Anwesenheit des Anwalts als juristischen
und psychologischen Beistand der Eheleute ab. Weber kommentierte die
Entscheidung als traurig und kündigte Berufung an. Das Recht auf
ein faires Verfahren sei verletzt. Eine Betreuerin der Familie vom Weißen
Ring erklärte, die Familie sei massiv traumatisiert, hier gehe
eindeutig Täterschutz vor Opferschutz.
Dem jungen Angeklagten wird außerdem die schwere Misshandlung
eines 22- jährigen Soldaten am 17. Juni 2005 an einer Zehlendorfer
Tankstelle, sexuelle Annäherung an ein zwölfjähriges
Mädchen und Randale während der Untersuchungshaft vorgeworfen.
Zunächst verhörte das Gericht Zeugen zum Tankstellenfall."
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Große
Anteilnahme auf Gedenkfeier für den ermordeten kleinen Christian
- Heftige Debatten in Berlin
- Unmut über Justiz
IS
2005-67 - 5.9.05
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