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Recherche 2007-79
Die
Hypotheken - und Finanzkrise zieht weitere Kreise
-
ein paar aktuelle Pressemeldungen -
Uwe Müller
16.9.2007
Was man am Freitag in Großbritannien beobachten konnte, läßt
so manchen, der sich bislang von den vorherrschenden beruhigenden Kommentaren
in der Presse und aus der Finanzwelt hat einlullen lassen, doch aufhorchen.
Von wegen, die Hypothekenkrise werde keine weiteren Kreise, uns schon
gar nicht über die Finanzwelt hinaus, ziehen bzw. wäre bereits
erledigt. Weit gefehlt.
Zur Situation in Großbritannien, wo der fünftgrößte
Baufinanzierer Northern-Rock in eine schwere Schieflage geraten war, und
nur durch massive Notfall-Kredite der Bank of London vor dem Bankrott
bewahrt werden konnte:
"Kunden plündern Northern-Rock-Konten
Die Finanzprobleme des britischen Bankhauses und Baufinanzierers
Northern Rock haben hunderte Anleger dazu veranlasst, panikartig ihre
Konten zu leeren. Der Finanzdienstleister bemüht sich derweil,
die Gemüter zu beruhigen.
Landesweit bildeten sich vor den Filialen der im nordenglischen
Newcastle ansässigen Bank am Freitag lange Schlangen nervöser
Kunden. Berichten zufolge kam es in den Geschäften in Newcastle
vereinzelt gar zu Schlägereien. 'Ich habe mein Gespartes
zu einer anderen Bank gebracht', sagte beispielsweise der Bankkunde
John Duncan beim Verlassen einer Londoner Filiale. Er habe sich die
Schlagzeilen in den Zeitungen angeschaut. 'Wenn Sie da Geld liegen hätten,
was würden Sie tun?', fragte er. Auch der pensionierte Universitätsprofessor
Peter Pye wollte sein Konto fast vollständig leeren. 'Ich verliere
jetzt die Zinsen für einen Monat aber es geht hier wirklich um
meinen inneren Frieden.'
...
Mit Northern Rock ist infolge der US-Hypothekenkrise einer der größten
Baufinanzierer Großbritanniens in derartige Bedrängnis
geraten, dass die Bank of England erstmals seit Jahrzehnten mit einem
Notfall-Kredit einspringen musste. Das Darlehen muss mit einem
Strafzins zurückgezahlt werden."
(Financial Times Deutschland 15.9.07)
Man kann diese Bankkunden verstehen, die sich Sorgen um ihr Erspartes,
um ihre Einlagen machen, und den beschwichtigenden Worten der Bankiers
und des Finanzministers nicht so recht glauben wollen.
Das Handelsblatt vom 15.9.07 erwartet weitere Bankenprobleme in Großbritannien:
"In Großbritannien geht die Angst um
Nach dem Beinahe-Kollaps des Baufinanzierers Northern Rock wächst
in Großbritannien die Angst vor einer großen Immobilienkrise
nach dem Muster der Vereinigten Staaten."
und Spiegel online schreibt am 16.9.07:
"Nach Informationen des Spiegel könnte die Krise
bei Northern Rock auch deutsche Anleger und Banken treffen,
da sich auch deutsche Fonds mit den großzügig verzinsten
Papieren eindeckten. So halten etwa DWS-Fonds laut Halbjahresberichten
Positionen von Granite. Allianz-Fonds investierten in Granite und Dolerite.
'Diese Papiere leiden alle', sagt Dominique Linder, Experte für
besicherte Wertpapiere bei der Allianz. Da Northern Rock für die
verkauften Hypotheken immer noch die Abwicklung der Zinseinnahmen übernehme,
'besteht nun bei Investoren die Angst, dass es dort zu Störungen
kommen könnte'.
Aber nicht nur in Großbritannien geht die Angst um. Zitierte doch
die FAZ am 14.9. unter dem Titel: "Northern Rock und Interhyp
- Die Hypothekenkrise erwischt Europa" einige beunruhigte
Akktienhändler:
"'Die Pest hat nun auch Europa im Griff'
Abgestraft wurden am Freitag praktisch alle Titel,
die auch nur entfernt mit Baufinanzierung zu tun haben. Bei
der Postbank reagierten Anleger nervös, weil diese mit der BHW
„den klassischen Immobilienfinanzierer in Deutschland überhaupt
hält“, sagte ein Händler. Die Commerzbank sei über
die Tochter Eurohypo im Geschäft mit der privaten Immobilienfinanzierung
engagiert. Postbank verloren zur Mittagszeit 3,4 Prozent, Commerzbank
4,4 Prozent, Hypo Real Estate 4,5 Prozent, Aareal Bank 4,8 Prozent.
„Investoren werfen gerade ganze Baskets, also Zusammenstellungen
von Aktien einer Branche, mit MLP, Interhyp oder Postbank drin hinaus“,
erläuterte ein Börsianer.
Die Aktionäre plagte vor allem eine Sorge: 'Dass die Krise am amerikanischen
Immobilienmarkt nun auch Blasen an den europäischen Märkten
zum Platzen bringen könnte', sagte ein Händler. 'Das
ist der Beweis, dass die Hypothekenkrise noch nicht ausgestanden ist',
fügte ein anderer hinzu. 'Die Pest hat nun auch Europa im Griff',
ergänzte ein dritter. 'Es geht die Angst um, dass die Hypothekenkrise
aus Amerika jetzt nach Großbritannien geschwappt ist.'"
Dieses Überschwappen ist ja nun nicht wirlich neu, vielleicht höchstens
für Großbritannien jetzt. Der Fast-Zusammenbruch der IKB, die
Pleite der Sachsen LB und noch etliche weitere Beispiele in Deutschland
und Europa sind ja auch schon die ersten Auswirkungen, weiter werden unweigerlich
folgen.
Noch weit beachtenswerter sind aber die schon jetzt erfolgten bzw. angekündigten
Entlassungen im Banken- und Baubereich, die erst den Anfang markieren
dürften.
"US-Immobilienkrise - Countrywide streicht 12.000 Jobs
Die größte US-Hypothekenbank Countrywide will wegen
der Krise an den Immobilien- und Kreditmärkten 10.000 bis 12.000
Stellen streichen. Der Arbeitsplatzabbau, der bis zu einem Fünftel
der Beschäftigten trifft, solle binnen drei Monaten abgeschlossen
werden, teilte das Unternehmen mit. Einige Stellen seien bereits weggefallen.
Es ist der mit Abstand größte Jobabbau eines einzelnen Konzerns
in der derzeitigen US-Immobilienkrise, durch die bereits zehntausende
Beschäftigte ihre Stellen verloren haben."
ARD 9.9.07
Aber schon Tage zuvor gaben die neuen Berichtszahlen über den US-Arbeitsmarkt
erste Signale der Auswirkungen der Krise auf die sog. "Real-Wirtschaft":
"Hypo-Krise schlägt auf US-Arbeitsmarkt
durch
Es sieht ganz danach aus, als ob die US-Hypothekenkrise nun doch realwirtschaftliche
Konsequenzen hat. Zumindest sendet der Bericht zum US-Arbeitsmarkt erste
Signale, die Börsen begeben sich auf Talfahrt. Laut der Daten,
die das US-Arbeitsministerium am Freitagnachmittag veröffentlichte,
schrumpfte die Zahl der Arbeitsplätze in den USA im August zum
ersten Mal seit vier Jahren. Außerhalb der Landwirtschaft wurden
4.000 Stellen abgebaut. Experten hatten mit einem Anstieg um 110.000
Jobs gerechnet. Den Rückgang bei der Beschäftigung führt
das Ministerium auf die Immobilienkrise und die folgenden Turbulenzen
an den Finanzmärkten zurück. Dies habe nun offenbar auch auf
den Arbeitsmarkt durchgeschlagen."
ARD 7.9.07
Das ist ja auch nicht verwunderlich. Da sind die Entlassungen im Bankensektor
und schon etliche auch im Bausektor. Und ein Ende ist nicht absehbar.
Manche Auswirkungen zeigen sich wohl erst noch, denn wie viele US-Bürger
können mittlerweile ihre Hypothekenzinsen nicht mehr bezahlen? Wieviele
sind schon bankrott gegangen? Eines ist bei der Bedeutung der US-Wirtschaft
und bei der internationalen Verflechtung nicht von der Hand zu weisen:
die Auswirkungen werden nicht auf die USA beschränkt bleiben.
Der sog. Wirtschaftsweise Bofinger warnt erneut, meines
Erachtens zurecht:
"Bofinger rechnet mit anhaltender Finanzkrise
Die Weltwirtschaft wird sich deutlich abkühlen - das glaubt der
Wirtschaftsweise Peter Bofinger. Grund dafür ist seiner Meinung
nach die kriselnde US-Wirtschaft, von der sich auch Europa nicht
abkoppeln könne. Ein rasches Ende der internationalen
Finanzkrise erwartet Bofinger deshalb nicht.
Berlin - Bofinger erklärt seine düstere Prognose vor allem
mit der jüngsten Entwicklung in den USA. Angesichts der steigenden
Immobilienpreise hätten viele Eigenheimbesitzer auf den steigenden
Wert ihrer Immobilien zusätzliche Kredite aufgenommen, die sie
für Konsumzwecke nutzten, sagte er der 'Frankfurter Rundschau'.
Jetzt würden jedoch die Zinsen steigen. 'Immer mehr Haushalte dürften
nun Schwierigkeiten bekommen, ihre Kredite abzuzahlen.' Viele US-Verbraucher
würden deshalb Monat für Monat den Gürtel enger schnallen.
Dies werde auch ein exportorientiertes Land wie Deutschland zu spüren
bekommen, fügte der Wirtschaftsweise hinzu."
spiegel 14.9.07
Man wird sich also wohl an folgende stereotype Meldung, wie man sie alle
paar Tage zu lesen bekommt, gewöhnen müssen:
"Die US-Hypothekenkrise und ihre Folgen haben am Freitag erneut
die Aktienmärkte belastet. Vor allem kräftige Kursverluste
bei Finanzwerten zogen den Dax nach unten...."
Über die wahre Tiefe und Auswirkungen der Finanzkrise, und vor allem
über die wirklichen Auswirkungen auf die Masse der Bevölkerung,
hier wie überall, sagt diese Stereotype allerdings relativ wenig
aus Was und wen interessiert da schon der Aktienkurs? Höchstens die
Aktionäre und mehr noch die Banken.
Da muß man dann schon sich die Meldungen schon selber zusammensuchen
und versuchen, sich ein Bild davon zu machen, wie die konkreten Auswirkungen
aussehen bzw. aussehen könnten. Was man jetzt schon in der USA als
konkrete Auswirkung der Hypothekenkrise beobachten kann, Entlassungen
in großem Stil, Wirtschaftsrückgang, das, so ist zu erwarten,
wird auch hier nicht allzu lange auf sich warten lassen.
www.neue-einheit.de
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