Internet Statement 2007-74

 

Angriff aufs Streikrecht
- Zu einem Interview mit Gesamtmetall-Chef Kannegießer -

Uwe Müller  19.8.07      

Einige kommentierte Zitate aus einem Interview des Handelsblattes mit dem Chef von Gesamtmetall Kannegießer vom 17.8.07:

"...
Handelsblatt:
Bedarf es strengerer Vorgaben für das Streikrecht?

Kannegießer: Man kann das Streikrecht nicht generell einschränken, das ist klar. Vieles von dem, was jetzt diskutiert wird, sind eher Reflexe auf den Bahn-Tarifkonflikt. Trotzdem sehen wir eine bedenkliche Tendenz, dass die Hemmschwelle sinkt, das Mittel des Streiks anzuwenden. Teilweise kündigen Gewerkschaften ja schon Arbeitskämpfe an, bevor überhaupt Forderungen gestellt sind. Gleichzeitig gibt es eine Tendenz der Rechtsprechung, die in eine gefährliche Richtung läuft – ich erinnere an die Urteile des Bundesarbeitsgerichts zu Gunsten von Sympathiestreiks und Arbeitskämpfen für betriebliche Sozialpläne."

Folgt man hierin Kannegießer dann könnte man meinen, das sowieso stark eingeschränkte Streikrecht sei schon zu viel des Guten, weil die Hemmschwelle, Streiks durchzuführen, gesunken sei. Das Streikrecht ist Kannegießer und seinesgleichen nur solange gut, wie es nicht oder nur wenig wahrgenommen wird. Und was die von ihm hier angesprochene Rechtssprechung angeht, so ist für Streikende auf die Justiz keinerlei Verlaß. Ganz im Gegenteil, wie das Verbot des Streiks der GDL durch das Nürnberger Arbeistgericht deutlich gezeigt hat. Und was nutzen den Arbeitern und Angestellten denn Streiks für Sozialpläne, wenn es gegen Schließung oder Verlagerung von Betrieben geht? Dagegen aber sind Streiks nach wie vor verboten.

"Handelsblatt: Soll der Gesetzgeber eingreifen?

Kannegießer: Gerade in einer eng vernetzten Wirtschaft muss gelten, dass Streiks nur das letzte Mittel in Tarifauseinandersezungen sein dürfen. Sonst wird daraus ein gefährlicher Sprengsatz. Mir wäre lieber, wenn die Gewerkschaften selbst ein vernünftiges Maß halten und wir uns auf kluge Verhandlungs- und Schlichtungsprozesse vor dem Mittel des Arbeitskampfs verständigen könnten. Ich habe auch Hoffnung, dass das gelingen kann. Andernfalls bliebe aber gar keine andere Möglichkeit, als dass die Politik regelnd eingreift."

Ja, ja. Die Gewerkschaften sollen doch vernünftig sein, sollen vor dem Streik schon verhandeln, schlichten lassen und zum Ergebnis kommen. In den meisten Fällen ist das ja auch mit den DGB-Gewerkschaften zu machen. Herr Kannegießer aber fürchtet hier wohl aufgrund der Erfahrungen mit den Ärzten, Piloten und aktuell mit den Eisenbahnern der GDL eine Änderung. Dann müsse die Politik regelnd eingreifen - sprich: das Streikrecht noch weiter einschränken!

"Handelsblatt: Arbeitgeberpräsident Hundt fordert eine gesetzliche Klarstellung, Minderheitenstreiks gesetzlich zu regeln. Sie auch?

Kannegießer: Das ist ein zweiter Gesichtspunkt, der speziell das Prinzip der Tarifeinheit betrifft. Es kann nicht sein, dass eine kleine Sondergruppe einen Betrieb bestreikt und die betriebliche Leistungsgemeinschaft sprengt, wenn ein gültiger Tarifvertrag für die gesamte Belegschaft besteht. Wenn es hier keine freiwillige Lösung gibt, um den Betriebsfrieden zu sichern, muss in diesem Punkt genauso der Gesetzgeber eingreifen und für Klarstellung sorgen."

Hier wird er noch deutlicher, worum es ihm geht. Der Betriebsfrieden ist gefährdet. Deshalb bevorzugt Kannegießer das alte Prinzip der Tarifeinheit, bevorzugt er die so bewährten und dem Betriebsfrieden dienlichen Absprachen mit den großen DGB-Gewerkschaften. Er will auf jeden Fall entschlossenere Streiks und bessere Ergebnisse einzelner Berufsgruppen, Branchen und ihren eigenen Gewerkschaften verhindern. Im Namen der sog. Tarifeinheit. Daß Millionen hierzulande gar keinem Tarif unterliegen, daß in vielen Firmen Tarife gar nicht gelten, daß immer öfter Tarifverträge mit Zustimmung der Gewerkschaften und der Belegschaften ausgehebelt und mißachtet - das ist für ihn natürlich kein Verstoß gegen die Tarifeinheit.
Geht es also um Verschlechterung der Bedingungen der Arbeiter und Angestellten - dann ist Kannegießer für Tarifeinheit. Geht es aber um Verbesserungen - dann ist er dagegen. Ein Schelm, der böses dabei denkt.

 

 

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