Internet Statement 2006-02

 


Die schnelle „Beendigung“ des ukrainisch-russischen Gasstreites

5.1.2006              

Da ist die ganz große Intervention der westeuropäischen und amerikanischen Kapitalisten erfolgt, um diesen merkwürdigen Kompromiß zustande zu bringen. 'Ihr einigt euch auf der Stelle, denn das schafft hier in Westeuropa viel Unruhe und bricht die Fronten auf' – etwa in dieser Weise dürften die westeuropäischen Vertreter sowohl bei der russischen wie bei der ukrainischen Regierung vorstellig geworden sein, und das wird auch mehr oder minder in den Organen des Kapitals bestätigt. So heißt es im „Handelsblatt“ vom 4. Jan. 2006 in einem Kommentar von Eric Bonse:

„Dezenter Druck aus Berlin und Brüssel hat eine Ausweitung der Krise verhindert und die Gemüter beruhigt.“

Und schon am Abend des 3. Januar wußten die maßgeblichen Medien in der Bundesrepublik, daß ein solcher Kompromiß zustande kommen wird.

Es handelt sich um eine fragile Konstruktion. Die Ukraine erhält das Gas für 95,-$ pro 1000 cbm, Rußland führt als Erfolg an, daß es seinen geforderten Preis von 230,-$ erhalten hat. Das Ganze wird dadurch „ausgeglichen“, daß turkmenisches Gas mit russischem vermengt wird und daß die Ukraine von dem Konsortium RosUkrenergo für 95,-$ beliefert wird. RoskUkrenergo befindet sich zur Hälfte im Besitz der Gasprom, und bei der Gründung war es zur anderen Hälfte in dem der österreichischen Raiffeisenbank; der heutige Besitzer dieser anderen Hälfte ist angeblich unbekannt. Die Firma sitzt in der Schweiz im Kanton Zug. Einzelheiten der Lieferungen an die Ukraine müssen offenbar noch ausgehandelt werden und sind bereits Gegenstand weiterer erheblicher Kontroversen. Die Ukraine hatte auch vorher schon sehr preisgünstiges Gas aus Turkmenien bezogen. Insofern sind von der Ukraine einige Nachteile in Kauf genommen worden, denn sie hatte immerhin einen Vertrag mit dem Preis von 50,-$, der ihr eingeräumt worden war, als Rußland noch mit Janukowitsch als Präsidenten der Ukraine rechnete.

Daß das deutsche Kapital in der Frage der Gaslieferungen sehr engagiert ist und auch mit Rußland, mit dem es auf jeden Fall in enger Verbindung steht, es nicht verderben will, machen die Verbindungen klar. E.on und BASF/Wintershall haben enge Beziehungen zu Gasprom. Die SPD hängt mit dem Gashandel politisch engstens zusammen und hat sich in dieser Richtung regelrecht versteift, bekanntlich ist ihr bis vor kurzem führendster Vertreter dabei, sich in den Aufsichtsrat einer Firma der Gasprom zu setzen, die eine Pipeline durch die Ostsee nach Deutschland errichten will.
Auffällig ist noch, daß die Meldung, die BASF beabsichtige eine feindliche Übernahme beim Kauf eines bedeutenden Katalysatorherstellers und Chemieausrüsters aus den USA, mit diesem Datum zusammenfällt. Die Firma Wingas, nach eigenen Angaben der größte Importeur von Gas aus Rußland nach Deutschland, ist ein Gemeinschaftsunternehmen der BASF-Tochter Wintershall mit Gasprom. Über persönliche Verbindungen sind engste Beziehungen zwischen der Allianz-Gruppe, der Deutschen und der Dresdner Bank zu Gasprom gegeben. Was für ein deal im Hintergrund ausgehandelt wurde, darüber kann man jetzt nur spekulieren.

Derweil diese Kräfte hierzulande dafür sorgen, daß die Kernenergie sich nicht weiterentwickelt und auf Abbau gesetzt wurde, betreiben sie Kernenergie im Ausland, u.a. in Rußland, weiter. Während hier die wichtigste moderne Technik der Energiegewinnung verboten und schlechtgeredet wird, mit den direkten Folgen weiteren industriellen Abbaus, Wissenschaftsflucht, Arbeitsplatzverlusten und vermehrter Energieabhängigkeit vom Ausland, entwickelt sie sich an vielen Stellen der Welt verstärkt weiter. In dieser ganzen Konstruktion liegt ein Herunterdrücken der arbeitenden Menschen, der intellektuell wie manuell arbeitenden Menschen in Deutschland. Alles, was arbeitet, wird von dieser Richtung in einer schikanösen Weise heruntergedrückt.

Die Auseinandersetzung zwischen der Ukraine und Rußland hat schlagartig die Diskussion über die Kernenergie wiederaufleben lassen, was den Wirtschaftsminister Glos zurecht veranlaßte daran zu erinnern, daß es willkürliche politische Beschlüsse sind, die, wie wir wissen, eben internationalen Vorgaben folgen, aufgrund derer die Kernenergie stillgelegt werden soll, was angesichts der Energiesituation der absolute Wahnwitz ist. Hier sieht man, wo Gefahren liegen, wirkliche Gefahren und nicht irgendwelche an den Haaren herbeigezogene Gefahren, wie sie von den Grünen und ähnlichen propagiert werden.
Die Kernenergie muß verteidigt werden, nicht vorwiegend wegen des Gasstreites zw. Rußland und der Ukraine und der offenkundigen internationalen Abhängigkeit, sondern auch aus prinzipiellen Erwägungen. Die Beherrschung der Materie, die Gewinnung von größten Energiemengen über diese Prozesse sind unentbehrlich für den industriellen Fortschritt auf der Welt, und die Kampagne gegen diese Energieform stellt das Reaktionärste dar, was die 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts hervorgebracht hat. Sie ist Reaktion im Knochenmark, sie ist völlig unvereinbar mit allen Aussagen bedeutender Marxisten und Sozialisten wie aller fortschrittlichen Menschen auf der Welt. Der Marxismus ist eine einzige Verurteilung der gesellschaftlichen Grundanschauungen dieser Kampagne.

Auch ein größerer Teil der Industriellen in Deutschland sieht, vor allem aus ökonomischen Gründen, die Notwendigkeit der Kernenergie in Deutschland. Aber auch gegen sie wird gehetzt.
Es ist erneut deutlich geworden, mit welch einem Fanatismus die SPD die Kernenergie weiter abblocken will. Kaum waren die Worte des Michael Glos über die Medien gegangen, ging die Hetze los. Der Koalitionsvertrag schreibe dies auf alle Ewigkeit fest, der Abbau der Kernenergie entspreche der Rechtslage in Deutschland, so der sog. Umweltschutzminister Sigmar Gabriel aus Niedersachsen. Ein Kommentar des „Inforadio RBB“ warf am Abend des 4.1. Glos vor, was er für negative Eigenschaften habe, daß er nur Ersatzmann sei, daß er hohe Löhne in bestimmten Fällen gefordert habe; aber jetzt, noch viel schlimmer, packe er „das besonders heiße Eisen“ an, die Kernenergie.
Der Koalitionsvertrag ist zustande gekommen aufgrund dessen, daß eben auch Kräfte in der CDU/CSU letztlich die Kernenergie entschieden ablehnen und jeden Konflikt vermeiden wollen. Aber es ist auch festgehalten worden, daß hier unterschiedliche Ansichten bestehen, und selbstverständlich kann in einer Lage, die objektiv bestimmte Notwendigkeiten aufzeigt, ein solcher Koalitionsvertrag auch geändert werden. Wie viele Versprechungen hat nicht die SPD schon gemacht und hinterher nicht eingehalten, wie viele Verträge hat sie schon gebrochen! Dies aufzuzählen würde man in Stunden nicht fertig werden. Selbstverständlich kann dieser Vertrag geändert werden und er muß geändert werden. Die Kernenergie darf nicht weiter abgebaut werden, sie muß weiterentwickelt werden, und es muß mit der ganzen antiwissenschaftlichen Hetze, die damit verbunden ist, endgültig abgerechnet werden. Die SPD ist aber wie fanatisiert in dieser Frage - von den Grünen im Hintergrund braucht man gar nicht zu reden, das ist selbstredend – , und die SPD ist verantwortlich für den weiteren forcierten Abbau der Industrie und die Freisetzung und Verelendung von Millionen von Menschen, die infolge dieser völlig wahnwitzigen Politik des industriellen Desasters in der Bundesrepublik ihre Arbeit verloren haben und weiter verlieren werden.

Und die SPD entspricht den Vorgaben der Kräfte aus den USA und Rußland, die diese Sache der Anti-AKW-Kampagne seit über 30 Jahren unterstützt haben. In diesem Zusammenhang muß auch noch einmal an die Rolle Rußlands im Zusammenhang mit der Anti-AKW-Kampagne erinnert werden. Während der 70er Jahre baute die Sowjetunion selber die Atomenergie massiv aus und unterstützte gleichzeitig ziemlich offen die Anti-AKW-Bewegung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Während hier, u.a. unter massiver Beteiligung der DKP und sog. Umweltschutzorganisationen, unter dem Schlachtruf „Der Bauplatz muß wieder Weide werden!“ die Kernenergie zum Stillstand gebracht wurde und, wenn es nach den Zielen dieser Kräfte gegangen wäre, radikal abgerissen worden wäre, gab es bei der Wismut in der DDR den Abbau des Urans praktisch im Tagebau und unter der geringsten Beachtung von Sicherheitsvorschriften, die sich denken läßt. Das Verhalten Rußlands und der Sowjetunion im Zusammenhang mit der Demontage der Kernenergie und der Deindustrialisierung in der Bundesrepublik ist eines der Kapitel, die hier angesichts dieser Fragen wieder aufkommen.

Im übrigen hat die Entwicklung in Rußland im weiteren, der Ausverkauf der russischen Industrie, der Management-buy-out zugunsten von einigen profitsüchtigen Cliquen, die rücksichtslos die Produktionsanlagen mehr oder minder bis auf Restelemente zerstörten und zu ihren persönlichen Gunsten verscherbelten und ausschließlich die Öl- und Gasindustrie haben übrig bleiben lassen, auch die russische Arbeiterklasse weitgehend aus der Produktion enthoben.

Hier gibt es noch etwas zu korrigieren. Rußlands Verantwortung darf in dieser Hinsicht nicht außer Frage gestellt werden. Seine Rolle ähnelt in vielem der der USA. Auch die spätere Führung Chinas (ab 1977) ritt auf einer ähnlichen Welle. Heute hat China große ambitionierte Aufbauprogramme für Kernenergie, gleichzeitig haben Kräfte in der politischen Führung, die mit dem Umsturz in der 2. Hälfte der siebziger Jahre zusammenhingen, sich in dieser Zeit auf Parteien im Ausland und gerade in Deutschland gestützt, die an der Anti-AKW-Kampagne massiv teilgenommen haben.

Mit welcher Niedrigkeit bestimmte Kräfte in der öffentlichen Diskussion argumentieren! Da kommt doch die SPD und behauptet, die Uranvorräte gingen bald zu Ende, und deswegen brauche man mit Kernenergie gar nicht erst wieder anzufangen. Sie bringen die billigsten Märchen, die es gibt. Die Uranvorräte auf der Welt sind noch gar nicht völlig erschlossen, die in Deutschland liegen brach und werden nicht genutzt. Die Grünen argumentieren mit der Gefahr islamischer Terroristen, dadurch werde die Kernenergie zu einer Gefahr. In der Tat ist die Sabotage und Terrorismus die eigentliche Gefahr an der Kernenergie, aber sie ist kein Grund. Wenn man so argumentieren würde, könnte man auch keine Chemieindustrie und so manches andere machen, weil man sich Gefahren aussetzen würde. Dies läuft auf eine völlig Unterwerfung vor sog. terroristischen Drohungen, sprich in Wirklichkeit dahinterstehenden internationalen Machenschaften hinaus.

Die Anti-AKW-Kampagne hängt engstens mit dem sog. Atomwaffen-Sperrvertrag zusammen, der seinerzeit zwischen den USA und der Sowjetunion ausgekocht wurde und seitdem zur Erpressung und sogar zum Überfall auf andere Staaten dient. Es ist an der Zeit, daß alle diejenigen, die überhaupt den Anspruch haben, eine linke, revolutionäre und sozialistische Politik zu machen, zu diesem elementaren Fakt einmal Stellung nehmen. Sie kriechen in letzter Konsequenz vor den Großmächten, die hier das Atomdiktat ausüben, an allererster Stelle die USA.

Redaktion Neue Einheit - hd

 

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