Internet Statement 2006-80
Berlin: Kein Thema so wichtig wie der kommende Entscheid des Bundesverfassungsgerichts 16.10.2006 In Berlin wird seitens der politischen Kreise nichts so sehr diskutiert und nichts so sehr erwartet wie der Entscheid des Bundesverfassungsgerichts am kommenden Donnerstag, bei dem es für das Land Berlin um eine Ausgleichszahlung von bis zu 35 Milliarden Euro seitens des Bundes und der anderen Bundesländer geht, die ihm zugesprochen werden soll. In der Tat ist ein solcher Entscheid im höchsten Maße fragwürdig. Nun wird das Bundesverfassungsgericht auch noch mehr oder minder zur obersten Finanzbehörde, die über Milliarden zu entscheiden hat, die Bundesländern zugesprochen werden sollen, die zumindest in erheblichem Maße durch eigene Schuld in die ökonomische Misere und Katastrophe geraten sind. Die Korruption des Berliner wirtschaftlichen Lebens war schon in den neunziger Jahren ein ständiges Thema. Und auch schon vor 1989 gab es in West-Berlin immer wieder das Thema der Verschwendung und der völlig ungesunden wirtschaftlichen Verhältnisse in der Berliner Bürokratie. Das ganze ökonomische Leben war auf eine anormale Basis gestellt und Subventionswirtschaft und Zuwendungswirtschaft fast schon zur Normalität geworden. Wer dies nicht mitmachte in Berlin, wurde fast schon als merkwürdig angesehen. Zu den Abnehmern der Zuwendungen und Subventionen gehörten auch die großen Unternehmen und Konzerne, die manchmal hier Zweigbetriebe eröffneten, die nur darauf ausgerichtet waren, hier etwas abzukassieren. Ohne die Subventionen verloren diese Zweigbetriebe für sie dann ihren Sinn. Nach dem Fall der Mauer kam der Absturz als die entsprechenden Subventionen für die Sonderlage Westberlins gestrichen wurden, aber die Privilegienwirtschaft sollte erhalten bleiben. Mitten in der Finanzmisere und der schwierigen Haushaltslage, die schon in den neunziger Jahren bestand, wurden Entscheidungen getroffen wie die Gründung der Berliner Bankgesellschaft. Bei ihr wurde eine Konstruktion geschaffen, bei der private Anleger, Firmen und Kreditnehmer völlig unangemessene Geschenke bekamen und umgekehrt das Land Berlin, also der Berliner Steuerzahler, für die Schulden aufkommen mußte, die auf Grund der Konstruktion der Bank aufliefen. Bis zu 21 Milliarden Euro Schulden und Sonderbelastungen wurden dem Berliner Steuerzahler bei der "Lösung" des Skandals der Berliner Bankgesellschaft aufgebürdet. Diese und andere Dinge sind so gravierend, daß man sagen kann: auf keinen Fall darf das Geld fließen, weil ja damit die Handlungsweisen gerechtfertigt würden. Aber nun kommt etwas Neues, nämlich die Art und Weise, wie die südlichen Bundesländer Berlin kritisieren. Hier tritt der baden-württembergische Finanzminister Stratthaus hervor und wirft Berlin vor, kostenlose Kindertagesstätten zu unterhalten. Dieser Posten kostet laut Finanzbulletin von Berlin gerade mal 35 Millionen Euro. Oder es wird gesagt: ihr legt euren Studenten keine Studiengebühren auf, also dürfen wir euch das nicht zahlen. Auch dieser Betrag der Studiengebühren ist nicht wichtig wegen seines Anteils am Haushalt des Landes Berlin, sondern als Mittel der Disziplinierung der Studenten. Diese Beträge sind kleinliche Kleckerbeträge im Vergleich zu dem, was hier durch frühere Senate, an denen auch die CDU maßgeblich beteiligt war, in die Gosse geworfen wurde. Daran stört sich offensichtlich Herr Stratthaus nicht. Es wäre überhaupt interessant, inwieweit die anderen Bundesländer, die zahlen sollen, diese wirklich gravierenden Korruptionserscheinungen und Sümpfe von Berlin benennen, oder ob sie den ganzen Skandal dazu benutzen zu verlangen, daß die Berliner Behörden noch viel mehr Druck auf die Bevölkerung, auf die Studenten, auf die Eltern ausüben. Das letztere scheint der Fall zu sein. Und deswegen ist die gesamte Auseinandersetzung um dieses Verfahren schon von einer miserablen Verschleierung und Heuchelei geprägt. Alle diese Korruptionserscheinungen, diesen Eindruck bekommt man, werden aus "parteipolitischer Solidarität" gedeckt und beschönigt, war es doch die CDU, die in den neunziger Jahren an allererster Stelle in den Skandal der Bankgesellschaft in Berlin verstrickt war. Und was ist dann passiert? Unter der Ägide der Justiz verlaufen die Anklagen gegen die entscheidenden Manager der Bankgesellschaft im Sande. Letztlich nur die Manager von Aubis, denen man sehr konkrete Handlungsweisen nachweisen kann, kommen unter eine Anklage. Sie lassen sich aber nun für nicht verhandlungsfähig erklären, und wahrscheinlich wird auch dieser Prozeß im Sande verlaufen. Der ganze Opportunismus, der Berlin trägt, wird auch von den anderen Bundesländern mit gedeckt. Unter den Kosten, die Berlin besonders belasten, sind die Pensions- und Versorgungskosten für den gigantischen Öffentlichen Dienst zu nennen, den man so aufgebläht hatte, um viele soziale Erschütterungen in den letzten 30 Jahren des 20. Jahrhunderts aufzuhalten. Man steckte die Leute in die Verkehrsbetriebe, in den Senatsapparat, um Arbeitslosigkeit zu überdecken, und hat jetzt die Zahlungen am Hals. Noch mehr, man erhöhte die Beamtenzahl permanent, so weit, bis z.B. bei Staatsanwälten oder anderen höheren Beamten so viele Kräfte mehr vorhanden waren als zu vergebende Stellen, daß man Leute einfach nach Hause schickte und für volles Gehalt einfach nicht arbeiten ließ. Das alles war möglich und wurde hier geduldet. Gleichzeitig wurde bei den unteren Stellen gestrichen, so daß nachher auf die unteren Stellen gleich ein ganzer Pulk von Vertretern der höheren Laufbahn kam - regelrechte Absurditäten, die bis zum Geht-nicht-mehr Geld kosten und dieses Land zusätzlich in die Schulden gestürzt haben. Und schließlich, wenn sich nichts ändert, was soll es dann bewirken? Wenn die 35 Milliarden gezahlt werden, werden rund 30 Milliarden Schulden übrig bleiben, und wenn nicht wirklich eine Änderung eintritt - und das zeichnet sich bis jetzt nicht ab - werden aus den 30 Milliarden innerhalb weniger Jahre wieder die gegenwärtig öffentlich eingestandenen 61 Milliarden Schulden werden. Dabei ist es zudem sehr zweifelhaft, ob die öffentlich eingestandenen Zahlen wirklich den vollen Umfang wiedergeben. Man darf gespannt sein, wie das Bundesverfassungsgericht auf diese entscheidenden Punkte, wie z.B. den Bankenskandal, die Berliner ökonomische Struktur und die Verantwortlichkeit der hiesigen Behörden in Verbindung auch mit Bundesbehörden und den Bundesparteien eingehen wird. Die ganze Ausrichtung auf das Bundesverfassungsgericht und die Zuschiebung der Verantwortung an dieses hat noch einen anderen gravierenden Nachteil: gleich wie das Urteil aussehen wird, am Schluß wird man sagen, das Bundesverfassungsgericht habe eben so entschieden. Im einen Fall wird es heißen, es hat entschieden, daß wir etwas bekommen, daß wir gewisse Auflagen einhalten müssen, also müssen wir so und so handeln. Im anderen Falle wird es heißen, Berlin bekommt kein Geld, das Bundesverfassungsgericht hat uns die Hilfe verweigert, also können wir jetzt sparen auf Hauen und Stechen und alles ist erlaubt gegenüber der eigenen Bevölkerung. Der Fingerzeig auf das Gericht bewirkt, daß die Verantwortlichen in den Behörden, in den Gerichten hier in Berlin, im Senat usw. von ihrer persönlichen und direkten Verantwortung ablenken. Das ist ein ganz schlechtes Ergebnis. Was nottut in Berlin, ist eine grundlegende Wende, die zu einer Wiederansiedlung von Industrie, einer Reindustrialisierung führt. Die gesamten Behörden müssen grundlegend umstrukturiert werden, dort müssen die Einschnitte erfolgen, und alle die Selbstbedienungspraktiken müssen ein Ende haben. Dabei aber müßte man dem Opportunismus in der Stadt auf die Füße treten, und das ist bis jetzt nicht zu erwarten. RedakNE
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