Internet Statement 2007-43

 

Die neue Kronzeugenregelung nach Zypries – noch mehr „dealende Justiz“ !

Walter Grobe 17.5.2007             

Der neueste Vorstoß der großen Koalition in der Justizpolitik, die Kronzeugenregelung wiedereinzuführen und sogar auf alle möglichen Arten von Strafverfahren auszuweiten, kommt wie eine drastische Verdeutlichung des Prinzips der „dealenden Justiz“, das in unserem IS 2007-40 kritisiert wird.

Immerhin kam von verschiedenen Seiten recht deutliche Kritik an dem Vorhaben, das die Justizministerin Zypries sich gleichwohl am 16.5. im Kabinett bestätigen ließ. So erklärte der Vizepräsident des Deutschen Anwaltvereins, Georg Prasser, daß schon die alte Kronzeugenregelung 1999 u.a. wegen Erfolglosigkeit ausgelaufen sei. Zu dem neuen Vorhaben sagte er u.a.:

„...wenn Ziel dieser Kronzeugenregelung sein soll, in feste Strukturen der Kriminalität einzudringen, und dieses Ziel mit der alten Kronzeugenregelung nicht erreicht wurde, dann leuchtet es mir nicht ein, worauf man die Hoffnung stützen möchte, dass es jetzt mit der neuen Regelung gelingen soll. Besonders bedenklich an der neuen Regelung scheint mir zu sein, dass der Kronzeuge eben nicht nur in den Genuss der Strafmilderung kommen soll, wenn er eigenes Tun und das, in welches er involviert war, offenbart, sondern dass er zumindest auf eine Strafmilderung hoffen kann, wenn er Straftaten offenbart, von denen er nur weiß, bei denen er aber nicht teilgenommen hat. Das ist eine in Gesetz gegossene Aufforderung zum Denunzieren.

[Interviewer] Heinlein: Aber den Staatsanwälten und Richtern könnte die Arbeit doch in Zukunft erleichtert werden?

Prasser: Ach wissen Sie, ich glaube nicht, dass Richter und Staatsanwälte die Arbeit mit Kronzeugen als leichte Arbeit oder als Erleichterung empfinden, denn gerade beim Kronzeugen ist es besonders schwer zu beurteilen, ob der Kronzeuge nun tatsächlich die Wahrheit spricht, denn er ist ja kein klassischer Zeuge, sondern in der Regel ein zumindest kriminell Verdächtiger, jemand, der im kriminellen Milieu ist. Dessen Wahrhaftigkeit zu beurteilen, ist in der Regel wesentlich schwieriger, als die Wahrhaftigkeit normaler Zeugen zu beurteilen.

Heinlein: Also die Gefahr, dass ein Täter mit Falschaussagen agiert, um selber seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen?

Prasser: Ja, diese Gefahr ist virulent, und diese Gefahr wird auch nicht dadurch beseitigt, dass die Strafandrohung für einen Kronzeugen, der eine Falschaussage macht, etwas angehoben wird. Diese Strafdrohung gab es auch bisher schon.“
(deutschlandfunk 16.5.2007, www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/625885)

Der MDR berichtete am 17.5:

„Der Deutsche Anwaltverein hat sich gegen die von der Bundesregierung beschlossene Kronzeugenregelung ausgesprochen. Der Staat mache sich zum "Kumpanen von Verbrechern", wenn die Strafmilderungsmöglichkeit für aussagewillige Straftäter Gesetz werde, hieß es zum Auftakt des 58. Deutschen Anwalttags in Mannheim.“

In Net-tribune war am 17.5. zu lesen:

“Mannheim - Der Deutsche Anwaltverein (DAV) lehnt die geplante Erweiterung der Kronzeugenregelung ab. «Die Regelungen sind unpraktikabel und fördern das Denunziantentum», sagte DAV-Vizepräsident Georg Prasser am Donnerstag auf der Jahrestagung des Verbandes in Mannheim.
Mit dem Vorhaben werde die Wahrheitsfindung der Gerichte erheblich erschwert, denn sie stifte Zeugen mit «Strafrabatten» zur Falschaussage an. In Zukunft könnten weit mehr Absprachen in Hinterzimmern geschlossen werden als bisher. Auf diese Weise verlasse das Recht den Gerichtssaal, kritisierte Prasser.
Weil künftig auch solchen Zeugen Strafmilderung winke, die zu Straftaten aussagen, an denen sie nicht persönlich beteiligt gewesen seien, könne ein reger Handel mit Informationen entstehen. «Das führt dazu, dass der Kriminellste die besten Karten hat, denn er hat genügend Informationen, mit denen er handeln kann», sagte Prasser.“

Der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Jerzy Montag, erklärte, jede Kronzeugenregelung sei "ein Geschäft mit der Wahrheit und geht auf Kosten der Rechtsstaatlichkeit". Die Ermittlungsbehörden wollten freie Hand erhalten, mit Straftäterinnen und Straftätern "schmutzige Deals" zu machen.“ (Die Zitate in einem Beitrag von bbv-net, 15.5.2007)

 

Bedauerlicherweise lassen die Vertreter des Deutschen Anwaltvereins in ihren weiteren Ausführungen eine gewisse Bereitschaft erkennen, sich mit derartigen Gesetzesvorhaben zu arrangieren und höchstens noch auf Detailländerungen zu hoffen. Das steht im Widerspruch zu der Aufdeckung der katastrophalen Prinzipienlosigkeit dieser Justizpolitik, zu der diese Leute vom Fach sich selbst gezwungen sehen. Derartige Gesetzesvorhaben müssen zu Fall gebracht werden, und der Widerstand dagegen wie überhaupt gegen die faulen Tendenzen in Gesetzgebung und Gerichtspraxis sollte von breitesten Kreisen in die Hand genommen werden, denn sonst ändert sich nichts Entscheidendes.

 

 

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