Internet Statement 2006-19

 

Nochmals zur Frage der Anfangsjahre des Jugoslawienkrieges  (1991/ 92)

17.3.06        

Wir haben in unseren Stellungnahmen anläßlich des Todes von Slobodan Milosevic in Den Haag - dessen Umstände in unseren Augen noch immer unklar sind - natürlich auf unsere Veröffentlichungen gegen den NATO-Krieg von 1999 und seine Nachgeschichte hingewiesen. Aber wir haben dort auch sehr grundlegende Stellungnahmen von Anfang der 90er Jahre dokumentiert, in denen sich unsere Einschätzung von denen vieler Anderer deutlich unterscheidet.

Die Eindrücke aus der Zeit von 1999 stecken tief in den Köpfen der Menschen. Die Bombardements der USA und der NATO unter Einschluß der rot-grünen Bundesregierung mußte die Menschen zutiefst bewegen. Aber es darf darüber nicht vergessen werden, daß auch schon Anfang der 90er Jahre sehr gewichtige Meldungen über die Greuel in Jugoslawien die Menschen in Europa erreichten. In den vergangenen 15 Jahren ist extrem viel passiert, und es wird oft verdrängt, was vor längeren Zeiträumen passiert ist. Gerade deswegen aber ist es heute unbedingt angebracht, etwa die grundlegende Stellungnahme zu Jugoslawien von Februar 1992 (Extrablatt Nr.14) ebenfalls zu studieren. Es steht denen, die mehr oder minder bedingungslos die Politik Jugoslawiens unter Milosevic verteidigen, frei, die dort angeführten Argumente einer Kritik zu unterziehen.

1991 begann der Jugoslawienkrieg mit dem massiven Eingreifen der jugoslawischen Bundesarmee gegen Slowenien. In einigen Publikationen erscheint das so, als hätte damals die slowenische Territorialverteidigung Aggressionen gegen die jugoslawische Bundesarmee begonnen, angestachelt von Österreich und dem dahinterstehenden Deutschland. Da müssen wir fragen: waren die Angriffe der jugoslawischen Luftwaffe eine Erfindung der westlichen Propaganda? Hatte Slowenien nicht das Recht zur Sezession aus dem jugoslawischen Bundesstaat? Und war der Standpunkt der deutschen Außenpolitik unter Genscher zu diesem Zeitpunkt im Gegenteil nicht auf Beschwichtigung dieser Bestrebungen aus? Das war nämlich der Fall. Das deutsche Kapital hat sehr lange zu gut mit dem jugoslawischen Bundesstaat zusammengearbeitet, als daß es unmittelbar Interesse haben mußte, dies zu beenden. Und weiter: waren der Überfall und die Verwüstungen in Ostslawonien eine Erfindung der westlichen Propaganda? Waren die Greueltaten und Massenvergewaltigungen der Bundesarmee, die vorwiegend von Serbien beherrscht wurde, eine Erfindung der westlichen Propaganda? Und wohlgemerkt, dies alles geschah eine ganze Zeit vor dem Ausbruch des Krieges in Bosnien-Herzegowina, bevor es umgekehrt zu den entsprechenden Greueltaten und Schurkereien der Gegenseite in Kroatien und Bosnien-Herzegowina kam. Und war die Behandlung der Kosovo-Albaner im jugoslawischen Bundesstaat von Seiten der serbischen Mehrheit von Gerechtigkeit geprägt? Oder wie soll man das einschätzen?

Tatsächlich gab es eine Welle der Gewalt auch von jugoslawischer und serbischer Seite, die ihre militärische Überlegenheit anfangs ohne Skrupel einsetzte. Das heißt, bevor im Jahre 1999 nach einigen Jahren die gewaltige NATO-Maschinerie auf Serbien und das serbische Volk herunterprasselte, gab es diese Vergewaltigung anderer Länder und Volksgruppen durch Serbien oder die von ihr beherrschte Bundesmacht.

Wir haben uns bemüht, die Historie der jugoslawischen Entwicklung in ihren verschiedenen Facetten aufzuzeigen. Unsere Organisation will sich von niemandem bevormunden lassen und sich verbieten lassen, notwendige Dinge zu erwähnen. So ist auch auf eine Stellungnahme aus dem Februar 1993 zum Bosnienkrieg hinzuweisen, in der wir ungeschminkt auch zu den Gewalttaten der serbischen Nationalisten wie Karadzic und Mladic in Bosnien-Herzegowina Stellung nehmen. Damals war der Trend nämlich noch anders, der Mainstream zeigte sich damals und auch noch längere Zeit gänzlich unwillig, etwas gegen die Greueltaten der serbischen Nationalisten zu unternehmen. Und der Wechsel, der insbesondere nach dem Jahre 1993/94, vor allem aber nach dem Dayton-Abkommen von 1995 kam, ist nicht allen Menschen in Erinnerung. Vor allem auch, wenn sie nicht ständig die Politik verfolgen. Dieser Krieg hat tiefe Windungen und Wendungen gemacht, und man muß auf diese Punkte hinweisen.

Wir können nicht einer Propaganda zustimmen, die sich rückhaltlos hinter Slobodan Milosevic stellt, obwohl er eine Mitverantwortung an diesen Greueltaten in der Anfangsphase trug. In der Propaganda gehen bestimmte amerikanische Opponenten des NATO-Krieges gegen Jugoslawien (International Action Center, Internetportal "Emperors Clothes") zum Beispiel sogar so weit, die Existenz des Massenmordes von Srebrenica insgesamt in Frage zu stellen. Das scheint uns doch sehr bedenklich.

Der revisionistische, bürokratische Kapitalismus, wie er in Wahrheit in Jugoslawien seit langem existierte, brachte auch die feindseligen Konflikte zwischen den verschiedenen Nationalitäten hervor. Und fast alle, die zur Richtung der bedingungslosen Verteidiger Jugoslawiens gehören, leugnen die revisionistische Epoche Jugoslawiens.

Für diejenigen, die damals die Dinge nicht so verfolgten oder vielleicht noch Kinder waren zu jener Zeit, sei hier noch daran erinnert, welche Töne insbesondere von verantwortlichen Politikern der USA und Großbritanniens und führenden Medien angeschlagen wurden. Sehr bezeichnend war beispielsweise ein damaliger Artikel, der die beiden Staaten Slowenien und Kroatien als „Bonn´s New Babies“ bezeichnete, so als ob „Bonn“ diese beiden Staaten gezeugt habe. Und was ist heute? Sind diese Staaten, die nun seit 15 Jahren existieren, Totgebilde ohne innere Stütze in der eigenen Bevölkerung? Das kann man mit Sicherheit verneinen. Man kann den kroatischen Staat sicherlich wegen mancher reaktionärer Umtriebe kritisieren. Aber es dürfte wohl klar sein, daß die Selbständigkeit dieser beiden Staaten, sowohl Sloweniens als auch Kroatiens, auch heute unbedingt die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich hat. Es gibt etwa in Slowenien so gut wie niemanden, der die Geschichte umdrehen möchte. Und auch über Kroatien ist das faktisch nicht bekannt. Sollen uns diejenigen, die diese Epoche verschweigen, einmal erklären, ob sie heute noch der Ansicht sind, daß Slowenien sich nicht hätte loslösen dürfen. Und ob sie auch heute noch meinen, daß unter allen Bedingungen am jugoslawischen Staatsverband hätte festgehalten werden sollen, so wie das tatsächlich die amerikanischen und englischen führenden Politiker der damaligen Zeit forderten, und so wie es auch, eine Zeitlang zumindest, von Genscher als deutschem Außenminister mitgestützt wurde.

Redaktion Neue Einheit

 

 

 

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Zum Tod von Slobodan Milosevic  11.3.06

Anläßlich des Todes von Milosevic - Elemente eines politischen Rückblicks
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Was ist das für ein Tribunal, das in Den Haag zusammentritt? Ziel ist nur die Rechtfertigung des NATO-Krieges  27.6.2001

Die jugoslawischen Wahlen und der Westen
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Die Greuel in Bosnien-Herzegowina
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  -  Februar 1993

Der jugoslawische Krieg - Historische Entwicklung und Hintergründe * Warum die USA und andere Mächte so hartnäckig am jugoslawischen Staatsverband festhalten * Die Begünstigung des Krieges *  Die Bedeutung der Unabhängigkeitsbewegungen 
Februar 1992

Uwe Müller
Notizen zum Dayton-Abkommen und dessen Vorgeschichte
- Der Krieg in Bosnien-Herzegowina

-ausführliche Analyse von Dezember 2001


Rubriken zum Krieg:

Anti-NATO-Kriegsseite der Gruppe Neue Einheit
von 1999

Fortsetzung des Krieges gegen Jugoslawien mit anderen Mitteln  2000 / 2001

Brennpunkt Mazedonien
2001