Internet Statement 2008-27

 

Atomkraft – die längst überfällige Debatte

22. Juli 2008     

Nachdem international die Atomkraft längst eine Renaissance erfährt und von vielen, selbst kleineren Ländern wie Finnland oder den baltischen Länder forciert wird, ist auch in Deutschland wieder eine breitere Debatte über die Atomkraft bzw. den Atomausstieg aufgekommen. Innerhalb der G8 ist Deutschland in dieser wichtigen Frage völlig isoliert, und auch in der EU versucht es noch immer, gegen die große Mehrheit der übrigen Länder zu schwimmen. Immer mehr Menschen fragen sich hierzulande zu recht: Wie kann das angehen, daß Deutschland mit seinem beschlossenen Atomausstieg so allein dasteht? Haben all der jahrelangen Propaganda hierzulande gegen die Kernenergie zum Trotz nicht vielleicht doch all die Länder recht, die heute ihre Kernenergiekapazitäten ausbauen und neue Kernkraftwerke bauen?

Einen Haupthintergrund der aktuellen Debatte bilden die exorbitant gestiegenen Energiepreise, ausgelöst durch die rapiden Preissteigerungen bei Öl und Gas, die kein Ende nehmen wollen und die große Masse der Bevölkerung immer stärker belasten. Und es geht dabei nicht nur ums Autofahren, bei dem sich immer mehr Menschen einschränken müssen - wenn sie es sich überhaupt noch leisten können - , um einigermaßen über die Runden zu kommen. Auch die Heizkosten sind derart gestiegen, daß nicht nur Hartz IV-Empfänger Angst vor dem nächsten Winter und vor kalten Wohnungen haben müssen. Verschärft wird das ganze noch dadurch, daß in keinem anderen Industrieland die Energie- und Strompreise so hoch sind wie bei uns, was auch gerade den energieintensiven Teilen der Industrie schwer zu schaffen macht. Und da stellt sich ja unweigerlich die Frage, ob diese hohen Strompreise nicht etwas mit dem Atomausstieg und der so massiven Milliardenförderung von unrentablen sog. regenerativen Energieformen zu tun haben.

In der Tat zeigt sich auf diesem aktuellen Hintergrund zunehmend der wahre Charakter des 2000 von der rot-grünen Schröder-Regierung beschlossenen Ausstiegs aus der Kernenergie (der sog. Konsens über die Stillegung der Kernenergie) als eine unverantwortliche, ökonomisch und technologisch zerstörerische und wahnsinnige Politik, deren Zeche die breite Bevölkerung zu tragen hat.

Während andere Länder wie die USA, Rußland, China, Großbritannien, Frankreich, Finnland und viele andere ohne jeden nennenswerten Widerstand den Weiterausbau der Kernenergie betreiben, gilt bei uns die Kernenergie immer noch als Teufelswerk, das so schnell wie möglich beseitigt gehört. Nirgendwo sonst gab es solch eine massive Anti-KKW-Kampagne, auf deren Hintergründe wir schon dutzende Male eingegangen sind. Und so ist es nicht verwunderlich, wenn die heutige Diskussion sich bislang lediglich um die Verlängerung der Laufzeiten der bestehenden Kernkraftwerke geht, nicht aber um die prinzipielle Aufhebung des Atomausstiegs und um die überfällige Planung und den Bau neuer Kernkraftwerke – was heute mehr denn je auf der Tagesordnung eines jeden Industrielandes steht. Selbst das so gasreiche Rußland plant den Bau von 30 neuen KKWs.


Es ist dennoch zu begrüßen, wenn jetzt immerhin schon mal die Debatte über die Verlängerung der Laufzeiten neu entflammt ist. Es darf dabei aber nicht stehenbleiben. Die Diskussion muß darüber geführt werden, die Stillegung der Kernenergie ad acta zu legen und neue, moderne KKWs zu bauen.


Aber selbst verlängerte Laufzeiten sind den eingefleischten Gegnern der Kernenergie schon zu viel. So will die SPD vom beschlossenen Ausstieg keinen Millimeter abrücken, auch eine Verlängerung der Laufzeiten kommt für sie nicht in Betracht. Allerhöchstens dann – so SPD-Eppler –, wenn das Verbot der Nutzung der Kernenergie in die Verfassung aufgenommen wird. Eine Provokation ohnegleichen. In der Geschichte muß man lange ein Beispiel für solch eine bewußte Bremsung der technologischen und ökonomischen Entwicklung suchen. [Anmerkung]


Und mit was für Argumenten wird dabei „argumentiert“! Ganz unverschämt tritt dabei, wie schon gewohnt, Umweltminister Gabriel auf:

„’Was ich schlimm finde, ist, dass die Union den Leuten vorgaukeln will, man könnte mit Atomkraft die Öl- und Gaspreise dämpfen’, sagte er. 'Ich kenne keinen, der sein Auto mit Brennstäben tankt, und Öl- oder Gasheizungen lassen sich auch nicht mit Atomstrom betreiben.' Der Strompreis steige außerdem seit mehreren Jahren, obwohl etwa ein Viertel des Stroms aus Atomkraftwerken stamme. 'Wer also wirklich etwas gegen steigende Energiepreise machen will, der muss auf Energiesparen setzen, der muss investieren in moderne Heizungen, in neue Dämmungen, und der muss sich mit dem massiven Ausbau erneuerbarer Energien unabhängiger machen von Gas und Öl.'"     (Focus 29.6.08)

Was für eine Logik! Was für eine Demagogie! Natürlich könnten mit ausreichender billiger Stromerzeugung durch KKWs Unmengen von Öl- und Gasimporten ersetzt werden, siehe Frankreich. Natürlich kann mit Strom geheizt werden, Herr Gabriel. Waren z.B. vor ca. 40 Jahren Elektronachtspeicheröfen noch modern und groß im Kommen, so wurde parallel zur Verhetzung der Kernenergie die Richtung wieder weg von Elektroheizung hin zu Öl- und später vermehrt noch zu Gasheizungen gedrängt. Natürlich bräuchte man dazu die modernste und billigste Art der Stromerzeugung – die Kernenergie. Denn daß die sog. regenerativen Energien niemals einen Ersatz für die Kernenergie sein würden und werden, daran hat sich selbst nach jahrzehntelanger Forschung und milliardenschwerer Förderung bis heute nichts geändert. Ohne die milliardenschweren Subventionen wären weder die Windenergie noch die Sonnen- und Bioenergie konkurrenzfähig. Sie sind lediglich in Sonderfällen und als Ergänzung sinnvoll und rentabel einsetzbar. Atomstrom wäre hingegen ideal als Grundlage für Heizungen!!

Und würde man bezüglich der Autos und LKWs endlich weg vom nicht mehr zeitgemäßen Verbrennungsmotor zum Elektroantrieb (oder auch Wasserstoffantrieb) wechseln – mit Steckdose zum kostenlosen Aufladen der Batterien an jedem Parkplatz – auf Basis von billigem Atomstrom – dann hätten wir nicht nur viel bessere Luft in den Städten, sondern könnten allen das Autofahren und die Mobilität erhalten, die durch die horrenden und zum guten Teil politisch gewollten Benzinpreise von über 1,60€ für immer mehr Menschen immer stärker eingeschränkt wird.

Was hingegen schlägt Gabriel vor? „Energie sparen.“ Arrogant bis dort hinaus. Während der Staat immer neue und immer höhere Steuern fordert und die Steuergelder milliardenfach verschleudert – zwingt er seinen Bürger das Sparen auf. Natürlich alles nur im Sinne der Umwelt… man kennt das ja. Wasser predigen – und Wein saufen. Ein Herr Gabriel hat gut vom Sparen reden, er muß schließlich keine Angst vor einer kalten Wohnung im Winter haben.

Was für ein Niveau die SPD in dieser Debatte einnimmt, zeigt auch folgende Äußerung ihres Generalsekretärs Hubertus Heil:

„Die Mehrheit der Menschen wisse, 'dass es kein Zurück in diese Steinzeittechnologie geben kann'.“

Atomkraft ist Steinzeittechnologie? Entweder verkauft Herr Heil die Menschen für dumm, oder er hat wirklich weder Ahnung von der Steinzeit noch von der Kernenergie, deren wissenschaftlichen und technischen Grundlagen im 20. Jahrhundert gelegt wurden und deren praktische Anwendung gerade heute global vor einem noch nicht gesehenen Aufschwung steht.

Ein weiteres „schönes“ Argument der SPD lautet:

„Es gibt keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Nutzung der Atomkraft und der Entwicklung der Strompreise.“

Auch das ist verlogen. Natürlich gibt es da Zusammenhänge, sogar einen ganz unmittelbaren. Wer hat denn im Jahre 2000 den Energiekonzernen das volle Oligopol über den deutschen Strommarkt zugestanden im Gegenzug für deren Eingeständnis zum Atomausstieg? Wenn SPD und andere heute über das Oligopol der Energiekonzerne und deren ungeniertes Drehen an der Preisschraube herziehen, so ist das die pure Heuchelei, denn sie haben es mit dem Konsensbeschluß selbst mitgeschaffen und dabei bewußt die Lasten und Kosten des Ausstiegs auf die Energiekunden – die privaten, die industriellen und viele weitere gewerbliche – abgewälzt.

Und jedermann kann nachvollziehen, daß es negative Auswirkungen auf den Strompreis haben muß, wenn man voll funktionstüchtige, schon abgeschriebene KKWs, die noch 30 Jahre billigsten Strom produzieren könnten wie das in Obrigheim 2005, radikal abschaltet und zerstört.
In anderen Ländern schüttelt man seit Jahren verständnislos den Kopf über solch (selbst)zerstörerische Energie- und Industriepolitik, die in dieser Form und Ausprägung wirklich einzigartig auf der Welt ist. Wieviel wissenschaftliches und industrielles Potential ist dadurch schon außer Landes getrieben worden!? Und soll das immer noch so weitergehen?


Die CDU fährt in ihrer Mehrheit bis heute diesen liquidatorischen Kurs voll mit. So hat sie unter maßgeblicher Regie von Frau Merkel im Koalitionsvertrag mit der SPD ausdrücklich das Festhalten am Atomausstieg vereinbart. Und sie ist bis heute nicht bereit dazu, sich in dieser ernsten und wichtigen Frage ernsthaft mit der SPD anzulegen. Die Forderung aus der Union nach Laufzeitverlängerung ist zu wenig und ändert prinzipiell nichts an dem liquidatorischen Kurs, der hier gefahren wird. Auf der Tagesordnung steht der Ausbau der Atomenergie – viele Länder machen das heute vor und sie haben recht damit.

Noch ein Wort zu der sich ach so fortschrittlich gebenden und mehr noch so sozial gebenden „Linken“. Die Partei „Die Linke“ fordert unbeachtet der internationalen ökonomischen Entwicklungen unbeirrt den sofortigen Ausstieg aus der Kernenergie. Sie legt ganz wie Gabriel und Co. das Hauptgewicht auf unrentable und teure sog. regenerative Energien und vor allem aufs „Energiesparen“. Sie ist sich dabei nicht einmal zu schade, allerhand „wertvolle“ Energiespartips unter die Leute zu bringen. Für die ganz Armen fordert sie allerdings sozialen Ausgleich. Welch ein Trost für die Betroffenen - die so noch mehr zu Bittstellern des Staates degradiert werden.

Überhaupt ist die Haltung der Linken (nicht nur der Partei „Die Linke“) zur Kernenergie und zur Industrie in diesem Lande ein Thema für sich, auf das wir schon dutzende Male eingegangen sind und auf das wir auch im weiteren noch gesondert eingehen werden.
Daß Rechte und erzkonservative Kräfte gegen den Fortschritt und die Entwicklung der Produktivkräfte, die sich in der Kernenergie in besonderer Weise darstellen, auftreten, liegt in deren Natur und wundert einen nun wirklich nicht. Daß aber seit Anfang der 70er-Jahre der überwiegende Teil der Linken und Marxisten-Leninisten den Kampf gegen die Atomkraft geführt haben – unterstützt von der Mehrzahl der Medien und nach und nach durch fast alle bürgerlichen Kräfte – ist ein Phänomen, das es zu erklären gilt. Steht es doch in vollem Gegensatz zu den Grundlagen eines jeden Sozialisten und Kommunisten.


Auch die Gewerkschaften halten mit wenigen Ausnahmen radikal am Atomausstieg – und damit am ökonomischen Liquidationskurs - fest. Öko hier und Öko da, statt niedriger Strompreise auch hier „Energiesparen“ und Einschränkung für die Masse der Bevölkerung auf der ganzen Linie. Was für eine Interessenvertretung der arbeitenden und arbeitslosen Mitglieder ist das eigentlich? Wie können Gewerkschaften so industrie- und fortschrittsfeindlich sein? Auch hier ist einiges oberfaul und die Diskussion über diese grundlegenden Fragen muß endlich auch innerhalb der Gewerkschaften geführt werden.


Redaktion Neue Einheit  -um

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[Anmerkung]  Man könnte es durchaus mit dem Verbot des Kaisers von China 1424 vergleichen, der im Interesse der korrupten Mandarine und Beamten die damalige führende internationale Hochseeschiffahrt Chinas per Ukas verbot und alle Schiffe, Reiseberichte und Seekarten verbrennen ließ und China damit für Jahrhunderte isolierte und von der Weltentwicklung abgeschnitten hat. Die dadurch resultierende jahrhundertelange Isolation und Abschottung Chinas war kein Naturereignis, sie war gewollt.

 

 

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Die Bedeutung des sog. Konsenses über die Stillegung der Kernenergie
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zur Frage der Kernenergie