Die Medien wie auch führende Politiker und Unternehmervertreter sind durchweg erfreut über den Pilotabschluss. „Der Streik ist abgewendet“ – das ist überall zu hören und zu lesen. Die „moderate“ Lohnerhöhung, die Ausweitung der 40 Stunden-Woche und die teilweise Öffnung der Tarifverträge werden von ihnen weitgehend begrüßt. Der Wirtschaftsminister begrüßt den schnellen Abschluss und die Bannung der Streikgefahr. Auch die DGB-Spitze jubelt und spricht gar von einem „Glanzstück deutscher Sozialpartnerschaft“. Beide Tarifparteien, Gesamtmetall wie auch die IG Metall, stellen (wie üblich) den Abschluss als Erfolg hin und empfehlen die Übernahme des Pilotabschlusses in allen Tarifbezirken.
Die Lohnerhöhung mit zwei „Nullmonaten“ und danach 2,2% und 2,7% ist eine klare Reallohnsenkung - und das auch noch mit einer Laufzeit von 26 Monaten. Zumal noch jeweils 0,7% als ERA-Anteil abgehen. Vor allem die Kollegen im Osten trifft das hart. Allerdings wären selbst die geforderten 4% Prozent viel zu wenig gewesen, um die ganzen Steuer- und Abgabenerhöhungen z.B. durch die Gesundheitsreform auch nur annähernd auszugleichen. Hinzu kommen die Zusatzvereinbarungen über die Verlängerung der Arbeitszeit und die Abweichung von tariflichen Mindeststandards unter bestimmten Voraussetzungen. So ist nun in Betrieben mit hohem Anteil von höherbezahlten Mitarbeitern (>50%) statt für 18% der Belegschaften wie bisher die 40-Stunden-Woche für bis zu 50% der Belegschaften wieder möglich. Das ist ein herber Rückschritt und eine tarifliche Untergrabung der 35-Stunden-Woche. Allerdings gilt diese Verschlechterung im Gegenteil zu dem, was meist darüber berichtet wird, auch für die Betriebe mit kleinerem Anteil an höher Verdienenden. Voraussetzung dabei ist lediglich die Zustimmung beider Tarifparteien. Begründet wird dies wie folgt:
Es grenzt schon an Unverfrorenheit, wenn dazu in der Zusatzvereinbarung noch steht: „Eine Ausweitung der Quote über 18% darf nicht zu einem Arbeitsplatzabbau führen.“. Jeder kann doch an einer Hand abzählen, dass die Verlängerung der Arbeitszeit auf 40 Stunden nicht nur Arbeitsplätze kosten, sondern selbst vorübergehende Einstellungen verhindern wird. Dass diese in etlichen Betrieben nun mögliche Ausweitung der 40-Stunden-Woche entgegen den Absichten der sog. Unternehmer mit vollem Lohnausgleich sein soll, kann nur für diejenigen ein Trost sein, die noch Arbeit haben. Für alle Arbeitslosen und Alle, die nicht in festen Beschäftigungsverhältnissen stehen (PSA, Leiharbeit, Minijobs etc.), ist das ein weiterer Schlag ins Gesicht. Denn bevor zukünftig neue „feste“ Mitarbeiter eingestellt werden, wird erst mal in den meisten Betrieben die Arbeitszeit auf 40 Stunden erhöht werden - und dies nun alles auch im Rahmen des Tarifs. Es wird seitens mancher IG Metall-Funktionäre argumentiert, dies sei doch nur die Festhaltung dessen, was in manchen Fällen schon heute praktiziert werde. Das aber ist kein Argument. Wieso sollte man diese Abweichungen zu Lasten der Beschäftigten und der Arbeitslosen legalisieren und gar noch zur Regel machen? Die sog. Unternehmer werden das auszunützen wissen – die Zeche bezahlen wieder einmal die Beschäftigten, die Arbeitslosen und die Leih-, Zeit- und Minijob-Arbeiter. Überhaupt gibt es nun zukünftig deutlich mehr Möglichkeiten, vom Tarifvertrag abzuweichen, falls beide Tarifparteien, in manchen Fällen auch nur beide Betriebsparteien, sich einig sind. So heißt es in der Zusatzvereinbarung:
Der Willkür der sog. Unternehmer wird hier die Tür weit auf gemacht. Die Belegschaften all jener Betriebe, die am stärksten von der Krise betroffen oder gar am kaputtgehen sind, die also der Erpressung am stärksten ausgeliefert sind, werden es hierdurch noch schwerer haben, gegenzuhalten.
Wie kam es zu diesem Abschluss? Dazu ist es nun erst
einmal nicht gekommen. Die Warnstreiks dienten mehr zur Warnung ans
Kapital, den Bogen nicht zu überspannen, denn zur breiten Mobilisierung
und zur Vorbereitung eines Streiks. Auf Teufel komm raus wurde 16 Stunden
lang verhandelt und der jetzige Abschluss vereinbart. Beide Seiten waren
bestrebt, einen Streik auf alle Fälle zu verhindern. Die Medien waren
wochenlang voll der Warnungen, wie schädlich ein Streik sein würde.
Diese Furcht ist kein Zufall und sie hat auch keineswegs bloß ökonomische
Ursachen, von wegen Produktionsausfällen etc. Zu groß wäre die Möglichkeit,
dass der Unmut in und außerhalb der Betriebe über die soziale Entrechtung
und den Sozialraub (Hartz, Agenda 2010 etc.) sich Luft machen würde.
Und, mehr noch, dass sich die breite „soziale Bewegung“, die sich seit
der Demo in Berlin am 1.11. allerorten regt und zunimmt, mit den Streikenden
solidarisieren und verbinden könnte. Das wäre wirklich ein Fortschritt.
Streikende IG Metaller Hand in Hand mit den streikenden Studenten, mit
den Arbeitlosen, mit den Leih, -Zeit- und Minijobarbeitern, mit den
für bessere Zukunftsaussichten kämpfenden Eltern, mit den Rentnern etc..
Das würde dem Widerstand einen Schub geben. Noch ist der sog. Pilotabschluss formal gesehen in den einzelnen Tarifgebieten nicht beschlossen. Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte zeigt indes, dass eine solche Einigung noch nie durch die Tarifkommissionen gekippt worden ist. Damit ist auch dieses Mal nicht zu rechnen. Das ist schon in ihrer Zusammensetzung so angelegt. Zudem sitzt vielen Funktionären noch die von Zwickel und Co. verursachte Streikniederlage um die 35-Stunden-Woche im Osten in den Knochen. Hinzu kommt, dass sich viele Beschäftigte vor allem in Baden-Württemberg und im Westen mit dem Ergebnis trotz aller Nachteile und Verschlechterungen noch ganz gut arrangieren können. So ist hier vielerorts zu hören „Es hätte ja auch schlimmer kommen können“ und „Die generelle Ausweitung auf 40 Stunden ohne Lohnausgleich wurde schließlich verhindert.“ Und diejenigen, die indirekt am meisten davon betroffen sind, werden gar nicht erst gefragt: die Arbeitslosen und all diejenigen, die schon gar keine feste Anstellung mehr haben, die Leih-, Zeit- und Minijobarbeiter. Der sächsische Arbeitgeberverband allerdings verweigert die Zustimmung und will noch weitere Verschlechterungen durchsetzen. Er macht in den östlichen Tarifgebieten mobil, es ihm gleich zu tun. Es kann also durchaus noch zu weiteren Auseinandersetzungen kommen. Insofern wirkt dieser jetzige Abschluss spalterisch, weil die Gefahr besteht, dass die Ostkollegen nun in der weiteren Auseinandersetzung isoliert dastehen. Auch hier rächt sich die mangelnde Aufarbeitung der Streikniederlage vom letzten Sommer und vor allem die mangelnde Auseinandersetzung mit dem unsolidarischen Verhalten westlicher Betriebsratsfürsten, die damals den Streikenden im Osten in den Rücken gefallen sind. Allerdings hat Peters am Freitag in Gießen geäußert, dass die IG Metall sich auf Auseinandersetzungen im Osten vorbereitet und die Kollegen im Osten nicht hängen lassen wird. Die Erpressung der Beschäftigten durch Produktionsverlagerungen und mit den um ein vielfaches niedrigeren Löhnen in den osteuropäischen und asiatischen Ländern wird weitergehen. Ohne wirkliches Gegenhalten, ohne Veränderung der gewerkschaftlichen Strukturen, ohne Verbindung mit den Arbeitern in Osteuropa und weltweit, aber auch ohne prinzipielle Kritik an der seit mehr als 30 Jahren herrschenden Antiwachstumsideologie und dem wahnwitzigen Konzept der sog. Dienstleistungsgesellschaft wird es hierzulande weiter in Richtung sozialer Entrechtung und Verarmung immer größerer Teile der Bevölkerung gehen. Das sollte sich jeder vor Augen führen. Uwe Müller, 15.2.04
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Metalltarifverhandlung kurzerhand beendet! Zur Metalltarifrunde
Was
die Medien zum Streik von sich geben – Hetze wie noch nie! Mit dem Aussetzen des Streiks bei ZF ist die Gefahr gegeben, daß der Streik auch insgesamt zum Abbruch kommt RedNE -ks 25.6.2003
Der
Angriff von der anderen Seite Ein Erfolg in der Konfrontation kann nicht weggeredet werden - zur Wahl von Jürgen Peters zum IG Metall Vorsitzenden Klas Ber 1.9.2003
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