Internet Statement 2008-07

 

Die gegenwärtige Krise und die Abwiegelei der Revisionisten

Derzeit laufen Krisenerschütterungen wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Die Finanzkrise hat ein solches Kaliber, daß selbst die bürgerliche Presse den außerordentlichen Charakter zugeben muß. Die Krise ist größer als etwa die von 1997/98 oder die von 1987. Die Auswirkungen sind noch nicht absehbar. Die grundsätzliche Krise des Kapitalismus rückt wieder in den Vordergrund, auch wenn man noch nicht weiß, in welchem Umfang sich die Finanzkrise unmittelbar auswirken wird. Eines dürfte wohl klar sein: daß sich diese Entwicklung nicht mehr mit wenigen Schritten beherrschen läßt.

Wichtig ist vor allen Dingen, daß nach Jahrzehnten einer elenden Herunterwiegelei die extreme Gegensätzlichkeit in der kapitalistischen Produktion hier erneut durch die materiellen Tatsachen deutlich wird. Das kann niemand beiseite reden, auch wenn die Revisionisten jetzt sofort versuchen abzuwiegeln und die Krise als beherrschbar, als keine größere Krise hinzustellen. Da sind sogar die kapitalistischen Zeitungen ehrlicher, die sagen, es handelt sich um einen ganz erheblichen Zusammenstoß in der internationalen Ökonomie.
Da dies aber unter linken Kräften und unter jungen Menschen ja auch zur Frage führt: ‚wieso kann das wieder sein, wo es doch vor wenigen Jahren noch hieß, im Kapitalismus läuft alles mehr oder minder paletti’, versuchen jetzt bestimmte sog. Linke zu beschwichtigen und zu verhindern, daß es zur Beunruhigung über die gegenwärtige relativ große Krise kommt. Revisionist bleibt Revisionist, und das zeigt sich ganz besonders dann, wenn Krisen sich akkumulieren und offenkundig nicht mehr so leicht bewältigt werden können und eben zu einer entsprechenden Beunruhigung zumindest in Teilen der Bevölkerung führen. Das ist dann die Stunde der Revisionisten, die Sache so weit herunterzuwiegeln, daß es möglichst zu keiner Beunruhigung, zu keiner Erschütterung des internationalen Weltbildes kommt. Da müssen sie schön bei der Stange bleiben, damit das Kapital möglichst ungeniert und ungestört weitermachen kann. So waren die Revisionisten und so sind die Revisionisten, in früheren Situationen wie auch in der gegenwärtigen Situation. Aber offen gesagt: es hat ganz den Anschein, und zwar nicht nur für die „Financial Times“ und andere bürgerliche Zeitungen, die sich Sorgen um die Entwicklung machen, daß es sich hier um einen schweren Zusammensturz der kapitalistischen Ökonomie handelt, über dessen genaue Entwicklung noch niemand etwas weiß.

So sagt der „sozialistische“ Wirtschaftsprofessor und wirtschaftpolitische Sprecher der „Linksfraktion“ im Bundestag Herbert Schui in der „Jungen Welt“ vom 24.1.08: „Das ist nicht der Niedergang des Kapitalismus.“ Nun, den Niedergang des Kapitalismus alleine an dieser Krise festzumachen, das wäre ja auch übertrieben. Finanzkrise und Immobilienkrise sind natürlich für sich genommen nicht der Niedergang des Kapitalismus. Das behauptet auch niemand. Aber man kann auch nicht übersehen, daß eine Fülle von Zeichen in der heutigen Welt auf einen Niedergang des Kapitalismus hinweisen. Manche Verteidiger des Kapitalismus hoffen, daß es ja nicht nur die Finanzkrise, sondern auch den Aufschwung in einigen asiatischen Staaten wie China und Indien gebe, dort werde vielleicht auch der Rettungsanker in den gegenwärtigen Erschütterungen des internationalen Finanzsystems gefunden. Und wenn? Die Verlagerung der industriellen Schwerpunkte der Welt in diese Länder in Kombination mit der Liquidationspolitik gegenüber den „alten“ Zentren ist selbst eine wesentliche Mit-Ursache der aktuellen Krise, und sie verschärft in diesen Ländern selbst und in den internationalen Beziehungen die Widersprüche unvermeidlich weiter. Von daher ist weitere Unruhe gewiß, selbst wenn das Kapital nun vorübergehend ökonomische Stützen dort finden sollte. Die Unbeherrschbarkeit der modernen Produktivkräfte als das Grundkennzeichen des Kapitalismus erweist sich auf vielen Feldern, und die internationale Krisenentwicklung ist nur einer der Faktoren, die den Niedergang des Kapitalismus belegen. Niemand würde ernsthaft von einer einzelnen Krise gleich als von dem Phänomen des Niedergangs des Kapitalismus reden, wie das hier nun die Revisionisten zur Beruhigung verbreiten.

Wichtig an der gegenwärtigen Zuspitzung ist, daß die Krisenhaftigkeit des Kapitalismus sich an der Ökonomie erneut zeigt und verwirklicht mit Konsequenzen, die die nächsten Wochen und Monate beherrschen werden. Und normalerweise wäre das für Sozialisten ein Grund zu sagen: Halt, Stop! 20 bis 30 Jahre lang hat das Kapital der Öffentlichkeit eingeredet, der Kapitalismus laufe auf einigermaßen ruhigen Spuren, es ist zwar nicht immer alles in Ordnung, aber der Kapitalismus entwickelt sich mächtig und stark - jetzt aber ist klar, daß von mächtig und stark kaum eine Rede sein kann, sondern von tiefen Verwerfungen mit noch unbekannten Konsequenzen, die keiner beherrscht. Und ehrlicherweise steht in großen kapitalistischen Blättern sogar zu lesen, daß es gar keiner beherrscht. Und da kommen die Revisionisten an und sagen: kein Grund zur Beunruhigung. Diese Revisionisten sind Betrüger, die immer dann, wenn es darauf ankommt, die Zusammenbrüche den Menschen ins Bewußtsein zu rufen, gerade das Gegenteil tun und sagen, es ist alles halb so wild, ihr braucht euch nicht zu beunruhigen. Die kleinbürgerliche Spießernatur muß vor der Einsicht bewahrt werden, plötzlich vor einem Scherbenhaufen des Kapitalismus zu stehen und nicht auf dem soliden Fundament, das sie sich zeitweilig herbeigewähnt hat.

Dieser Kapitalismus wird hier und in anderen Punkten schwere Krisen erzeugen, manchmal mit erstaunlicher Geschwindigkeit wie dieses Mal, und die „großen“ Auguren, die kapitalistischen Wissenschaftler und „außerordentlichen Autoritäten“ sehen sich dann einer Lage gegenüber, daß sie in Wirklichkeit ganz wenig wissen über die internationale Entwicklung. Sie können sie überhaupt nicht beherrschen und müssen erstmal die Tatsache konstatieren, daß ganze vulkanische Eruptionen im Kapitalismus ablaufen, die zu unabsehbaren Weiterungen führen können, die sich hier vielleicht noch abbremsen, aber vielleicht auch zu noch größeren Eruptionen führen können.

Daß bürgerliche Journalisten den Kapitalismus schönreden, ist normal, es ist ja auch ihr Beruf. Aber es ist besonders ekelerregend, wenn ausgerechnet etwa im „Neuen Deutschland“ oder anderen Zeitungen in besonders penetranter Form in dieses Horn geblasen wird. Im „Neuen Deutschland“ vom 25.1. lesen wir etwa gar:

„Vielfältiger Gegenwind für Davoser Wirtschaftsforum. Globalisierungskritiker monieren Etikettenschwindel

Von Martin Ling
Das Weltsozialforum, das 2001 als Gegenereignis zum Weltwirtschaftsforum in Davos im brasilianischen Porto Alegre seinen Ausgang nahm, macht dieses Jahr erstmals Pause. In Davos präsent sind die Globalisierungskritiker trotzdem.“

Und weiter:

Global Action Day
»Eine andere Welt ist möglich« - unter diesem Motto mobilisieren weltweit Millionen Frauen, Männer, Organisationen, Gruppen, Netzwerke und Gewerkschaften gemeinsam zum Globalen Aktionstag des Weltsozialforums (WSF) am 26. Januar. 2009“

Oh, da sind aber die Kapitalisten sicherlich in großer Furcht bei solch einer umwerfenden Propaganda, daß es jetzt um eine andere Welt geht, für die man in Davos und anderswo demonstriert. Da, wo die Widersprüche sich unversöhnlich entwickeln und sich wahre Gräben auftun in Form einer massiven Finanzkrise mit noch unbekannten Konsequenzen, da soll man sich nicht beunruhigen, das sei noch nicht die Weltwirtschaftskrise im ganz großen Stile, das sei noch nicht der Niedergang des Kapitalismus, wie absurderweise die „Junge Welt“ schreibt. Aber man soll seine Hoffnung setzen auf ein kleines grünes Lämpchen vor der Davoser Konferenz, wenn da die Revisionisten stehen und ihren Protest gegen die kapitalistische Akkumulation und gegen die Globalisierung kundtun.

Es wäre die Aufgabe aller sozialistischen Gruppen, die den Begriff ernsthaft vertreten, jetzt auf möglichst breiter Ebene die Unversöhnlichkeit des Kapitalismus, die Unbeherrschbarkeit der ganzen Krisenentwicklung des Kapitalismus zu benennen und klarzumachen. Es wäre ihre Aufgabe, bei einer langsam sich akkumulierenden Krisenentwicklung die Erkenntnis in die Bevölkerung hineinzutragen, daß die kapitalistische Entwicklung unvermeidlich zu katastrophalen Entwicklungen führt, und nicht herunterzuwiegeln, wie es die Revisionisten gerne machen, genau dann, wo es darauf ankommt,.

Der Niedergang des Kapitalismus ist seit langem zu sehen, es brauchte nicht erst eine solche Krise wie die jetzige, um ihn zu zeigen. Die Unverträglichkeit der kapitalistischen Ordnung mit den sich entfaltenden Produktivkräften zeigt sich allenthalben. Der Niedergang des Kapitalismus zeigt sich an vielen Punkten, an der internationalen Widersprüchlichkeit, die sich durch nichts bremsen läßt, an verschiedensten weiteren Phänomenen. Er wird nicht erst an einer einzigen Erscheinung wie der jetzigen Finanzkrise klar. Aber diejenigen, die in einer solchen Situation der Verschärfung mit dem blödsinnigen Satz „Das ist nicht der Niedergang des Kapitalismus“ antworten, das sind die Abwiegler, mit denen sich die sozialistische Bewegung schon immer konfrontieren mußte, das sind die ewigen Revisionisten.

Der Fall Nokia - etwas Besonderes im Kapitalismus?

Diese internationale Krise ist auch einem einzelnen Arbeitskonflikt wie bei Nokia übergeordnet, zumal der ja denselben allgemeinen kapitalistischen Verhältnissen entspringt. Es ist vorrangig, sich mit der Allgemeinheit des ganzen Kapitals auseinanderzusetzen und nicht nur mit der kapitalistischen Wirklichkeit eines einzelnen Betriebs oder eines einzelnen Produktionszweiges. Es wäre die Aufgabe aller Gruppen und Organisationen, die die Kritik am Kapitalismus zum Ziel haben und umzusetzen zu gedenken, genau diesen Punkt ins Bewußtsein zu rufen und angesichts der im Finanzwesen ausgebrochenen Krise zu sagen: hier wird deutlicher als je zuvor, daß ein Setzen auf den Kapitalismus als einer ausgeglichenen Entwicklung völlig auf Sand gebaut ist und zu nichts führen kann außer zur Verblendung. Die inneren Widersprüche des Kapitalismus selbst zeigen sich deutlicher am Werk als seit langem, die Katastrophen liegen im System selbst, hört zu, Leute: davon kann uns niemand befreien außer der Sozialismus. Und wenn der in der Vergangenheit nicht perfekt war, ist das kein Grund, auf den Kapitalismus zu setzen, denn der kann nicht mehr entscheidend gebessert werden, wohl aber der zu schaffende künftige Sozialismus. Kommt es jetzt zu schweren Krisen, dann gibt es auch die entsprechende Arbeitslosigkeit und andere massive Auswirkungen auch in den westeuropäischen kapitalistischen Ländern, weil die Krise niemand aufhalten kann. Und jedes Gerede, bei dem den Menschen eingeträufelt wird, der Kapitalismus ist nicht so schlimm, es ist alles halb so wild, mit ein paar politischen Korrekturen am Kapitalismus muß es garnicht zur tieferen Krise kommen usw., soll die Menschen möglichst weitgehend zur Unfähigkeit zur Reaktion auf die Krise erziehen. Gewiß haben wir die Krise noch nicht in vollem Umfang, aber diejenigen, die den Menschen einreden, die kommt auch gar nicht, es ist alles halb so wild, sind letztendlich diejenigen, die die Menschen auf die Schlachtbank führen.

Derweil die strukturelle Schwäche des Kapitalismus deutlich wird an solchen Wochen und Monaten, wie wir sie jetzt haben, wo dies selbst von den Auguren des Kapitals nicht weggeredet werden kann, gibt es noch ein anderes Phänomen, das wir als ein Mittel der Ablenkung sehen müssen.
Es gibt jetzt z.B. im Zusammenhang mit dem Stillegungsbeschluß von Nokia - der auch ein ganz spezielles, nicht unwichtiges Kapitel ist - den deutlichen Versuch, hier mit rechter Propaganda einzusteigen. Zum Beispiel schreibt die Ost-Bildzeitung „Berliner Kurier“ vom 25- 1.08 auf Seite 1: „Pfui Nokia. Finnen jubeln über Rekordgewinn und in Deutschland weinen die Menschen.“ Und auf der Innenseite dann „Die Zahl der Gier, 7 Mrd Euro, so viel verdiente der Handy-Riese im vergangene Jahr.“ Dies wird in verschiedenen Variationen von mehreren Zeitungen vorgebracht. Ein durchsichtiges Manöver in einem Falle, wo „unser“ deutsche Kapitalismus selbst nur eine kleine Rolle spielt oder gar keine. Nach dieser Darstellung sind es vor allem die ausländischen Konzerne, die das „Böse“ in unser kleines Land hereinbringen, z.B. verursachen ’gierige finnische Kapitalisten’ die Katastrophe bei Nokia.

Die Menschen sollen also gegen die Gier des ausländischen Kapitals protestieren. Sie werden nicht etwa darauf gelenkt, daß die Unversöhnlichkeit des Kapitals solche Handlungsweisen zwangsweise hervorbringt, und dies überall, sondern sie unterliegen hier angeblich den bösen Gesetzen der finnischen Kapitalisten. Jede Art dieser Propaganda ist rechte Propaganda, die statt auf die inneren Widersprüche des Kapitals, die in unserem Land wie in allen anderen Ländern herrschen, auf das „böse Handeln“ ausländischer Kapitalisten hinweist. Diese Hetze ist in ihrem Wesen rechts. Und sie taucht interessanterweise ganz besonders bei solchen Zeitungen, die irgendwo mit den Revisionisten zusammenhängen, auf. Man nehme z.B. das „Neue Deutschland“: „Mega-Gewinn reicht Nokia noch nicht.“ Als wenn jetzt beim Nokia-Konzerns die besondere Gier vorläge und diese nicht allen großen kapitalistischen Konzernen eigen wäre. Wie verhalten sich denn deutsche Konzerne im Ausland? Ist das irgend etwas Besonderes, was wir hier erleben, oder wie ist das? Gegen diese rechte Propaganda, wie sie hier im „Neuen Deutschland“ oder im „Berliner Kurier“ oder in anderen Blättern so gerne auftaucht, sollte man sich sehr deutlich wenden. Da wird rechtes Zeug ausgebrütet und davon ausgehend würde sich die rechte Soße auch auf anderen Kanälen verbreiten. Es ist die Gesetzmäßigkeit des Kapitalismus, die sich bei Nokia bemerkbar macht, und nicht die besonderen Eigenschaften von irgendeinem Land. Und das Revisionistenpack, das auch aus Quellen der DDR hervorgegangen ist, macht fröhlich mit bei dieser Sorte von rechter Propaganda. Es fällt direkt auf, daß es östliche Zeitungen sind, die besonders stark in dieser Richtung propagieren.


Es ist die kapitalistische Gesetzmäßigkeit am Werke, und sie führt zu entsprechenden Konsequenzen. Und das haben alle ehrlichen revolutionären und linken Gruppen in unzähligen Varianten in die Menschen hineinzutragen, und nicht das Gegenteil, daß das ganze nur an den bösen Absichten eines einzelnen Kapitalisten, an übermäßiger finnischer Gier oder sonstwas liegt, sondern daß es nichts anderes als die profane Entwicklung des Kapitals selbst ist, die zu diesen Dingen führt. Jeder, der die entgegengesetzte Propaganda führt, arbeitet in Wirklichkeit an Chauvinismen und an rechten Entwicklungen im weiteren, egal unter welchem Etikett – als sog. Linker oder Liberaler oder sonstwas – er auftritt. Nichts ist so wichtig wie die Pflicht, aufzuzeigen, daß der Kapitalismus insgesamt auf Entwicklungen wie bei Nokia zusteuern muß und in keiner Hinsicht von einer speziellen Nationalität abhängig ist.

Redaktion NE -hd

28.01.2008

 

 

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